Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichterhebung von Gerichtskosten
Leitsatz (NV)
1. Die Gebühr nach Nr. 1310 des Kostenverzeichnisses zum GKG wird unabhängig von einem etwaigen Fehlverhalten des Gerichts erhoben.
2. Zur Frage, ob es unabhängig vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 Satz 1 GKG im Einzelfall gerechtfertigt sein könnte, bei überlanger Dauer des Gerichtsverfahrens von der Erhebung der Gerichtskosten abzusehen.
Normenkette
EMRK Art. 6 Abs. 1 S. 1, Art. 50; GKG § 5 Abs. 4, § 8
Nachgehend
Tatbestand
Der Kostenschuldner ist mit seiner Revision beim erkennenden Senat unterlegen. Ihm sind die Kosten des Revisionsverfahrens auferlegt worden. Die Kostenstelle hat gegen ihn Gerichtskosten in Höhe von 1 875 DM festgesetzt. Mit Schriftsatz vom 1. Dezember 1989 hat der Kostenschuldner beantragt, die festgesetzten Gerichtskosten nach § 8 GKG niederzuschlagen. Er hat diesen Antrag mit der überlangen Dauer der Rechtssache begründet. Der Steuerbescheid datiere bereits vom 22. Januar 1971. Bis zur Entscheidung durch den BFH habe das Verfahren somit mehr als 18 Jahre gedauert.
Entscheidungsgründe
Der Antrag ist als Erinnerung gegen die Kostenrechnung anzusehen (vgl. den BFH-Beschluß vom 2. Oktober 1985 III E 3-4/85, BFH/NV 1986, 352).
Die Erinnerung ist unbegründet. Die Voraussetzungen für die Nichterhebung der Kosten des Revisionsverfahrens aufgrund des § 8 GKG liegen nicht vor.
Nach dem hier allein in Betracht kommenden § 8 Abs. 1 Satz 1 GKG werden Kosten nicht erhoben, die bei richtiger Behandlung der Sache nicht entstanden wären. Daraus folgt, daß diese Kosten ihre Ursache in einer unrichtigen Sachbehandlung durch das Gericht haben müssen. Das ist hinsichtlich der im vorliegenden Fall für das Revisionsverfahren angesetzten Gebühr nicht der Fall. Denn diese Gebühr wird nach Nr. 1310 des Kostenverzeichnisses zum GKG für das Verfahren im allgemeinen erhoben und ist unabhängig von einem etwaigen Fehlverhalten des Gerichts.
Ob es gleichwohl unabhängig vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 Satz 1 GKG im Einzelfall gerechtfertigt sein könnte, von der Erhebung der Gerichtskosten bei einer überlangen Dauer des Gerichtsverfahrens abzusehen, braucht der Senat im vorliegenden Fall nicht zu entscheiden. Denn er hat über die bei ihm eingelegte Revision, auf die es hinsichtlich der Kosten des Revisionsverfahrens allein ankommen kann, innerhalb vertretbarer Zeit entschieden.
Der Schriftsatzaustausch im Revisionsverfahren ist mit dem Schriftsatz des Kostenschuldners vom 5. März 1987 beendet worden. Der Senat hat dann am 2. August 1989 über die Revision beraten und ist zu dem Ergebnis gelangt, daß er nach Art. 1 Nr. 7 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs verfahren wolle. Diese Zeit ist bei Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der Geschäftsbelastung des Senats, der Schwierigkeit der Sache, aber auch der Dauer des vorangegangenen finanzgerichtlichen Verfahrens, nicht so lang, daß bereits eine Verletzung des aus Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes abzuleitenden Beschleunigungsgebotes (vgl. BVerfGE 55, 349, 369; Kirchhof in Festschrift für Karl Döhring, S. 439, 448 f.) angenommen werden könnte.
Aus dem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 22. Januar 1987 1 BvR 103/85 (Der Betrieb 1987, 1722) läßt sich für den Kostenschuldner nicht herleiten. Dort ging es lediglich um die Erstattung der durch ein Verfassungsbeschwerdeverfahren entstandenen Auslagen der Verfassungsbeschwerdeführerin. Diese Auslagen wären nicht entstanden, wenn das Finanzgericht vor Erhebung der Verfassungsbeschwerde über die bei ihm angebrachte Klage entschieden hätte.
Auch mit Art. 6 Abs. 1 Satz 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention, aus dem sich das Recht auf gerichtliches Gehör innerhalb angemessener Frist bei zivilrechtlichen Ansprüchen und Verpflichtungen ergibt, läßt sich die begehrte Nichterhebung der entstandenen Gerichtskosten für das Revisionsverfahren nicht rechtfertigen. Abgesehen davon, daß das Europäische Gericht für Menschenrechte bisher nicht bejaht hat, daß Steuerstreitigkeiten unter Art. 6 Abs. 1 Satz 1 der genannten Konvention fallen, sieht die Konvention nicht vor, daß Gerichtskosten bei überlanger Dauer des Verfahrens nicht zu erheben sind. In Art. 50 ist lediglich bestimmt, daß der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte gegebenenfalls eine gerechte Entschädigung zubilligen kann, wenn die innerstaatlichen Gesetze nur eine unvollkommene Wiedergutmachung vorsehen. Das Erinnerungsverfahren ist gerichtsgebührenfrei (§ 5 Abs. 4 GKG).
Fundstellen
Haufe-Index 416901 |
BFH/NV 1991, 54 |