Leitsatz (amtlich)
1. Die Revision darf nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen werden, wenn die zu klärende Rechtsfrage dem Landesrecht angehört, die Revision jedoch nur darauf gestützt werden könnte, daß das angefochtene Urteil auf der Verletzung von Bundesrecht beruhe.
2. In öffentlich-rechtlichen Rechtsstreitigkeiten über Angelegenheiten des Berliner VergnStG kann die Revision an den BFH darauf gestützt werden, das angefochtene Urteil beruhe auf der Verletzung dieses Gesetzes.
2. Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache.
Normenkette
GG Art. 70, 99, 105 Abs. 2 Nr. 1; FGO § 33 Abs. 1 Nr. 4, § 118 Abs. 1 Sätze 1-2, § 183; AGFGO für das Land Berlin § 3 Abs. 1, § 4 Nr. 1 Buchst. f.; AGFGO für das Land Hamburg § 5 Abs. 2, § 6; AO- Anwendungsgesetz für das Land Berlin § 1 Abs. 1 Nrn. 1, 8; AO-Anwendungsgesetz für das Land Hamburg § 2 Abs. 1 Nr. 4
Tatbestand
Der Beschwerdegegner zog den Beschwerdeführer - ... ausschuß bei einem staatlichen Lehrinstitut in Berlin - wegen eines durch den Beschwerdeführer veranstalteten Sommerfestes zur Vergnügungsteuer heran. Der Beschwerdeführer berief sich gegen die Heranziehung auf § 2 Abs. 1 Nr. 4 und Abs. 2 des Vergnügungsteuergesetzes (VergnStG) des Landes Berlin i. d. F. der Bekanntmachung vom 10. Mai 1962 (GVBl, 465).
Einspruch und Klage blieben erfolglos. Mit der Beschwerde beanstandet der Beschwerdeführer, daß das Finanzgericht (FG) es abgelehnt hat, die Revision zum Bundesfinanzhof (BFH) zuzulassen; die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Beschwerde ist nicht begründet.
I. Die Zulassung der Revision auf Grund § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO kommt nur dann in Betracht, wenn das Revisionsgericht befugt ist, die Rechtsfrage zu prüfen, derentwegen die Zulassung der Revision begehrt wird. Die Revision darf nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen werden, wenn die zu klärende Rechtsfrage dem Landesrecht angehört, die Revision jedoch nur darauf gestützt werden könnte (§ 118 Abs. 1 S. 1 FGO, § 137 Abs. 1 VwGO), daß das angefochtene Urteil auf der Verletzung von Bundesrecht beruhe (BVerwGE 1, 3, 19, 76 zu § 53 Abs. 2 Buchstabe a des Gesetzes über das Bundesverwaltungsgericht - BVerwGG -; vgl. auch Eyermann-Fröhler, Verwaltungsgerichtsordnung, Kommentar 4. Aufl., § 132 Rdnr. 13; Klinger, Verwaltungsgerichtsordnung, 2. Aufl., § 132 Anm. C 1 a). Im Streitfall wäre der Senat als Revisionsgericht befugt, das Urteil des Finanzgerichts daraufhin zu überprüfen, ob Landesrecht richtig angewendet wurde. Dies ergibt sich aus Art. 99 GG, § 33 Abs. 1 Nr. 4 FGO, § 3 Abs. 1 des Gesetzes zur Ausführung der Finanzgerichtsordnung (AGFGO) für das Land Berlin vom 21. Dezember 1965 (GVBl, 1979) und § 1 Abs. 1 Nr. 8 AO-Anwendungsgesetz für das Land Berlin i. d. F. der Bekanntmachung vom 6. Januar 1966 (GVBl, 90; § 1 Abs. 1 Nr. 6 AO-Anwendungsgesetz i. d. F. § 4 Nr. 1 Buchst. f AGFGO).
1. § 33 Abs. 1 Nr. 4 FGO (vgl. § 40 Abs. 1 Satz 2 VwGO) sieht die Möglichkeit vor, den Finanzrechtsweg in anderen als den in Nr. 1 bis 3 dieser Vorschrift bezeichneten Streitigkeiten durch Landesgesetz zu begründen. Die FGO ist durch das Gesetz des Landes Berlin zur Übernahme der Finanzgerichtsordnung vom 25. Oktober 1965 (GVBl, 1603) entsprechend § 183 FGO übernommen worden.
Nach § 3 Abs. 1 AGFGO ist der Finanzrechtsweg auch gegeben in öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten über Abgabenangelegenheiten, soweit die Abgaben nicht der Gesetzgebung des Bundes unterliegen und nach den Vorschriften der AO durch Berliner Finanzbehörden verwaltet werden. § 1 Abs. 1 Nr. 1 AO-Anwendungsgesetz schreibt vor, daß die AO in der jeweils für Berlin geltenden Fassung auf öffentlich-rechtliche Abgaben, soweit sie der Gesetzgebung des Bundes nicht unterliegen und durch Berliner Finanzbehörden verwaltet werden, anzuwenden ist. § 1 Abs. 1 Nr. 8 AO-Anwendungsgesetz (§ 1 Abs. 1 Nr. 6 i. d. F. des § 4 Nr. 1 Buchst. f AGFGO) bestimmt, daß auf diese Abgaben die FGO in der jeweils für Berlin geltenden Fassung anzuwenden ist.
Die durch das VergnStG für das Land Berlin geregelte Vergnügungsteuer ist eine Steuer, die nicht auf Grund Art. 105 Abs. 2 Nr. 1 GG (in der bisher geltenden Fassung) der Gesetzgebungskompetenz des Bundes unterliegt (BVerfGE 14, 76 HFR 1962, 179); dem Land Berlin steht die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz zu (Art. 70 GG). Die Vernügungsteuer wird, wie sich aus den §§ 16 ff. VergnStG ergibt, durch Finanzbehörden des Landes Berlin verwaltet.
2. Nach der dargestellten Rechtslage kann in öffentlichrechtlichen Rechtsstreitigkeiten über Angelegenheiten der Berliner Vergnügungsteuer der BFH als Revisionsgericht im Rahmen der Vorschriften der FGO angerufen werden. Damit ist jedoch nicht gesagt, daß die Revision zum BFH darauf gestützt werden kann, das angefochtene Urteil beruhe auf der Verletzung von Landesrecht (§ 118 Abs. 1 Satz 1 FGO; vgl. § 137 Abs. 1 VwGO, § 549 Abs. 1 ZPO, § 162 Abs. 2 SGG).
Diese Möglichkeit ergibt sich aus dem gemäß Art. 99 GG zulässigen § 1 Abs. 1 Nr. 8 AO-Anwendungsgesetz. Art. 99 GG gibt den Ländern das Recht, den obersten Gerichtshöfen des Bundes für den letzten Rechtszug die Entscheidung in solchen Sachen zuzuweisen, bei denen es sich um die Anwendung von Landesrecht handelt. Während § 3 Abs. 1 AGFGO den Finanzrechtsweg für öffentlich-rechtliche Streitigkeiten über Angelegenheiten der Vernügungsteuer gewährt, schreibt § 1 Abs. 1 Nr. 8 AO-Anwendungsgesetz vor, die FGO sei in der jeweils für Berlin geltenden Fassung auf die Vergnügungsteuer anzuwenden. Die uneingeschränkte Anwendung der FGO auf die Berliner Vergnügungsteuer kann nur in dem Sinne gedeutet werden, daß dem BFH als Revisionsgericht die Entscheidung in Rechtssachen zugewiesen wird, bei denen es sich um die Anwendung des VergnStG als Landesrecht handelt; diese Zuweisung eröffnet für den BFH die Möglichkeit, das Urteil des Instanzgerichtes auch insoweit zu prüfen, als es sich um die Verletzung des von diesem Gericht anzuwendenden VergnStG handelt.
Da sich die Befugnis des BFH, Entscheidungen des FG Berlin in Vergnügungsteuersachen auch im Hinblick auf die Anwendung des Berliner VergnStG zu prüfen, bereits aus einem nach Art. 99 GG möglichen Landesgesetz ergibt, kann dahingestellt bleiben, ob die Möglichkeit, mit der Revision die Verletzung von Landesrecht zu rügen, aus § 118 Abs. 1 Satz 2 FGO (in Verbindung mit § 3 Abs. 1 AGFGO und § 1 Abs. 1 Nr. 8 AO-Anwendungsgesetz) abgeleitet werden könnte.
II. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung.
1. Das von dem Beschwerdeführer veranstaltete Sommerfest unterlag - dies ist zwischen den Beteiligten nicht streitig - als in Berlin veranstaltete Vergnügung gemäß § 1 Abs. 1 VergnStG der Steuer. Streitig ist allein, ob im Falle des Beschwerdeführers die durch § 2 Abs. 1 Nr. 4 VergnStG angeordnete Steuerbefreiung durch Abs. 2 des § 2 wieder ausgeschlossen wird.
Nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 VergnStG sind von der Steuer befreit: "Veranstaltungen ..., die ausschließlich dem Unterricht an öffentlichen Schulen oder an den vom Senator für Volksbildung genehmigten Privatschulen dienen, sowie Veranstaltungen, die mit Genehmigung der Schulleitung überwiegend für Schüler solcher Anstalten und deren Angehörige durchgeführt werden." Nichtgewerbliche Veranstaltungen der genannten Art, die mit Genehmigung der Schulleitung überwiegend für Schüler der Grundschulen, Oberschulen, Sonderschulen, Berufs- und Berufsfachschulen und deren Angehörige durchgeführt werden, bleiben auch dann steuerfrei, wenn die Veranstaltungen mit Tanzbelustigungen verbunden sind (§ 2 Abs. 2 VergnStG).
Das FG hat die Klage zurückgewiesen, weil das staatliche Lehrinstitut keine der in § 2 Abs. 2 VergnStG genannten Schulen sei. Der Beschwerdeführer sieht die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache darin, daß die Frage außer für das staatliche Lehrinstitut für vier Ingenieurschulen, vier gleichstehende Lehranstalten, acht Fachschulen, fünf staatlich anerkannte Privatschulen dieser Art, neun Ergänzungsschulen und zwei freie Einrichtungen, insgesamt zweiunddreißig Anstalten wesentlich sei.
2. Nach der Rechtsprechung des BVerwG zu § 132 Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 3 Satz 3 VwGO, der dem § 115 Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 3 Satz 3 FGO entspricht, hat eine Rechtssache grundsätzliche Bedeutung, wenn zu erwarten ist, daß die Entscheidung im künftigen Revisionsverfahren dazu dienen kann, die Rechtseinheit in ihrem Bestande zu erhalten oder die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern. Es genügt nicht, daß die Sache in tatsächlicher Hinsicht eine über den der Beschwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehende Bedeutung hat; durch die Rechtssache muß vielmehr eine höchstrichterlich noch nicht geklärte Rechtsfrage allgemeiner Bedeutung aufgeworfen werden (BVerwGE 13, 90 mit Nachweisen).
Mit dieser Rechtsauffassung stimmt die Rechtsprechung des BFH zum Begriff "grundsätzliche Bedeutung" im Sinne des § 115 Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 3 S. 3 FGO überein. Danach hat eine Rechtssache nur dann grundsätzliche Bedeutung, wenn die für ihre Entscheidung maßgebliche Rechtsfrage das (abstrakte) Interesse der Allgemeinheit - d. h. der Gemeinschaft der Rechtsgenossen - an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (Beschlüsse des BFH VI B 2/66 vom 15. Juli 1966, BFH 86, 708, BStBl III 1966, 628, unter Berufung auf Eyermann-Fröhler, Verwaltungsgerichtsordnung, Kommentar 4. Aufl., § 132 Rdnr. 14; VII B 3/66 vom 20. September 1966, BFH 86, 791, BStBl III 1966, 653; III B 58/67 vom 21. Juni 1968, BFH 93, 503, BStBl II 1969, 36).
Diese Voraussetzungen für die Zulassung der Revision sind im Streitfall nicht erfüllt. Die aufgeworfene Rechtsfrage wird nur im Bereich eines Landes und nicht häufig auftreten. Das Interesse an einheitlicher Rechtsanwendung oder einer Weiterentwicklung des Rechts gebietet eine Entscheidung des BFH nicht. Die Einheitlichkeit der Rechtsanwendung wird dadurch gewährleistet, daß die umstrittene Rechtsfrage nur durch ein oberes Landesgericht der Finanzgerichtsbarkeit (§ 2 FGO) entschieden wird. Sonstige Gründe, aus denen sich ergeben könnte, daß der aufgeworfenen Rechtsfrage eine allgemeine Bedeutung zukommt oder daß die Weiterentwicklung des Rechts eine Entscheidung durch das Revisionsgericht gebietet, sind nicht ersichtlich.
3. ...
4. Die nach Ansicht des Beschwerdeführers klärungsbedürftige Rechtsfrage hat aber auch aus anderen Gründen keine allgemeine Bedeutung. Auch im Bereich des Landes Berlin wird die Rechtsfrage nicht häufig erheblich. Sie kann, wenn man die Darstellung des Beschwerdeführers zugrunde legt, bei rd. 30 potentiellen Steuerpflichtigen je einmal, vielleicht auch zweimal im Jahr akut werden. Die vom Beschwerdeführer angedeutete Möglichkeit, daß auch andere - nicht bezeichnete - Anstalten und außerhalb Berlins gelegene Anstalten in Berlin entsprechende Veranstaltungen abhalten könnten und auch für diese die Rechtsfrage relevant werden könnte, kann schon deshalb außer Betracht bleiben, weil nicht gewiß ist, daß jede der von dem Beschwerdeführer bezeichneten Anstalten auch nur einmal im Jahr eine der Vernügungsteuer unterworfene Veranstaltung abhält. Im übrigen ist auch die Art des Eingriffes durch die Besteuerung nicht von solchem Gewicht, daß ein über das Einzelinteresse des Beschwerdeführers hinausgehendes allgemeines Interesse an der Entscheidung der Rechtsfrage durch das Revisionsgericht anerkannt werden könnte.
Fundstellen
Haufe-Index 68310 |
BStBl II 1969, 663 |
BFHE 1969, 155 |