Entscheidungsstichwort (Thema)
Pauschale Wertberichtigungen auf Antiquitäten
Leitsatz (NV)
Es ist nicht klärungsbedürftig, dass die Rechtsprechung zur Zulässigkeit pauschaler Wertberichtigungen auf Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens (BFH-Urteile vom 1. April 1958 I 60/57 U, BFHE 67, 47, BStBl III 1958, 291; vom 28. September 1962 III 372/59 U, BFHE 75, 664, BStBl III 1962, 519; vom 16. Juli 1981 IV R 89/80, BFHE 134, 27, BStBl II 1981, 766) auch für Antiquitäten gilt. Diejenige Frage, ob Antiquitäten als gleichartig i.S. der vorgenannten Rechtsprechung angesehen werden können, ist eine Frage des Einzelfalls und damit dem FG übertragen.
Normenkette
EStG § 4; FGO § 76 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, § 115 Abs. 2 Nrn. 1-3, § 155; HGB § 240 Abs. 3-4, § 256; ZPO § 295
Tatbestand
I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist eine GmbH, die mit Antiquitäten und Kunstgegenständen handelt und gleichzeitig Immobilien verwaltet. Ihr Stammkapital in Höhe von 55 000 DM hielten im streitrelevanten Zeitraum X in Höhe von 31 000 DM und ihre Tochter Y in Höhe von 24 000 DM. Mit Vertrag vom 2. November 1990 wurde X zur Geschäftsführerin der Klägerin bestellt, verzichtete aber gleichzeitig "bis auf weiteres" auf ein Gehalt. Nach dem Protokoll der Gesellschafterversammlung vom 15. Dezember 1992 erhielt sie ab dem 1. Januar 1993 ein Gehalt in Höhe von 120 000 DM, auf welches sie allerdings laut Protokoll der Gesellschafterversammlung vom 7. Januar 1994 auf Grund der Ertragslage der Klägerin "ab sofort" verzichtete.
Die Klägerin verbuchte für 1993 das Nettogehalt der X und die anfallenden Lohnsteuern und Sozialabgaben als Verbindlichkeiten. Zum 31. Dezember 1995 buchte sie die im Hinblick auf das Nettogehalt angesetzte Verbindlichkeit auf das Verrechnungskonto der X um. Lohnsteuer und Sozialabgaben entrichtete sie nicht.
Die Klägerin erklärte für die Jahre 1991 bis 1994 folgende Betriebsergebnisse:
1991 |
./. 276 000,00 DM |
1992 |
./. 163 000,00 DM |
1993 |
+ 9 330,83 DM |
1994 |
./. 329 000,00 DM |
1995 erzielte sie Einnahmen aus der Veräußerung eines Grundstückes in Höhe von 2 750 000 DM, denen (daraus resultierende) Verbindlichkeiten in Höhe von 2 407 835,10 DM gegenüberstanden.
1998 führte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt ―FA―) bei der Klägerin eine Betriebsprüfung durch, die u.a. zu folgenden Feststellungen führte: Die Klägerin hatte pauschale Wertberichtigungen auf den Bestand an Antiquitäten zum 31. Dezember 1993 in Höhe von 150 000 DM und zum 31. Dezember 1994 und 1995 von jeweils 50 000 DM vorgenommen. Die Wertberichtigungen begründete sie damit, dass der jeweilige Teilwert der Antiquitäten unter den Anschaffungskosten gelegen habe. Zwar sei die Erstellung eines Wertgutachtens auf Grund des zwischenzeitlichen Verkaufs der Waren nicht mehr möglich. Der Preisverfall am Antiquitätenmarkt sei aber allgemein bekannt.
Der Prüfer erkannte diese Handhabung unter Berufung auf das Prinzip der Einzelbewertung und das Fehlen von Inventuren nicht an und verwies auf die von der Rechtsprechung entwickelte Teilwertvermutung, welche die insoweit darlegungs- und beweispflichtige Klägerin nicht widerlegt habe. Er behandelte außerdem das Geschäftsführergehalt der X für 1993 in Höhe von 120 000 DM (brutto) mit der Begründung als verdeckte Gewinnausschüttung (vGA), dass ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter die Zahlung angesichts der anhaltend schlechten Wirtschaftslage der Klägerin nicht vorgenommen hätte. Die vGA sei mit der Umbuchung auf das Verrechnungskonto der X im Jahre 1995 abgeflossen. Das FA folgte dem durch Erlass entsprechender Änderungsbescheide. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren legte die Klägerin dagegen Klage vor dem Finanzgericht (FG) ein, welche diese als unbegründet abwies. Die Revision gegen sein Urteil ließ das FG nicht zu.
Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde, mit der sie die Zulassung der Revision gegen das Urteil der Vorinstanz beantragt.
Dem ist das FA entgegengetreten.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist unbegründet und war daher zurückzuweisen. Gründe, die eine Zulassung der Revision rechtfertigen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―), sind, soweit sie überhaupt in zulässiger Weise erhoben worden sind, nicht gegeben.
1. Die von der Klägerin aufgeworfene Frage, ob Pauschalwertberichtigungen auch bei im Wesentlichen gleichartigen Antiquitäten zulässig sind, ist nicht klärungsbedürftig und daher nicht von grundsätzlicher Bedeutung. Sie ist bereits durch die höchstrichterliche Rechtsprechung hinreichend geklärt. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat wiederholt entschieden, dass der Grundsatz der Einzelbewertung im Bereich des Umlaufvermögens nicht ausnahmslos gilt. Er hat etwa für größere Bestände an gleichartigen Forderungen wiederholt entschieden, dass es ―über die im Gesetz getroffenen Ausnahmeregelungen hinaus (vgl. §§ 240 Abs. 3 und 4, 256 des Handelsgesetzbuches ―HGB―)― den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung entspricht, pauschale Wertberichtigungen vorzunehmen (BFH-Urteile vom 1. April 1958 I 60/57 U, BFHE 67, 47, BStBl III 1958, 291; vom 16. Juli 1981 IV R 89/80, BFHE 134, 27, BStBl II 1981, 766). Demgemäß hat er für Warenbestände eines Unternehmens bereits mit Urteil vom 28. September 1962 III 372/59 U (BFHE 75, 664, BStBl III 1962, 510) ausgeführt, dass pauschale Wertberichtigungen bei gleichartigen Waren zulässig sind. Für Antiquitäten, die zum Umlaufvermögen eines Unternehmens gehören, kann nichts anderes gelten. Die Frage, ob die streitbefangenen Antiquitäten als gleichartig i.S. der vorgenannten Rechtsprechung angesehen werden können, ist eine solche des Einzelfalles und damit dem FG übertragen.
2. Das FG ist auch nicht i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO von der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu den sog. Teilwertvermutungen abgewichen. Es ist vielmehr von den im BFH-Urteil vom 24. Februar 1994 IV R 18/92 (BFHE 174, 149, BStBl II 1994, 514) aufgestellten Grundsätzen ausgegangen und hat diese auf den Streitfall angewendet: Danach hängt der Teilwert von zum Absatz bestimmten Waren und sonstigen Vorräten nicht nur von ihren Wiederbeschaffungskosten, sondern auch von ihrem voraussichtlichen Veräußerungserlös ab. Im letzteren Sinne sind die Anschaffungskosten um den Fehlbetrag zu mindern, wenn dieser Preis nicht mehr die Selbstkosten der Waren zuzüglich eines durchschnittlichen Unternehmergewinns deckt (vgl. BFH-Urteil vom 27. Oktober 1983 IV R 143/80, BFHE 139, 282, BStBl II 1984, 35). Allerdings spricht bei Waren und sonstigen Vorräten eine Vermutung dafür, dass ihr Teilwert im Zeitpunkt der Anschaffung den Anschaffungskosten, später den Wiederbeschaffungskosten entspricht (vgl. BFH-Urteil vom 13. Oktober 1976 I R 79/74, BFHE 122, 37, BStBl II 1977, 540, m.w.N.). Begehrt der Steuerpflichtige den Ansatz des niedrigeren Teilwerts, muss er diese Vermutung entkräften, indem er Umstände darlegt und ggf. beweist, die die behauptete Wertminderung belegen (BFH-Urteile vom 24. Juni 1976 IV R 101/75, BFHE 119, 164, BStBl II 1976, 562; vom 28. Oktober 1976 IV R 76/72, BFHE 120, 245, BStBl II 1977, 73; Urteil in BFHE 122, 37, BStBl II 1977, 540). Das FG ist von den vorgenannten Grundsätzen ausgegangen, hat aber die Darlegungen der Klägerin, insbesondere den allgemeinen Hinweis auf den Preisverfall, nicht für ausreichend gehalten, um die vorgenannte Teilwertvermutung zu widerlegen. Selbst wenn dem FG dabei Subsumtionsfehler unterlaufen wären ―wofür nichts ersichtlich ist―, wären diese im vorliegenden Verfahren unbeachtlich (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 115 Rz. 55).
3. Das FG ist auch im Hinblick auf die angenommene vGA nicht von den Vorgaben der höchstrichterlichen Rechtsprechung abgewichen. Vielmehr hat es sich ausdrücklich auf diese Rechtsprechung berufen und sie auf den Streitfall angewendet. Auf dieser Grundlage hat es die Annahme einer im Gesellschaftsverhältnis veranlassten Vermögensminderung vorrangig damit begründet, dass ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter angesichts der nachhaltig schlechten Ertragslage der Klägerin keine Veranlassung gehabt habe, den ursprünglich vereinbarten dauerhaften Gehaltsverzicht für ein Jahr zurückzunehmen. Diese Annahme betrifft ersichtlich die Umstände des Einzelfalls. Sie kann daher eine Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO nicht begründen.
4. Soweit die Klägerin schließlich geltend macht, das FG habe § 76 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 FGO verletzt und dadurch einen Verfahrensfehler begangen, auf dem das FG-Urteil beruhe, ist dem nicht zu folgen. Sie hat das Vorliegen eines entsprechenden Zulassungsgrundes nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO bereits nicht hinreichend dargelegt. In den Fällen, in denen auf die Beachtung verfahrensrechtlicher Vorschriften wirksam verzichtet werden kann (§ 155 FGO i.V.m. § 295 der Zivilprozessordnung ―ZPO―), gehört nämlich nach ständiger Rechtsprechung zur ordnungsmäßigen Rüge eines Verfahrensmangels auch der Vortrag, dass die Verletzung der Verfahrensvorschrift in der Vorinstanz ordnungsgemäßig gerügt wurde, es sei denn, dass sich dies schon aus dem Urteil selbst oder den in Bezug genommenen Unterlagen ergibt (vgl. BFH-Urteil vom 20. April 1989 IV R 299/83, BFHE 157, 106, BStBl II 1989, 727; BFH-Beschlüsse vom 17. November 1997 VIII B 16/97, BFH/NV 1998, 608; vom 10. Februar 2000 VIII B 14/99, BFH/NV 2000, 971; vom 17. März 2000 VII B 1/00, BFH/NV 2000, 1125). Zu den in diesem Sinne verzichtbaren Verfahrensmängeln gehört auch die fehlerhafte Amtsermittlung (vgl. Gräber/Ruban, a.a.O., 5. Aufl., § 115 FGO Rz. 101; Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 115 FGO Tz. 91, m.w.N. zur ständigen Rechtsprechung). Ausweislich der FG-Akten (insbesondere der Protokollniederschrift zur mündlichen Verhandlung) hat die Klägerin eine entsprechende Rüge versäumt.
Fundstellen
Haufe-Index 1061369 |
BFH/NV 2004, 34 |
DB 2005, 4 |