Entscheidungsstichwort (Thema)
Überlassung einer Praxiseinrichtung durch Arzt
Leitsatz (NV)
1. Überlässt ein Zahnarzt seine Praxiseinrichtung einem anderen Zahnarzt zur Mitbenutzung gegen Entgelt, sind die Tatbestandsvoraussetzungen der Befreiungsvorschrift des § 4 Nr. 14 Satz 2 UStG nicht erfüllt.
2. Bei der Prüfung, ob die Besteuerung dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG entspricht, erscheint es nicht sachwidrig, diese Umsätze den Umsätzen eines kommerziellen Vermietungs- oder Leasingunternehmens gleichzustellen.
3. Die Überlassung der Praxiseinrichtung durch einen praktischen Arzt an einen anderen praktischen Arzt ist nicht nach § 4 Nr. 16 Buchst. c UStG steuerfrei.
Normenkette
FGO § 115; UStG 1980 § 4 Nr. 14 S. 2, Nr. 16 Buchst. c; GG Art. 3 Abs. 1
Verfahrensgang
Niedersächsisches FG (Urteil vom 27.06.2002; Aktenzeichen 5 K 101/99) |
Tatbestand
I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist Zahnarzt und führte bis Ende 1988 eine Einzelpraxis in gemieteten Räumen. Ab dem 1. Januar 1989 mietete er die Räume zusammen mit dem Zahnarzt B. Mit diesem hatte er vereinbart, die Praxisräume und Praxiseinrichtungen zur Ausübung der zahnärztlichen Tätigkeit gemeinsam in Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) zu nutzen und die Betriebskosten zu teilen. Jeder Gesellschafter sollte seinen Beruf im eigenen Namen ausüben, für sein ärztliches Handeln allein verantwortlich sein und getrennt abrechnen. B verpflichtete sich, als Entgelt für die Nutzung der bisherigen Praxiseinrichtung des Klägers sowie der sonstigen vorhandenen materiellen und immateriellen Werte für einen Zeitraum von fünf Jahren eine sogenannte Nutzungsentschädigung von 65 000 DM jährlich an den Kläger zu zahlen. Die bisherige Praxiseinrichtung des Klägers sollte "insoweit dessen Sonderbetriebsvermögen" bleiben.
B zahlte auch im Streitjahr 1989 die Nutzungsentschädigung von 65 000 DM.
Im Anschluss an eine Außenprüfung behandelte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) die Nutzungsentschädigung als Entgelt für eine steuerpflichtige Leistung und änderte die Veranlagung des Klägers zur Umsatzsteuer für 1989 entsprechend.
Einspruch und Klage gegen den Bescheid hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) verneinte eine Steuerbefreiung der Leistungen des Klägers nach § 4 Nr. 14, Nr. 16 oder Nr. 28 des Umsatzsteuergesetzes 1980 (UStG 1980). Unter anderem meinte es, die Norm des § 4 Nr. 16 Buchst. c UStG 1980 sei schon deshalb nicht einschlägig, weil sie die Leistungen privater Unternehmer nur begünstige, wenn im vorangegangenen Kalenderjahr mindestens 40 v.H. der Leistungen Sozialversicherten, Sozialhilfeempfängern oder Versorgungsberechtigten der Kriegsopferversorgung/
-fürsorge zugute gekommen seien; hierfür biete der Sachverhalt aber keine Anhaltspunkte. Außerdem habe der Kläger durch die Überlassung der bisherigen Praxiseinrichtung und weiterer Vermögenswerte seiner Praxis keinen mit einer Einrichtung ärztlicher Heilbehandlung, Diagnostik oder Befunderhebung eng verbundenen Umsatz erbracht. Dies hat das FG näher ausgeführt. Die Revision gegen sein Urteil hat es nicht zugelassen.
Hiergegen wendet sich der Kläger mit der vorliegenden Beschwerde, mit der er grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und einen Verfahrensmangel geltend macht. Zur grundsätzlichen Bedeutung wirft der Kläger "abstrakte Rechtsfragen" zu § 4 Nr. 14 Satz 2 UStG 1980 und § 4 Nr. 16 Buchst. c UStG 1980 auf, die er für klärungsbedürftig hält. Mit der Verfahrensrüge bezieht sich der Kläger auf die Ausführungen des FG, der Sachverhalt biete keine Anhaltspunkte dafür, dass die Leistungen des Klägers im Jahre 1988 mindestens 40 v.H. Sozialversicherten, Sozialhilfeempfängern oder Versorgungsberechtigten der Kriegsopferversorgung/-fürsorge zugute gekommen seien. Er führt im Einzelnen aus, dass diese Aussage nicht zutreffe und im Widerspruch zur Klagebegründung vom 21. Mai 1999 und zum ergänzenden Schriftsatz vom 5. September 2001 stehe.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
Nach § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Revision zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO). Die Nichtzulassung kann durch Beschwerde angefochten werden (§ 116 Abs. 1 FGO). Die Beschwerde ist zu begründen; in der Begründung müssen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO dargelegt werden (§ 116 Abs. 3 FGO).
1. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der vom Kläger aufgeworfenen Rechtsfragen gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen.
Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das (abstrakte) Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Die Rechtsfrage muss klärungsbedürftig und in dem angestrebten Revisionsverfahren klärbar sein (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 17. Dezember 2002 V B 179/01, BFH/NV 2003, 520, m.w.N.; vom 24. Februar 2003 V B 84/01, BFH/NV 2003, 949).
a) Der Kläger hält die Frage für klärungsbedürftig, ob der Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) eine über den Wortlaut des § 4 Nr. 14 Satz 2 UStG 1980 hinausgehende Auslegung dahin gebietet, "daß auch Gesellschafter untereinander begünstigte Leistungen im Sinne dieser Vorschrift erbringen können". Nach § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG 1980 sind u.a. die Umsätze aus der Tätigkeit als Zahnarzt steuerfrei. Satz 2 dieser Vorschrift lautet: "Steuerfrei sind auch die sonstigen Leistungen von Gemeinschaften, deren Mitglieder Angehörige der in Satz 1 bezeichneten Berufe sind, gegenüber ihren Mitgliedern, soweit diese Leistungen unmittelbar zur Ausführung der nach Satz 1 steuerfreien Umsätze verwendet werden." Die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Vorschrift sind unstreitig nicht erfüllt, da lediglich der Kläger und nicht die vom Kläger und B gebildete Gemeinschaft Letzterem die Praxiseinrichtung überlassen hat. Aus der Beschwerdeschrift ergibt sich auch nicht schlüssig, dass der Gleichheitssatz es gebietet, diese Vorschrift analog auf die Umsätze des Klägers anzuwenden. Es erscheint nämlich nicht sachwidrig, die Umsätze des Klägers mit dem FG den Umsätzen "eines kommerziellen Vermietungs- oder Leasingunternehmens" gleichzustellen. Die Rechtsform des Klägers ist in diesem Zusammenhang ohne Belang.
b) Sodann wirft der Kläger die Rechtsfrage auf, ob "die sonstige Leistung eines Arztes, die darin besteht, einem Berufskollegen seine Praxiseinrichtung zur Mitbenutzung gegen Entgelt zu überlassen, der Umsatzbesteuerung nach § 4 Nr. 16 Buchst. c zu unterwerfen" ist. Insoweit ist bereits durch den BFH geklärt, dass ein praktischer Arzt keine Einrichtung ärztlicher Heilbehandlung i.S. des § 4 Nr. 16 UStG 1980 ist, sondern gemäß § 4 Nr. 14 UStG 1980 Umsätze als Arzt tätigt (vgl. BFH-Urteil vom 18. März 2004 V R 53/00, BFH/NV 2004, 1051, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 2004, 778). Daraus folgt, dass die Überlassung der Praxiseinrichtung durch einen praktischen Arzt an einen anderen praktischen Arzt nicht nach § 4 Nr. 16 Buchst. c UStG 1980 steuerfrei ist. Einer weiteren Klärung durch den BFH bedarf es nicht. Wie der BFH in dem Urteil in BFH/NV 2004, 1051, HFR 2004, 778 ausgeführt hat, verstößt es auch nicht gegen den Gleichheitssatz, dass beide Vorschriften unterschiedliche Voraussetzungen für die Steuerfreiheit der Heilbehandlung enthalten.
2. Die Revision ist auch nicht wegen des vom Kläger gerügten Verfahrensmangels gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO zuzulassen.
Der Senat kann offen lassen, ob der vom Kläger gerügte Verfahrensmangel vorliegt.
Die Entscheidung des FG kann jedenfalls auf dem geltend gemachten Verfahrensfehler nicht beruhen. Das FG hat die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 16 Buchst. c UStG 1980 mit der alternativen Begründung verneint, der Sachverhalt biete keine Anhaltspunkte dafür, dass die Leistungen des Klägers im Jahre 1988 mindestens 40 v.H. Sozialversicherten, Sozialhilfeempfängern oder Versorgungsberechtigten der Kriegsopferversorgung/-fürsorge zugute gekommen seien; außerdem habe der Kläger durch die Überlassung der bisherigen Praxiseinrichtung und weiterer Vermögenswerte seiner Praxis keinen mit einer Einrichtung ärztlicher Heilbehandlung, Diagnostik oder Befunderhebung eng verbundenen Umsatz erbracht. Der vom Kläger gerügte Verfahrensmangel betrifft nach der Begründung des finanzgerichtlichen Urteils nur die erste der beiden alternativen Begründungen. Da im Hinblick auf die zweite alternative Entscheidungsbegründung ein Verfahrensfehler nicht gerügt wird und diese weitere Begründung den materiellen Inhalt des Urteils aus der für das Beschwerdeverfahren maßgeblichen Sicht des FG ebenfalls trägt, kann der Senat nicht erkennen, dass das FG ohne Verfahrensfehler anders entschieden hätte (vgl. BFH-Beschluss vom 2. Juli 1992 V B 41/92, BFH/NV 1993, 37). Der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision muss daher auch insoweit der Erfolg versagt bleiben.
3. Von einer weiteren Begründung seiner Entscheidung sieht der Senat gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO ab.
Fundstellen