Entscheidungsstichwort (Thema)
Verdeckte Gewinnausschüttung; Gesellschafter-Geschäftsführergehalt
Leitsatz (NV)
1. Die Frage, welches Gehalt für einen Gesellschafter-Geschäftsführer im Einzelfall angemessen ist, ist eine die Revisionszulassung nicht rechtfertigende Tatfrage.
2. Zu den Voraussetzungen einer ordnungsgemäßen Rüge mangelnder Sachaufklärung.
3. Eine materiell unrichtige Schätzung ist kein Verfahrensfehler.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2, § 76 Abs. 1, § 96 Abs. 1; KStG § 8 Abs. 3 S. 2
Gründe
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist zum Teil unzulässig und zum Teil unbegründet, so daß sie insgesamt als unbegründet zurückzuweisen ist.
1. Die von der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) als grundsätzlich bedeutsam aufgeworfene Frage, ob im Rahmen der Schätzung eines angemessenen Geschäftsführer-Gehalts ein prozentualer Abschlag von dem im Fremdvergleich ermittelten Durchschnittsgehalt vorgenommen werden darf, wenn einzelne Umstände gegen die Angemessenheit sprechen, ist eine Tat-, keine Rechtsfrage i. S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
Die grundsätzliche Bedeutsamkeit einer Rechtssache muß sich auf eine Rechtsfrage beziehen, denn im Revisionsverfahren können grundsätzlich keine Tatfragen geklärt werden (vgl. § 118 Abs. 1 FGO; vgl. z. B. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 115 Rdnr. 8 m. w. N.). Die für die Annahme einer verdeckten Gewinnausschüttung bedeutsame Frage, welches Gehalt eine Kapitalgesellschaft einem gesellschaftsfremden Geschäftsführer noch gewährt haben würde, ist eine vom Finanzgericht (FG) im Einzelfall zu klärende Tatfrage. Insbesondere gehört auch die in diesem Zusammenhang ggf. notwendige Schätzung der angemessenen Vergütung zu den Tatsachenfeststellungen. Diese erfassen auch die Schätzmethode (ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs -- BFH --; vgl. z. B. Nachweise bei Gräber/Ruban, a.a.O., § 118 Rdnr. 24). Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang prozentuale Abschläge u. ä. für unzutreffend hält, macht sie -- auch soweit sie einen Verstoß gegen anerkannte Schätzgrundsätze, Denkgesetze und Erfahrungssätze behauptet -- einen materiellen Rechtsfehler (vgl. z. B. Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rdnr. 29 m. w. N.; Tipke/Kruse, Abgabenordnung -- Finanzgerichtsordnung, § 115 FGO Tz. 67 m. w. N.) geltend, der, wie der abschließenden Aufzählung der Zulassungsgründe in § 115 Abs. 2 FGO zu entnehmen ist, nicht zur Revisionszulassung führen kann.
2. Auch die Ausführungen der Klägerin zur behaupteten Verletzung des § 76 Abs. 1 Satz 1, § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO i. V. m. § 162 der Abgabenordnung -- AO 1977 -- (z. B. keine Ermittlung der den Durchschnittswerten zugrundeliegenden Gehaltsreihen; Abschlag nicht vom Durchschnittswert, sondern vom höchsten Wert; Abschlag wegen Ertragsschwäche bei anderen Unternehmen; Außerachtlassen weiterer bedeutsamer Schätzungskriterien; mehr fache Berücksichtigung der Ertragsschwäche) betreffen vorrangig die Schlüssigkeit, die materielle Richtigkeit der Entscheidung und die ebenfalls materiell-rechtliche Frage, ob die Entscheidung des FG durch ausreichende Feststellungen gestützt wird (vgl. Tipke/Kruse, a.a.O., § 115 FGO Tz. 67 m. w. N.; Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rdnr. 27 m. w. N.). Hiervon abgesehen sind die Verfahrensrügen zum Teil nicht in zulässiger Form erhoben, zum Teil unbegründet.
a) Eine formgerechte Rüge mangelnder Sachaufklärung setzt nach § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO voraus, daß dargelegt wird, welche Tatfrage aufklärungsbedürftig ist, welche Beweismittel das FG zu welchem Beweisthema nicht erhoben hat, warum der Beschwerdeführer, insbesondere dann, wenn er durch einen Prozeßbevollmächtigten vertreten war, nicht von sich aus einen entsprechenden Beweisantrag gestellt hat, warum die Beweiserhebung sich dem FG ggf. auch ohne besonderen Antrag hätte aufdrängen müssen und inwieweit die als unterlassen gerügte Beweisaufnahme zu einer anderen Entscheidung des FG hätte führen können (vgl. z. B. BFH-Beschluß vom 2. März 1994 I B 219/93, BFH/NV 1994, 878). Die Klägerin hat in der Nichtzulassungsbeschwerde hingegen nicht dargetan, daß sie die Einholung eines Sachverständigengutachtens und die Heranziehung der den Veröffentlichungen zugrundeliegenden Untersuchungen beim FG beantragt habe. Da es sich insoweit auch um einen verzichtbaren Mangel handeln würde, hätte die Klägerin gemäß § 155 FGO i. V. m. § 295 Abs. 1 der Zivilprozeßordnung (ZPO) auch darlegen müssen, daß sie nicht durch rügelose Einlassung in der mündlichen Verhandlung auf die Erhebung von Beweisen verzichtet habe bzw. aus welchen Gründen ihr eine solche Rüge unmöglich gewesen sein sollte (vgl. z. B. Gräber/Ruban, a.a.O., § 120 Rdnr. 40 m. w. N.; BFH- Beschluß vom 16. Juni 1993 I B 20/93, BFH/NV 1994, 605). Ein Grundsatz, wonach das FG bei Gehaltsschätzungen stets von Amts wegen ein Sachverständigengutachten einzuholen habe und sich daher die Einholung eines solchen hätte aufdrängen müssen, besteht nicht. Die Klägerin hat ferner auch nicht dargetan, warum sich dem FG, das seiner Schätzung u. a. auch die sog. Kienbaum-Studien zugrunde gelegt hat, die Ermittlung der dem Geschäftsführer-Gehaltsreport 1991/1992 von Grätz zugrundeliegenden Gehaltsreihen hätte aufdrängen müssen. Derartiger Ausführungen hätte es im Streitfall insbesondere deswegen bedurft, weil sich den sog. Kienbaum-Studien die Gehaltsspannen entnehmen lassen (vgl. GmbH-Rundschau 1980, 25; 1982, 64; 1983, 35; 1984, 35; 1985, 253; 1986, 255).
Die Rüge der Klägerin, daß der Senat bisher die Beschäftigung von zwei bis vier Geschäftsführern als solches unbeanstandet gelassen und die Miterledigung von nicht geschäftsführertypischen Aufgaben nicht als Grund für eine Reduzierung der Gesamtbezüge angesehen hat, steht in keinem Zusammenhang mit den behaupteten Verfahrensmängeln. Sie richtet sich wiederum gegen die materielle Richtigkeit der Schätzung.
b) Ein unzutreffendes Schätzergebnis, sollte es vorliegen, ist kein Verfahrensfehler i. S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO. Verfahrensmängel sind Verstöße des FG gegen Vorschriften des Gerichtsverfahrensrechts (vgl. Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rdnr. 25; Tipke/Kruse, a.a.O., § 115 FGO Tz. 65). § 162 AO 1977 ist keine Vorschrift des Verfahrensrechts. Dies wird er auch nicht dadurch, daß § 96 Abs. 1 Satz 2 FGO dem FG durch die Verweisung auf § 162 AO 1977 eine eigene Schätzbefugnis eröffnet.
Allerdings kann der Nichtberücksichtigung von Umständen, die richtigerweise in eine Schätzung einfließen müßten, eine Verletzung von Verfahrensvorschriften i. S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO zugrunde liegen, wenn das FG seiner Sachaufklärungspflicht gemäß § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO nicht nachkommt oder Teile des Gesamtergebnisses des Verfahrens (§ 96 Abs. 1 Satz 1 1. Halbsatz FGO) unberücksichtigt läßt.
Die von der Klägerin in diesem Zusammenhang erhobene Rüge, § 96 Abs. 1 FGO sei verletzt, ist im Streitfall nicht in zulässiger Form erhoben. Dies setzt gemäß § 115 Abs. 3 Satz 3 i. V. m. § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO u. a. die Darlegung voraus, daß das Urteil auf dem gerügten Verfahrensmangel beruht. Die Klägerin hat im Zusammenhang mit dem gerügten Verstoß gegen § 96 Abs. 1 FGO zwar beanstandet, daß das FG die Ertragsschwankungen, die Ursachen hierfür und die behauptete Leistung von Überstunden nicht berücksichtigt habe. Inwieweit insbesondere die Ertragsschwankungen und die Gründe hierfür ein höheres, als das vom Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt -- FA --) angemessene Gehalt gerechtfertigt hätten, ist jedoch nicht dargetan. Lediglich aus der Behauptung, das FG habe die Ableistung von Überstunden nicht berücksichtigt, läßt sich, da Mehrleistungen per se ein Kriterium für höhere Gehaltszahlungen sein können, ein entsprechender schlüssiger Vortrag zugunsten eines höheren Gehalts entnehmen. Die so verstandene Verfahrensrüge ist aber unbegründet, da das FG die Tatsache der Ableistung von Überstunden berücksichtigt hat (s. S. 16 des Urteils). Die Frage, ob die geleisteten Überstunden im Streitfall ein höheres Gehalt gerechtfertigt hätten, ist keine Frage der Einhaltung von Verfahrensvorschriften mehr. Im übrigen wird darauf hingewiesen, daß das FG die Ertragssituation und die Ertragsschwankungen tatsächlich berücksichtigt hat (vgl. S. 4, 17 des Urteils). Wenn es auch darin letztlich keinen Umstand sah, das im Streitfall als angemessen anzusehende Gehalt höher anzusetzen als das FA, betrifft dies wiederum die Frage der materiellen Rechtmäßigkeit der Schätzung, nicht aber einen Verfahrensverstoß (vgl. z. B. BFH-Beschluß vom 16. November 1993 I B 115/93, BFH/NV 1994, 551).
3. Die Divergenzrüge ist nicht in zulässiger Form erhoben.
Eine formgerechte Divergenzrüge gemäß § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO setzt die Darlegung voraus, daß das FG einen (abstrakten) Rechtssatz aufgestellt habe, der von einem (abstrakten) Rechtssatz einer Entscheidung des BFH abweiche (ständige Rechtsprechung; vgl. z. B. BFH-Beschluß vom 11. August 1993 II B 37/93, BFH/NV 1994, 251; Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rdnr. 63 m. w. N.). Zwar hat die Klägerin dargelegt, sämtliche nach den Denkgesetzen und Erfahrungssätzen für die Schätzung wesentlichen Tatsachen hätten in die Würdigung miteinbezogen werden müssen (vgl. z. B. BFH-Urteile vom 28. Juni 1989 I R 40/84, BFH/NV 1990, 130; vom 28. Juni 1989 I R 89/85, BFHE 157, 408, BStBl II 1989, 854). Sie hat aber nicht schlüssig dargetan, daß das FG einen hiervon abweichenden abstrakten Rechtssatz aufgestellt hat. Läßt das FG bei seiner Schätzung einen ggf. wesentlichen Umstand außer Betracht, so verkennt es zwar die genannten von der Rechtsprechung aufgezeigten Grundsätze, was ggf. die Entscheidung unrichtig erscheinen läßt. Eine Divergenz i. S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO liegt darin jedoch nicht (vgl. z. B. BFH-Beschluß vom 2. März 1994 I B 219/93, BFH/NV 1994, 878).
Im übrigen ergeht der Beschluß gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs vom 8. Juli 1975 (BGBl I 1975, 1861, BStBl I 1975, 932) i. d. F. des Gesetzes vom 20. Dezember 1993 (BGBl I 1993, 2236, BStBl I 1994, 100) ohne Begründung.
Fundstellen
Haufe-Index 421047 |
BFH/NV 1996, 339 |