Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an die Darlegung grundsätzlicher Bedeutung und die Bezeichnung einer Divergenz
Leitsatz (NV)
1. Mit dem Vorbringen, die Kläger seien über die Bedeutung der in dem Einkommensteuer-Erklärungsformular verwandten Begriffe "Unterhalt für bedürftige Personen" im Irrtum gewesen, ist eine Abweichung von dem BFH-Urteil vom 21. Juli 1989 III R 303/84 (BFHE 157, 488, BStBl II 1989, 960) nicht bezeichnet.
2. Die Nichtberücksichtigung des Akteninhalts kann als ein Verstoß gegen § 96 Abs. 1 FGO die Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO rechtfertigen.
Normenkette
FGO § 96 Abs. 1, § 115 Abs. 2 Nrn. 1-2
Tatbestand
Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) gaben für das Streitjahr eine gemeinsame Einkommensteuererklärung ab, bei deren Anfertigung ihr Prozeßbevollmächtigter mitwirkte. Als außergewöhnliche Belastungen machten sie darin nur einen Ausbildungsfreibetrag geltend. Sie wurden erklärungsgemäß veranlagt. Der Bescheid ist seit Juli 1991 bestandskräftig.
Im Januar 1992 beantragten die Kläger, Unterhaltsleistungen für die Mutter der Klägerin, die nur eine geringe Rente bezogen habe, in Höhe von ... DM gemäß § 33 a Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu berücksichtigen. Sie hätten die Geltendmachung dieser Zuwendungen in der Einkommensteuererklärung rechtsirrtümlich unterlassen.
Antrag und Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) hat ausgeführt, einer Änderung des Einkommensteuerbescheides nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) stehe entgegen, daß die Kläger grobes Verschulden daran treffe, daß der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt -- FA --) erst nachträglich von den Unterhaltszahlungen Kenntnis erlangt habe. Die Kläger seien ohne weiteres in der Lage gewesen, zu erfassen, ob der Begriff "bedürftige Person" im Einkommensteuer-Erklärungsformular auch auf die Mutter der Klägerin zutreffe. Die Anleitung zur Einkommensteuererklärung enthalte zu dieser Formularzeile weitere Erläuterungen, aus denen sich das zweifelsfrei ergebe. Mangelnde steuerrechtliche Kenntnisse seien für das Versäumnis der Kläger nicht ausschlaggebend.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des FG erhoben die Kläger Beschwerde, mit der sie Divergenz und einen Verfahrensmangel geltend machen. Das Urteil des FG weiche von dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 21. Juli 1989 III R 303/84 (BFHE 157, 488, BStBl II 1989, 960) ab. In diesem Urteil habe der BFH grobes Verschulden des Steuerpflichtigen wegen Irrtums über den Umfang des steuerrechtlichen Begriffs Kinderbetreuungskosten verneint. Vorliegend hätten die Kläger über den Umfang der Unterhaltsleistungen an bedürftige Personen geirrt. Das FG habe daher der Klage stattgeben müssen, wenn es die Rechtsauffassung des BFH zugrunde gelegt hätte.
Einen Verfahrensmangel stelle dar, daß das Urteil des FG gegen den klaren Inhalt der Akten verstoße. Denn es gehe davon aus, daß die Kläger Merkblätter erhalten hätten. Es sei jedoch vorgetragen worden und unstreitig, daß sie die Anleitung zur Einkommensteuererklärung nicht erhalten hätten.
Die Kläger beantragen, die Revision zuzulassen.
Das FA beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist unzulässig. Ein Grund, der nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 oder 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Zulassung der Revision führen könnte, ist in der Beschwerdeschrift nicht den Anforderungen des § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO entsprechend dargelegt.
Zur Bezeichnung einer Abweichung des angefochtenen Urteils von einem Urteil des BFH (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) gehört, daß der Rechtssatz des angefochtenen Urteils angegeben wird, der zu einem ebenfalls genau zu bezeichnenden Rechtssatz aus der Rechtsprechung des BFH in Widerspruch steht. In der Beschwerdeschrift ist ein solcher, vom FG aufgestellter Rechtssatz nicht angegeben. Selbst wenn sich entgegen dem Wortlaut aus dem Vorbringen der Beschwerde, die Kläger hätten über den Umfang der Unterhaltsleistungen an bedürftige Personen geirrt, ein Vortrag der Kläger entnehmen ließe, über die Bedeutung der in dem Erklärungsformular verwandten Begriffe "Unterhalt für bedürftige Personen" im Irrtum gewesen zu sein, ergäbe sich daraus nicht schlüssig eine Abweichung des angefochtenen Urteils von dem BFH-Urteil in BFHE 157, 488, BStBl II 1989, 960. Denn die Kläger setzen lediglich ihre Bewertung des ihnen bei Abgabe der Steuererklärung unterlaufenen Irrtums an die Stelle der tatsächlichen Feststellungen des FG, das u. a. ausgeführt hat, die Kläger hätten die Geltendmachung der Unterhaltsleistungen vergessen. Aber auch sofern die Kläger geltend machen wollen, das FG sei zu Unrecht davon ausgegangen, daß sie die Abzugsfähigkeit ihrer Unterhaltsleistungen als außergewöhnliche Belastungen hätten erkennen und sich dementsprechend erklären können, ergeben sich aus dem Vorbringen der Beschwerde allenfalls Einwände gegen die Richtigkeit des angefochtenen Urteils, mit denen die Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO nicht erstritten werden kann.
Auch der angebliche Verfahrensmangel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) ist nicht schlüssig bezeichnet. Zwar kann die Nichtberücksichtigung des Akteninhalts als ein Verstoß gegen § 96 Abs. 1 FGO die Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO rechtfertigen (vgl. BFH-Urteil vom 6. Dezember 1978 I R 131/75, BFHE 126, 379, BStBl II 1979, 310). Es ist indes nicht schlüssig dargelegt, daß dem FG ein solcher Verstoß zur Last fällt. Zwar hat das FG in seinem Urteil auf den zuvor gegen die Kläger ergangenen Gerichtsbescheid und damit auf die dort enthaltene Erwägung Bezug genommen, die Kläger hätten aus den Erläuterungen zu dem Erklärungsformular zweifelsfrei entnehmen können, daß ihre Aufwendungen Unterhalt für bedürftige Personen im Sinne des Erklärungsvordrucks darstellen können. Die Beschwerde setzt sich jedoch nicht damit auseinander, daß diese Überlegung des FG ihre Berechtigung unbeschadet der mit dem Antrag auf mündliche Verhandlung vorgetragenen, im Tatbestand des Urteils wiedergegebenen Behauptung behält, die Kläger hätten die Erläuterungen nicht erhalten; denn das hinderte sie nicht daran, sich diese -- z. B. bei ihrem steuerlichen Berater -- zu beschaffen und auf diese Weise die Abzugsfähigkeit ihrer Aufwendungen zu überprüfen, wie es der Gerichtsbescheid des FG von ihnen verlangt. Die Beschwerde legt ferner auch nicht dar, inwiefern das angefochtene Urteil auf dem angeblichen Verfahrensmangel beruhen kann, inwiefern also das FG zu einer anderen Entscheidung hätte kommen können, wenn es das (vermeintlich) nicht berücksichtigte Vorbringen der Kläger berücksichtigt hätte. Dazu vorzutragen bestand jedoch um so mehr Anlaß, als das Urteil des FG davon ausgeht, daß die Kläger in der Lage gewesen seien, den Sinn der Frage nach dem Unterhalt für bedürftige Personen zu erfassen, und daß nicht mangelnde steuerrechtliche Kenntnisse für das Versäumnis der Kläger ausschlaggebend gewesen seien, sondern diese die Geltendmachung der Unterhaltsleistungen vergessen hätten.
Fundstellen
Haufe-Index 421250 |
BFH/NV 1996, 560 |