Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Zurechnung eines Verlustes aus der Zeit vor Eingehen der Gesellschaft auf den stillen Gesellschafter
Leitsatz (NV)
1. Eine Verlustzurechnung kann nur auf denjenigen erfolgen, der den Tatbestand der Einkünfteerzielung verwirklicht hat, deshalb nicht auf den stillen Gesellschafter, soweit der Inhaber des Handelsgewerbes einen Verlust bereits vor Eingehen der Gesellschaft erwirtschaftet hat.
2. Die Feststellung einer Verlustzurechnung im Jahresabschluss des gewerbetreibenden Gesellschafters (hier: GmbH) und die Abbuchung vom Einlagekonto des Stillen können ungeachtet des Zu- und Abflussprinzips nicht die Zurechnung eines materiell-rechtlich nicht in seiner Person entstandenen Verlustes auf den Stillen bewirken.
3. Zur Frage, ob bei grundsätzlicher Bedeutung einer Rechtssache oder auch schon bei einer "gewissen Breitenwirkung" trotz geringen Streitwerts das Absehen von einer mündlichen Verhandlung jedenfalls ermessensfehlerhaft ist.
Normenkette
EStG § 11 Abs. 2, § 20 Abs. 1 Nr. 4; FGO §§ 94a, 115 Abs. 2 Nr. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH mit abweichendem Wirtschaftsjahr, das zum 30. Juni endet. Mit dieser GmbH ist er durch Vertrag vom 18. April 2002 eine typisch stille Gesellschaft eingegangen. In einer Gesellschafterversammlung vom Oktober 2002 stellte die im November 2001 gegründete GmbH für ihr erstes Wirtschaftsjahr einen Verlust fest, den sie in Höhe von 25 000 € dem Kläger zurechnete. Dieser sollte nach § 2 des Vertrags über die stille Gesellschaft jährlich mit 50 % am Gewinn und Verlust der GmbH teilnehmen, wiederum begrenzt auf 50 % seiner Einlage (von 50 000 €).
Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) kürzte den erklärten Verlustanteil des Klägers im Rahmen der Einkommensteuerfestsetzung um 1 047,75 € aufgrund einer Zeitanteilsberechnung nach Maßgabe der Dauer des Bestehens der stillen Gesellschaft anhand der Summen- und Saldenliste.
Entscheidungsgründe
II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet.
1. Der Streitfall ist nicht von grundsätzlicher Bedeutung i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO. Die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache verlangt Ausführungen zur Klärung einer hinreichend bestimmten Rechtsfrage, die im konkreten Fall auch klärbar ist und deren Beurteilung von der Klärung einer zweifelhaften oder umstrittenen Rechtslage abhängt.
Die vom Kläger auf Seite 2 der Beschwerdebegründung ausformulierte Rechtsfrage bleibt unklar. Im Hinblick auf sein weiteres Vorbringen ist sie jedoch offenbar in dem Sinne zu verstehen, dass er geklärt wissen möchte, ob der im Zusammenhang mit dem Jahresabschluss einer GmbH festgestellte (und vom Einlagekonto abgebuchte) Verlustanteil eines stillen Gesellschafters wegen § 11 des Einkommensteuergesetzes (EStG) jedenfalls als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen (§ 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG) zu berücksichtigen ist, oder ob dem die Gründung der stillen Gesellschaft erst während des Wirtschaftsjahres der GmbH teilweise entgegensteht. Diese Frage ist jedoch nicht klärungsbedürftig. Zu Recht hat das Finanzgericht (FG) im angefochtenen Urteil darauf abgehoben, dass dem Kläger der Verlust der GmbH nur insoweit anteilig zugerechnet werden kann, als er selbst den Tatbestand der Einkünfteerzielung verwirklicht hat. Dieser Grundsatz beherrscht das Einkommensteuerrecht und gilt deshalb auch bei den Einkünften aus Kapitalvermögen (s. etwa Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 29. März 2001 IV R 71/99, BFH/NV 2001, 1251; vom 14. Dezember 1999 VIII R 49/98, BFHE 190, 428, BStBl II 2000, 341; vom 8. Juli 1998 I R 112/97, BFHE 186, 496, BStBl II 1999, 123). Daraus folgt, dass ein auf die Zeit vor dem Bestehen der stillen Gesellschaft bei der GmbH entstandener Verlust nicht vom Kläger verwirklicht worden ist und somit nicht zu den Besteuerungsgrundlagen für die Einkommensteuer des Streitjahres gehört.
Hieran ändert die Beschlussfassung der GmbH nichts, da der Steueranspruch des Fiskus nicht zur Disposition der Steuerpflichtigen steht. Mit zivilrechtlichen Willenserklärungen kann nicht über bereits verwirklichte Einkünftetatbestände verfügt werden.
Gänzlich unbeachtlich ist der von den Klägern betonte Umstand, dass in anderen Verfahren wegen anderer Rechtsfragen rund um die stille Gesellschaft verschiedentlich die Revision zugelassen wurde (so etwa VIII R 3/05 zur Abgrenzung Genussrechtsverhältnis/stille Gesellschaft).
2. Eine Divergenz zu der von den Klägern angeführten Rechtsprechung besteht nicht. Entgegen ihrer Auffassung stellen die von ihnen zitierten Urteile keinen Rechtssatz auf, dass bei stillen Gesellschaften ausschließlich das Abflussprinzip des § 11 EStG maßgeblich für den Werbungskostenabzug ist und --so sinngemäß-- die Feststellung des Jahresabschlusses, die Berechnung des Verlustanteils und die Abbuchung vom Einlagekonto des Stillen in ihrem Zusammenwirken den Werbungskostenabzug in Höhe des festgestellten Verlustanteils zur Folge hat. Vielmehr befasst sich die angeführte Rechtsprechung bei verständiger Würdigung mit der Frage, wann die Tatbestandsvoraussetzungen des § 11 EStG für einen Ausgabenabzug erfüllt sind (s. etwa BFH-Beschluss vom 23. Februar 2007 VIII B 105/06, BFH/NV 2007, 1118; BFH-Urteile 16. Oktober 2007 VIII R 21/06, BStBl II 2008, 126; vom 29. Mai 2001 VIII R 25/00, BFH/NV 2001, 1395; vom 10. November 1987 VIII R 53/84, BFHE 151, 434, BStBl II 1988, 186). Dem vorgelagert sind die in § 11 EStG nicht geregelten Fragen, ob es sich bei den konkreten Ausgaben um Werbungskosten handelt und wem diese ggf. zuzurechnen sind. Das angefochtene Urteil setzt sich mit der Frage der Verlustzurechnung auseinander, ohne hinsichtlich des streitbefangenen Verlustbetrags Aussagen zu § 11 EStG zu treffen.
3. Auch die Verfahrensrüge greift nicht durch. Es kann dahingestellt bleiben, ob bei grundsätzlicher Bedeutung einer Rechtssache eine Entscheidung im Verfahren nach § 94a FGO ohne mündliche Verhandlung jedenfalls ermessensfehlerhaft wäre (so Stöcker in Beermann/Gosch, FGO, § 94a Rz 7; Schallmoser in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 94a FGO Rz 19; vgl. auch Tipke in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 94a FGO Rz 3), da die Streitsache keine grundsätzliche Bedeutung hat. Andernfalls hätte der Nichtzulassungsbeschwerde schon aus dem Grund des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO entsprochen werden müssen.
Nach einer von der Rechtsprechung bisher nicht bestätigten Einzelstimme in der Literatur hätte auch eine --von den Klägern behauptete-- "gewisse Breitenwirkung" des Streitfalls eine Ermessensreduzierung zur Folge, die trotz des geringen Streitwerts (§ 94a FGO) eine mündliche Verhandlung gebieten würde (Stöcker in Beermann/Gosch, a.a.O., § 94a Rz 7). Gegen diese Auffassung spricht u.a., dass erhebliche prozessuale Folgen (§§ 115 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. 119 Nr. 4 FGO) an ein höchst unbestimmtes, ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal geknüpft würden. Dem muss im Streitfall nicht weiter nachgegangen werden, da der Streitsache eine Breitenwirkung nicht zukommt.
Fundstellen
Haufe-Index 1987181 |
BFH/NV 2008, 1148 |