Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerberater - prüfungsfreie Bestellung
Leitsatz (NV)
1. Ein Studium der Betriebswirtschaft, das die Fächer betriebswirtschaftliche Steuerlehre und Steuerrecht als Prüfungsfächer beinhaltet, berechtigt nicht zur Befreiung von der Steuerberaterprüfung.
2. Zur verfassungsrechtlichen Überprüfung der Vorschriften über die Bestellung als Steuerberater.
3. Die bloße Verzögerung des Überwechselns in den angestrebten Beruf des Steuerberaters, die mit dem Abwarten des Ergebnisses des Hauptprozesses oder mit dem Ablegen der Steuerberaterprüfung verbunden ist, stellt keine Existenzgefährdung und damit keinen Grund für den Erlaß einer Regelungsanordnung dar.
Normenkette
StBerG § 3 Nr. 2, §§ 4, 35 Abs. 1, § 38; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1; FGO § 114
Verfahrensgang
FG Köln (Beschluss vom 09.01.1989; Aktenzeichen 8 V 824/88) |
Nachgehend
Tatbestand
Der Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) studierte an der Universität Betriebswirtschaft. Er schloß das Studium, das die Fächer betriebswirtschaftliche Steuerlehre und Steuerrecht (Wahlfach) als Prüfungsfächer beinhaltete, als Dipl.-Kfm. ab. Seit Mitte 1985 ist er bei einem Steuerberater hauptberuflich tätig. Der Antragsteller beantragte beim Antragsgegner und Beschwerdegegner (Landesfinanzminister), ohne Ablegung einer Prüfung als Steuerberater bestellt zu werden.
Gegen den abschlägigen Bescheid hat der Antragsteller Verpflichtungsklage erhoben. Mit dieser macht er geltend, § 35 Abs. 1 des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) verletze die Art. 3 Abs. 1 und 12 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG). Er habe durch seine wissenschaftliche Ausbildung einschließlich Examen und durch seine über mehr als drei Jahre gesammelte praktische Erfahrung im Steuerwesen die nötige Sachkunde bereits nachgewiesen, so daß es der Ablegung einer Steuerberaterprüfung als zusätzlichen Nachweis nicht bedürfe. Darüber hinaus werde Art. 3 Abs. 1 GG verletzt durch § 38 (Befreiung von der Prüfung für ehemalige Beamte und Angestellte der Finanzverwaltung), § 3 Nr. 2 (Befugnis zur unbeschränkten Hilfeleistung in Steuersachen für Rechtsanwälte) und § 4 StBerG (Befugnis für bestimmte Personen und Institutionen zur beschränkten Hilfeleistung in Steuersachen). Diese Vergünstigungen und Befugnisse müßten erst recht für qualifizierte Personen wie ihn gelten.
Der Antragsteller stellte beim Finanzgericht (FG) ferner den Antrag, im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig zum Steuerberater bestellt zu werden. Er führte aus, eine Nichtbestellung bedrohe unmittelbar seine wirtschaftliche Existenz. Er sei auf eine Berufsausübung, für die seiner Ausbildung entsprechend nur die Steuerberatung in Frage komme, zur Bestreitung seines Lebensunterhalts angewiesen. Potentielle Mandanten würden nicht warten wollen, bis er nach einer durchschnittlichen Verfahrensdauer von drei bis vier Jahren beim FG als Steuerberater tätig werden könne. Ohne eine vorläufige Bestellung zum Steuerberater werde ihm nicht nur die wirtschaftliche Existenzgrundlage verweigert, sondern auch ein Start ins Berufsleben in unzulässiger Weise erschwert, wenn nicht sogar unmöglich gemacht.
Das FG lehnte den Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung ab. Es führte aus, der Antragsteller habe einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft dargetan. Die von ihm behaupteten Grundrechtsverletzungen durch die angeführten Vorschriften des StBerG lägen nicht vor. Der Vortrag des Antragstellers, er habe bereits die nötige Sachkunde nachgewiesen und eine zusätzliche Prüfung verstoße gegen Art. 12 GG, sei völlig unsubstantiiert und nicht nachvollziehbar. Das vom Antragsteller abgelehnte Examen sei nach Voraussetzungen, Inhalt und Art gänzlich anders gelagert als die Steuerberaterprüfung. Der Gesetzgeber gehe davon aus, daß im Regelfall die Befähigung zur Ausübung des Steuerberaterberufs durch die Prüfung als Steuerberater nachgewiesen werde. Dieser Prüfung könne und müsse sich auch der Antragsteller unterziehen. Die Befreiungsvorschrift des § 38 StBerG, die hierzu in einem Regel-Ausnahme-Verhältnis stehe, treffe auf den Antragsteller offensichtlich nicht zu. Das gelte auch für die prüfungsfreie Hilfeleistungsbefugnis in Steuersachen nach den §§ 3 Nr. 2, 4 StBerG. Wenn die dort genannten Personen tatsächlich - wie der Antragsteller behaupte - nicht hinreichend qualifiziert seien, so könne er aus Art. 3 GG keinen Anspruch auf Gleichheit im Unrecht herleiten.
Auch ein Anordnungsgrund sei weder schlüssig dargelegt noch glaubhaft gemacht. Die wirtschaftliche Existenz des Antragstellers sei durch seine bisherige Tätigkeit gesichert. Im übrigen könne der Antrag auch deshalb keinen Erfolg haben, weil er das Ergebnis der Klage in der Hauptsache vorwegnehme.
Mit der Beschwerde rügt der Antragsteller, das FG habe das Bestehen eines Anordnungsanspruchs zu Unrecht verneint, weil es die verfassungsrechtliche Problematik seines Vorbringens nicht ausreichend gewürdigt habe. Das StBerG enthalte einen Widerspruch, wenn es in § 35 für den Berater in Steuersachen eine Steuerberaterprüfung verlange, in den §§ 3 und 4 aber für bestimmte Personen und Einrichtungen auf einen entsprechenden Befähigungsnachweis verzichte. Ein weiterer Widerspruch ergebe sich daraus, daß § 36 Abs. 1 Nr. 1 StBerG für die Zulassung zur Steuerberaterprüfung ein wissenschaftliches Hochschulstudium verlange, während nach § 38 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a StBerG ehemalige Beamte und Angestellte des gehobenen Dienstes der Finanzverwaltung, die kein solches Studium nachweisen müßten, prüfungsfrei zum Steuerberater bestellt werden dürften. Zwar könne man nicht sagen, welche dieser widersprüchlichen Vorschriften Unrecht seien, so daß ihn der Vorwurf des FG, er leite aus Art. 3 GG einen Anspruch auf Gleichheit im Unrecht ab, nicht treffe. Aus den §§ 3, 4, 35 und 38 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a StBerG insgesamt ergebe sich aber eine Verletzung seiner Grundrechte.
Das Grundrecht auf freien Berufszugang nach Art. 12 Abs. 1 GG werde durch § 35 Abs. 1 StBerG verletzt. Die Anforderungen an die Kenntnisse und Fähigkeiten, die ein Steuerberater für eine sachgemäße Berufsausübung benötige, würden durch ein ordnungsgemäßes Studium des Steuerrechts und der betriebswirtschaftlichen Steuerlehre, wie er es absolviert habe, sowie durch die dreijährige praktische Tätigkeit auf dem Gebiet des Steuerwesens abgedeckt. Die Steuerberaterprüfung sei dagegen als Nachweis für die berufliche Qualifikation nicht ausreichend. Das Verlangen nach einer sachlich ungeeigneten Prüfung und das Ignorieren der von einem Kandidaten schon nachgewiesenen Kenntnisse sei aber im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zu den subjektiven Zulassungsvoraussetzungen für einen Beruf immer unverhältnismäßig.
Die Befreiung von der Steuerberaterprüfung und die steuerlichen Beratungsbefugnisse, die für bestimmte Personen und Einrichtungen in den §§ 38 Abs. 1 Nr. 4, 3 Nrn. 2 und 4 StBerG geregelt seien, müßten am Maßstab des Art. 3 GG gemessen werden, wobei für den Vergleich der begünstigten Personengruppen gegenüber anderen auf die für die Steuerberatung benötigten Kenntnisse und Fähigkeiten abzustellen sei. Insofern ergäben sich aber keine sachlich vertretbaren Gründe für eine Schlechterstellung des Antragstellers, so daß er durch die genannten Vorschriften gegenwärtig und unmittelbar in seinen Grundrechten auf Gleichbehandlung und auf freie Berufswahl und Berufsausübung gemäß Art. 3 Nr. 1 und 12 Abs. 1 GG verletzt sei.
Mit dem Hinweis auf die Bedrohung seiner wirtschaftlichen Existenz habe er auch einen Anordnungsgrund glaubhaft dargetan. Die Behauptung des FG, die wirtschaftliche Existenz sei durch seine bisherige Tätigkeit gesichert, sei falsch, denn das Arbeitsverhältnis könne jederzeit vom Arbeitgeber im Rahmen der arbeitsrechtlichen Regelungen gelöst werden. Außerdem habe er sich für die Steuerberatertätigkeit als Existenzgrundlage entschieden und nicht für die Tätigkeit als Steuerberatungsassistent. Denn nur die Steuerberatertätigkeit biete ihm die Chance, sich die notwendigen finanziellen Mittel zur Verwirklichung seiner beruflichen Vorstellungen zu beschaffen. Werde er nicht umgehend zum Steuerberater bestellt, so erleide er gegenüber potentiellen Berufskonkurrenten erhebliche Wettbewerbsnachteile, die nach mehrjährigem Rechtsstreit nicht mehr zu beseitigen seien.
Mit dem Erlaß der beantragten einstweiligen Anordnung würde das Ergebnis der Klage in der Hauptsache nicht vorweggenommen. Denn eine vorläufige Bestellung sei noch keine endgültige Bestellung zum Steuerberater.
Der Antragsteller beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung die begehrte einstweilige Anordnung zu erlassen.
Der Landesfinanzminister beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist unbegründet.
1. Nach § 114 Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus sonstigen Gründen nötig erscheint. Eine solche Regelungsanordnung, wie sie der Antragsteller mit seinem Antrag auf vorläufige Bestellung als Steuerberater begehrt, darf nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) nur eine einstweilige Regelung enthalten und das Ergebnis des Hauptprozesses nicht vorwegnehmen oder diesem vorgreiflich sein (Beschluß des Senats vom 20. September 1988 VII B 129/88, BFHE 154, 31, BStBl II 1988, 956, m. w. N.). Eine solche Vorwegnahme des Ergebnisses des Hauptprozesses liegt nicht schon ohne weiteres vor, wenn dem Antragsteller die beantragte Rechtsposition vorläufig eingeräumt wird, falls diese Rechtsposition bei Verlust des Hauptprozesses wieder rückgängig zu machen ist. Der Erlaß einer einstweiligen Anordnung ist vielmehr nur dann ausgeschlossen, wenn diese Anordnung ,,endgültig vorgreiflich" ist, also irreparable Zustände schafft, d. h. den Hauptprozeß nicht mehr entscheidungsfähig hält (Beschlüsse des Senats vom 21. Februar 1984 VII B 78/83, BFHE 140, 163, BStBl II 1984, 449, und in BFHE 154, 31, BStBl II 1988, 956).
Der Senat hat Zweifel, ob die vom Antragsteller begehrte ,,vorläufige" Bestellung als Steuerberater, mit der das endgültige Rechtsschutzziel nur für eine gewisse Zeit irreparabel erreicht würde, das Ergebnis des Hauptprozesses - wie das FG meint - vorwegnehmen würde. Bedenken bestehen aber insoweit, ob der hoheitliche Akt der Bestellung als Steuerberater (§§ 40 Abs. 1, 41 Abs. 1 StBerG) mit einer Befristung oder Bedingung verbunden werden kann (vgl. zum Erlöschen, zur Rücknahme und zum Widerruf der Bestellung die §§ 45, 46 StBerG). Die Frage der Vorgreiflichkeit einer bis zur Entscheidung des Hauptprozesses ,,vorläufigen" Bestellung braucht aber im Streitfall nicht abschließend entschieden zu werden. Denn das FG hat den Erlaß der beantragten einstweiligen Anordnung nach der hier gebotenen summarischen Betrachtung jedenfalls deshalb zu Recht abgelehnt, weil der Antragsteller weder einen Anordnungsanspruch (2.) noch einen Anordnungsgrund (3.) glaubhaft gemacht hat (§ 114 Abs. 3 FGO i. V. m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung - ZPO -).
2. Als Anordnungsanspruch kommt der Anspruch auf prüfungsfreie Bestellung zum Steuerberater in Betracht. Ein solcher Anspruch ist nach dem StBerG grundsätzlich nicht gegeben. § 35 Abs. 1 StBerG macht die Bestellung als Steuerberater von dem Bestehen der Steuerberaterprüfung abhängig, soweit der Bewerber nicht - ausnahmsweise - von dieser Prüfung befreit ist. Da der Antragsteller - wie zwischen den Beteiligten unstreitig ist - nicht zu dem Personenkreis gehört, der nach § 38 StBerG von der Steuerberaterprüfung zu befreien ist, kann er ohne die erfolgreiche Ablegung der Prüfung die Bestellung als Steuerberater nicht erlangen. Ein Anspruch auf prüfungsfreie Bestellung folgt auch nicht - wie der Antragsteller meint - aus einer Verfassungswidrigkeit von Vorschriften des StBerG.
a) Der Zugang zum Beruf des Steuerberaters ist nach § 35 Abs. 1 StBerG an die Erfüllung bestimmter Voraussetzungen in der Person des Berufsbewerbers geknüpft. Eine solche Regelung, die die Freiheit der Berufswahl (Art. 12 Abs. 1 GG) einschränkt, ist nach der Rechtsprechung des BVerfG nur zulässig, soweit der Schutz besonders wichtiger Gemeinschaftsgüter es zwingend erfordert. Soweit es sich - wie hier - um subjektive Zulassungsvoraussetzungen handelt, gilt das Prinzip der Verhältnismäßigkeit in dem Sinne, daß die vorgeschriebenen Voraussetzungen zu dem angestrebten Zweck der ordnungsgemäßen Erfüllung der Berufstätigkeit nicht außer Verhältnis stehen dürfen (BVerfG-Urteil vom 11. Juni 1958 - 1 BvR 596/56 -, BVerfGE 7, 377, 406 ff.). Der Gesetzgeber war danach befugt, zum Schutz der Steuerrechtspflege als wichtigem Gemeinschaftsgut Anforderungen an die persönliche Eignung der Bewerber für den Beruf des Steuerberaters zu stellen. Er konnte insbesondere den Nachweis der für eine sachgerechte Berufsausübung benötigten Kenntnisse und Fähigkeiten durch Ablegung der Steuerberaterprüfung als Grundsatz verlangen und daneben als Ausnahmeregelung für einen von vornherein begrenzten Personenkreis, für den er die erforderliche berufliche Qualifikation aufgrund der bisherigen langjährigen Tätigkeit als gegeben ansah, die prüfungsfreie Bestellung als Steuerberater vorsehen (BVerfG-Beschluß vom 18. November 1980 - 1 BvR 228, 311/73 -, BVerfGE 55, 185, BStBl II 1981, 235, 239).
Der Antragsteller ist nicht deshalb in seinem Grundrecht auf freie Berufswahl verletzt, weil er im Gegensatz zu den in § 38 StBerG genannten Personen nicht prüfungsfrei zum Steuerberater bestellt werden kann. Ihm steht ebenso wie anderen Bewerbern der Zugang zu dem gewählten Beruf über die mit diesem Grundrecht zu vereinbarende Steuerberaterprüfung offen. Der Gesetzgeber war grundsätzlich nicht verpflichtet, daneben prüfungsfreie Zugangsmöglichkeiten für einzelne zu schaffen; tat er das doch, so handelte er - wie das BVerfG in BVerfGE 55, 185, BStBl II 1981, 235, 240 entschieden hat - in Ausübung der ihm zustehenden Gestaltungsfreiheit, ohne an die engen Voraussetzungen des Art. 12 Abs. 1 GG gebunden zu sein. Die Freiheit der Berufswahl des Antragstellers kann somit durch die §§ 35 Abs. 1, 38 StBerG nicht verletzt sein. Dasselbe gilt für die §§ 3 Nrn. 2 und 4 StBerG, die die Befugnisse zur Hilfeleistung in Steuersachen für bestimmte Personen und Einrichtungen regeln, aber keine Bestimmungen über die vom Antragsteller begehrte Bestellung als Steuerberater enthalten.
b) Die vom Antragsteller genannten Vorschriften sind lediglich am Maßstab des Art. 3 Abs. 1 GG daraufhin zu überprüfen, ob der Gesetzgeber mit ihnen die äußersten Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit (Willkürverbot) eingehalten hat (vgl. BVerfGE 55, 185, BStBl II 1981, 235, 240). Diese sind hier nicht überschritten.
Nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG ist der Gleichheitssatz nur dann verletzt, wenn sich für eine gesetzliche Differenzierung ein vernünftiger, aus der Natur der Sache sich ergebender oder sonstwie einleuchtender Grund nicht finden läßt und deshalb die Gesetzesbestimmung als willkürlich bezeichnet werden muß. Als willkürlich in diesem Sinne ist anzusehen, wenn die ungleiche Behandlung der geregelten Sachverhalte nicht mehr mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise vereinbar ist. Die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers endet erst dort, wo kein einleuchtender Grund, der sich aus dem Wesen und Zweck der jeweiligen Vorschrift herleiten läßt, für die Gleichbehandlung oder Ungleichbehandlung besteht. Dabei kann sich der Gesetzgeber mit einer Typengerechtigkeit begnügen. Es ist nicht nachzuprüfen, ob er im Einzelfall die jeweils zweckmäßigste, vernünftigste und gerechteste Lösung gefunden hat (BVerfG-Beschluß vom 6. Dezember 1983 - 2 BvR 1275/79 -, BVerfGE 65, 325, 354, BStBl II 1984, 72 m. w. N.).
aa) Ein Verstoß gegen das Willkürverbot in diesem Sinne kann nicht darin gesehen werden, daß § 35 Abs. 1 StBerG die Bestellung als Steuerberater regelmäßig von dem Bestehen der Steuerberaterprüfung abhängig macht, die in § 38 StBerG genannten Personen aber von dieser Prüfung befreit sind. Die Befreiung von der Steuerberaterprüfung für Professoren, die auf dem Gebiet des Steuerwesens gelehrt haben, ehemalige Finanzrichter und ehemalige Beamte und Angestellte der Finanzverwaltung und bestimmter anderer Körperschaften und Behörden, soweit sie auf dem Gebiet des Steuerwesens tätig waren, entspricht sachgerechten gesetzgeberischen Erwägungen. Der Gesetzgeber konnte aufgrund der ihm bekannten Berufsbilder davon ausgehen, daß diese Personen die für den Beruf des Steuerberaters benötigte Qualifikation aufgrund ihrer langjährigen praktischen Berufstätigkeit, wie sie im einzelnen jeweils in § 38 StBerG festgelegt ist, erlangt haben würden. Dies gilt - wie das BVerfG in BVerfGE 55, 185, BStBl II 1981, 235, 240 entschieden hat - nach der Verlängerung der vorgeschriebenen praktischen Tätigkeit auf nunmehr 15 Jahre durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Steuerberatungsgesetzes vom 11. August 1972 (BGBl I, 1401) auch für die in § 38 Abs. 1 Nr. 4 StBerG genannten ehemaligen Beamten und Angestellten des gehobenen Dienstes.
Die Ausbildung und bisherige Tätigkeit des Antragstellers ist mit der praktischen Berufstätigkeit der von der Steuerberaterprüfung befreiten Personen nicht vergleichbar. Das ergibt sich schon daraus, daß der Antragsteller nur etwa drei Jahre auf dem Gebiet des Steuerwesens praktisch tätig war, während die Befreiung von der Prüfung eine 5-, 10- bzw. 15jährige Berufstätigkeit voraussetzt. Zudem knüpft die Befreiungsvorschrift nicht an ein bestimmtes Hochschulstudium und an das Bestehen einer Hochschulprüfung an, zumal es ein eigenständiges steuerrechtliches Studium nicht gibt. Der Gesetzgeber war nicht genötigt, den erfolgreichen Abschluß eines Studiums der Betriebswirtschaft mit starkem steuerrechtlichen Einschlag, wie es der Antragsteller absolviert hat, zum Gegenstand einer Befreiungsvorschrift zu machen. Das gilt selbst dann, wenn der Ausbildungsgang des Antragstellers eine für den Beruf des Steuerberaters ausreichende Qualifikation vermitteln sollte. Denn Hochschulstudiengänge und Abschlüsse, die von Hochschule zu Hochschule unterschiedlich sind und durch Wahlmöglichkeiten modifiziert werden können, sind für eine gesetzgeberische Typisierung, wie sie für die Regelung über die Befreiung von der Prüfung vorgenommen werden mußte, ungeeignet. Hier muß es bei dem gesetzlichen Regelfall des Nachweises der beruflichen Qualifikation durch Ablegung der Steuerberaterprüfung verbleiben.
bb) Der Antragsteller wird auch durch das Verlangen nach Ablegung der Steuerberaterprüfung nicht willkürlich ungleich gegenüber den in § 3 Nr. 2 StBerG aufgeführten Rechtsanwälten und den in § 4 StBerG genannten Personen und Einrichtungen behandelt. Die Regelungen in § 35 Abs. 1 einerseits und §§ 3, 4 StBerG andererseits behandeln schon im Ausgangspunkt unterschiedliche Sachverhalte, nämlich die Voraussetzungen für die Bestellung als Steuerberater (§ 35) und die Befugnis bestimmter Berufsträger und Einrichtungen zur unbeschränkten (§ 3 StBerG) oder beschränkten (§ 4 StBerG) Hilfeleistung in Steuersachen. Aus § 4 StBerG kann der Antragsteller schon deshalb kein Recht herleiten, weil die dort genannten Personen und Einrichtungen jeweils nur auf einem bestimmten Teilgebiet geschäftsmäßig Hilfe in Steuersachen leisten dürfen, während der Antragsteller mit der Bestellung als Steuerberater eine unbeschränkte Hilfeleistungsbefugnis anstrebt. Für die Befugnis zur beschränkten Hilfeleistung in Steuersachen bedarf es nicht des Nachweises einer steuerlichen Qualifikation, weil diese Hilfe nur im Rahmen des jeweiligen beruflichen oder satzungsmäßigen Aufgabenkreises der begünstigten Personen und Einrichtungen geleistet werden darf.
Nach § 3 Nr. 2 StBerG sind Rechtsanwälte zur unbeschränkten Hilfeleistung in Steuersachen befugt, ohne ihre steuerrechtliche Qualifikation durch Ablegung einer besonderen Prüfung nachweisen zu müssen (ebenso Wirtschaftsgüter, Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, vereidigte Buchprüfer und Buchprüfungsgesellschaften). Dieses Ergebnis folgt bereits aus § 3 Abs. 1 der Bundesrechtsanwaltsordnung, wonach der Rechtsanwalt der berufene unabhängige Berater und Vertreter in allen Rechtsangelegenheiten ist; hierzu gehört auch die Steuerberatung, da sie eine Rechtsberatung in Steuersachen ist (für die entsprechende Befugnis der Wirtschaftsgüter und vereidigten Buchprüfer zur Beratung und Vertretung in Steuersachen vgl. die §§ 2, 129 des Gesetzes über eine Berufsordnung der Wirtschaftsprüfer). Das StBerG geht in typisierender Betrachtungsweise davon aus, daß die Rechtsanwälte und die anderen in § 3 Nr. 2 genannten Berufsträger aufgrund ihrer Ausbildung und praktischen Berufstätigkeit zu einer sachgemäßen steuerlichen Beratung befähigt sind. Mit diesen Personen ist der Antragsteller nicht vergleichbar, da er sich allein durch den erworbenen Hochschulabschluß noch nicht für einen rechts-, wirtschafts- oder steuerberatenden Beruf qualifiziert hat. Der Gesetzgeber war nicht gehalten, für die Bestellung als Steuerberater an Stelle der Ablegung der Steuerberaterprüfung auf die im Einzelfall durch Studium oder auf sonstige Weise erworbenen steuerrechtlichen Kenntnisse und Fähigkeiten abzustellen.
3. Aus den in § 114 Abs. 1 Satz 2 FGO für die Regelungsanordnung genannten Gründen (,,wesentliche Nachteile", ,,,,drohende Gewalt") ergibt sich, daß auch die ,,anderen" (Anordnungs-)Gründe von ähnlicher Bedeutung und Gewichtung sein müssen. Deshalb wird im allgemeinen ein Anordnungsgrund, der den Erlaß der begehrten einstweiligen Anordnung unumgänglich macht, nur angenommen, wenn die wirtschaftliche oder persönliche Existenz des Antragstellers unmittelbar bedroht ist (vgl. Tipke / Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 13. Aufl., § 114 FGO Tz. 17 mit Hinweisen auf die Rechtsprechung). Der Antragsteller hat nicht glaubhaft gemacht, daß seine wirtschaftliche Existenz bei der Ablehnung der begehrten vorläufigen Bestellung als Steuerberater bedroht wäre.
Das FG hat zu Recht darauf abgestellt, daß die wirtschaftliche Existenz des Antragstellers durch seine bisherige nichtselbständige Tätigkeit als Steuerberatungsassistent gesichert ist. Diese Beurteilung, die der Rechtsprechung des Senats entspricht (vgl. BFHE 140, 163, BStBl II 1984, 449, 451; BFHE 154, 31, BStBl II 1988, 956, 959), ist durch den bloßen Hinweis der Beschwerde, daß das Arbeitsverhältnis beendet werden könnte, nicht erschüttert worden, denn der Antragsteller hat die gegenwärtige Gefahr einer Kündigung durch seinen Arbeitgeber nicht dargetan. Der Senat ist ferner in seiner Rechtsprechung stets davon ausgegangen, daß die bloße Verzögerung des Überwechselns in den angestrebten Beruf des Steuerberaters, die mit dem Abwarten des Ergebnisses des Hauptprozesses oder mit dem Ablegen der Steuerberaterprüfung verbunden ist, keine Existenzgefährdung und damit keinen Grund für den Erlaß einer Regelungsanordnung darstellt (BFHE 140, 163, BStBl II 1984, 449, 451, und BFHE 154, 31, BStBl II 1988, 956, 959). Solange der Hauptprozeß noch nicht rechtskräftig entschieden ist, muß der Antragsteller es hinnehmen, daß seine Einkünfte möglicherweise geringer sind als die eines selbständigen Steuerberaters und daß ihm potentielle Mandanten verlorengehen. Diese Nachteile sind im Streitfall um so mehr zumutbar, als dem Antragsteller die Möglichkeit verbleibt, durch Ablegung der Steuerberaterprüfung seine Bestellung zum Steuerberater kurzfristig herbeizuführen.
Fundstellen
Haufe-Index 416403 |
BFH/NV 1989, 740 |