Entscheidungsstichwort (Thema)
Fehlerhafte Rechtsmittelbelehrung bei (teilweiser) Ablehnung eines PKH-Antrags
Leitsatz (NV)
Eine Beschwerde gegen (teilweise) Ablehnung eines PKH-Antrags durch das FG ist nicht gemäß § 128 Abs. 4 FGO ausgeschlossen, weil es sich nicht um eine Beschwerde in Streitigkeiten über Kosten handelt.
Ist dem Beschluß des FG, mit dem PKH teilweise bewilligt und teilweise abgelehnt wird, eine Rechtsmittelbelehrung für "volle Bewilligung" der PKH -- ohne Ausführungen über Rechtsmittel bei Ablehnung der PKH -- beigefügt, so ist die Belehrung unrichtig erteilt i. S. v. § 55 Abs. 2 FGO.
Normenkette
FGO § 55 Abs. 2, § 128 Abs. 4
Tatbestand
In einem Klageverfahren betreffend Gewerbesteuermeßbescheide 1985 bis 1988 und Umsatzsteuer 1985 bis 1988 gab das Finanzgericht (FG) der Klage in bezug auf die Gewerbesteuermeßbescheide statt, im übrigen (bezüglich der Umsatzsteuer) wies es die Klage ab. Gegen den Gerichtsbescheid des FG beantragte der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) mündliche Verhandlung. Über den Abschluß dieses Verfahrens liegen keine Feststellungen vor.
Bereits mit Beschluß vom 4. Juni 1993 bewilligte das FG dem Kläger für das Verfahren vor dem FG bezüglich der Gewerbesteuermeßbeträge Prozeßkostenhilfe (PKH) durch Beiordnung der Prozeßbevollmächtigten des Klägers. Im übrigen lehnte das FG den PKH- Antrag ab (bezüglich Umsatzsteuer). Hinsichtlich der Umsatzsteuerbescheide ging der Streit -- soweit ersichtlich -- um die Anwendung des § 4 Nr. 11 des Umsatzsteuergesetzes (UStG 1980). Das FG lehnte die Anwendung der Befreiungsvorschrift ab, weil der Kläger nach vorliegenden Unterlagen keine steuerfreie Tätigkeit, sondern eine steuerpflichtige Tätigkeit -- Schulung von Außendienstmitarbeitern -- ausgeführt hatte. Die Bezeichnung der dafür erhaltenen Zahlungen als "Provisionen" sei unerheblich.
Dem Beschluß war eine Rechtsmittelbelehrung für "volle Bewilligung" der PKH beigefügt. Sie belehrt über Rechtsmittel gegen die Bewilligung von PKH. Ausführungen über Rechtsmittel bei Ablehnung der PKH sind nicht enthalten.
Mit Schreiben vom 26. April 1994, das zu einem Schriftsatzaustausch im Klageverfahren erging, führten die Bevollmächtigten des Klägers aus: "Ich stelle nochmals klar, daß die Ausführungen in unseren Schriftsätzen vom 16. September und 29. November 1993 auch als Gegenvorstellungen gegen die teilweise Versagung der Prozeßkostenhilfe an zusehen sind. Wir bitten das Gericht um Verständnis dafür, daß zunächst einmal im PKH-Verfahren Klarheit über das weitere Schicksal des Verfahrens geschaffen werden muß ... Über die Streitfragen muß erforderlichenfalls Beweis erhoben werden ... "
Nach Mitteilung des FG an den Kläger über eine Anfrage bezüglich der Zahlungen an den Kläger bei der zahlenden Organisation nahm der Kläger dazu insoweit (mit Schreiben vom 4. Juli 1994) Stellung, als er ausführte, es solle offensichtlich im schriftlichen Verfahren Beweis erhoben werden. Dies würde voraussetzen, daß vorher über das PKH-Gesuch entschieden werde; denn wenn eine Beweiserhebung stattfinde, könne die Rechtsverfolgung des Antragstellers im PKH-Verfahren nicht mutwillig sein.
Darauf teilte das FG dem Kläger am 13. Juli 1994 mit, "daß eine Änderung des PKH-Beschlusses auf die Gegenvorstellung hin nach dem derzeitigen Sachstand nicht beabsichtigt ist, zumal der Beklagtenvortrag durch den Inhalt des Arbeitsvertrages (Schulung und Training; monatlich gleichbleibende Beträge) gestützt wird. Die Anfrage an die Fa. ... ist im Rahmen der Amtsermittlungspflicht erfolgt". Mit Schreiben vom 24. März 1995 führte der Kläger gegenüber dem FG aus: Er stelle fest, "daß die Kammer bedauerlicherweise auf unsere Eingaben im Jahre 1994 nicht reagiert hat. Wir sehen dies als Zurückweisung des weitergehenden Prozeßkostenhilfegesuchs an und legen hiermit Beschwerde ein. Ich mache nochmals darauf aufmerksam, daß wir bereits in Schriftsätzen vom 16. 9. und 29. 11. 1993 Einwendungen gegen die Feststellungen in der ersten PKH-Entscheidung erhoben hatten. In der Schrift vom 26. 4. 1994 haben wir ausdrücklich klargestellt, daß die Ausführungen als Gegenvorstellungen gewertet werden sollten; eine Reaktion des Gerichts ist daraufhin nicht erfolgt. Wir haben mit Schreiben vom 4. 7. 1994 erinnert".
Das FG half der Beschwerde nicht ab.
Stellungnahmen der Beteiligten zu der dem Bundesfinanzhof (BFH) vorgelegten Beschwerde sind nicht eingegangen.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Der Senat versteht das Rechtsmittel des Klägers nicht als Beschwerde gegen Nichtbescheidung seines (weitergehenden) Antrags auf PKH -- eine solche Beschwerde wäre nicht statthaft, vgl. BFH, Beschluß vom 13. September 1988 VII B 64/88 (BFHE 154, 209, BStBl II 1989, 45) --, sondern als Beschwerde gegen (teilweise) Ablehnung seines PKH-Antrags durch das FG. Eine solche Beschwerde ist nicht gemäß § 128 Abs. 4 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ausgeschlossen, weil es sich nicht um eine Beschwerde in Streitigkeiten über Kosten handelt.
2. Die Beschwerde ist jedoch verspätet eingelegt worden und deshalb unzulässig.
Zwar ist unschädlich, daß die Beschwerde -- entgegen § 129 FGO -- nicht innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe der Entscheidung des FG (Beschluß vom 4. Juni 1993) eingelegt worden ist. Da aber das am 28. März 1995 beim FG eingegangene Schreiben, mit dem der Kläger ausdrücklich Beschwerde eingelegt hat, nicht innerhalb eines Jahres seit Bekanntgabe des Beschlusses in der PKH-Sache angebracht worden ist, hat der Kläger auch die Ausnahmefrist des § 55 Abs. 2 FGO nicht gewahrt, die eingriff, weil der Beschluß des FG keine Rechtsbehelfsbelehrung bezüglich der Ablehnung der PKH enthielt.
Wegen der fehlerhaften Rechtsmittelbelehrung durch das FG wird gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 des Gerichtskostengesetzes von der Erhebung von Kosten abgesehen.
Fundstellen