Entscheidungsstichwort (Thema)
Stuttgarter Verfahren
Leitsatz (NV)
1. Die Frage, “Ist im Rahmen der §§ 11 Abs. 2, 9 Abs. 2 BewG das Stuttgarter Verfahren für die Bewertung nicht notierter GmbH-Geschäftsanteile nur dann nicht anzuwenden, wenn es zu untragbaren Ergebnissen führt; sind vielmehr neben oder anstelle des Stuttgarter Verfahrens andere Bewertungsmethoden als Vergleichs- und Verprobungsberechnungen anzuwenden?”, hat keine grundsätzliche Bedeutung.
2. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung stellt die Schätzung im sog. Stuttgarter Verfahren lediglich ein brauchbares Hilfsmittel für die Ermittlung des gemeinen Werts nicht notierter Anteile dar, ohne dass die Gerichte an die Ergebnisse des Stuttgarter Verfahrens wie an ein Gesetz gebunden wären.
3. Die Frage, ob und wann die Schätzung des gemeinen Werts nicht notierter Anteile an Kapitalgesellschaften nach dem Stuttgarter erfahren zu offensichtlich unzutreffenden Ergebnissen führt, ist einer abstrakten Beantwortung nicht zugänglich und nur für den konkreten Einzelfall zu beantworten.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1; BewG § 11 Abs. 2, § 9 Abs. 2
Verfahrensgang
FG München (Urteil vom 19.06.2006; Aktenzeichen 8 K 4812/04) |
Gründe
Die Beschwerde ist unbegründet.
1. Die vom Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) aufgeworfene Rechtsfrage hat keine grundsätzliche Bedeutung.
a) Mit der Problematik der Frage, "Ist im Rahmen der §§ 11 Abs. 2, 9 Abs. 2 BewG das Stuttgarter Verfahren für die Bewertung nicht notierter GmbH-Geschäftsanteile nur dann nicht anzuwenden, wenn es zu untragbaren Ergebnissen führt; sind vielmehr neben oder anstelle des Stuttgarter Verfahrens andere Bewertungsmethoden als Vergleichs- und Verprobungsberechnungen anzuwenden?", hat sich der Bundesfinanzhof (BFH) bereits mehrfach und unter Auseinandersetzung mit dem Für und Wider des Stuttgarter Verfahrens befasst. In ständiger Rechtsprechung hat der BFH daran festgehalten, dass die Schätzung im sog. Stuttgarter Verfahren lediglich ein brauchbares Hilfsmittel für die Ermittlung des gemeinen Werts nicht notierter Anteile darstellt (vgl. die auch vom Kläger zitierten BFH-Entscheidungen vom 12. Juni 1974 III R 54/73, BFHE 112, 528, BStBl II 1974, 629; vom 7. Dezember 1977 II R 164/72, BFHE 124, 356, BStBl II 1978, 323; vom 12. März 1980 II R 28/77, BFHE 130, 198, BStBl II 1980, 405; vom 6. Februar 1991 II R 87/88, BFHE 163, 471, BStBl II 1991, 459; vom 20. September 2000 II R 61/98, BFH/NV 2001, 747, und vom 16. Mai 2003 II B 50/02, BFH/NV 2003, 1150), ohne dass die Gerichte an die Ergebnisse des Stuttgarter Verfahrens wie an ein Gesetz gebunden wären. Überdies hat der BFH mehrfach deutlich gemacht, dass das Stuttgarter Verfahren eine vorsichtige Bewertungsmethode darstellt, weil die Schätzung eines Unternehmenswertes bzw. des Wertes der Anteile an einem Unternehmen mit erheblichen Unsicherheiten verbunden ist und in der Unternehmensbewertungspraxis mit beträchtlich voneinander abweichenden Schätzwerten zu rechnen ist (vgl. u.a. BFH-Urteil in BFHE 130, 198, BStBl II 1980, 405). Es ist daher legitim, dass die Finanzverwaltung im Interesse einer Objektivierung des Schätzungsverfahrens und der gleichmäßigen Behandlung aller Steuerpflichtigen ein Verfahren eingeführt hat, das selbst bei günstigen Ertragsaussichten zu Schätzwerten führt, die hinter den Schätzwerten anderer Methoden zurückbleiben. Im Einzelfall ist es dann Aufgabe der Steuerpflichtigen darzulegen, dass die Schätzergebnisse anhand des Stuttgarter Verfahrens über den jeweiligen gemeinen Werten liegen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 130, 198, BStBl II 1980, 405). Neue Gesichtspunkte, die zu einer abweichenden Beurteilung führen könnten, hat der Kläger nicht dargelegt.
Die Berufung des Klägers auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zur Verfassungsmäßigkeit der Erbschaftsteuer vom 7. November 2006 1 BvL 10/02 (BFH/NV 2007, Beilage 4, 237) ist nicht geeignet, zu einer anderen rechtlichen Beurteilung zu führen. Zwar hat das BVerfG Bedenken gegen das Stuttgarter Verfahren geäußert. Diese beruhen aber gerade nicht darauf, dass das Stuttgarter Verfahren zu überhöhten Wertansätzen führt. Vielmehr führe dieses Verfahren zu Werten, die zu niedrig bemessen seien, weil bei Anwendung des Stuttgarter Verfahrens Steuerwerte für Anteile an Kapitalgesellschaften erzielt würden, die im Durchschnitt deutlich unter dem gemeinen Wert lägen.
b) Im Übrigen ist die Frage, ob und wann die Schätzung des gemeinen Werts nicht notierter Anteile an Kapitalgesellschaften nach dem Stuttgarter Verfahren zu offensichtlich unzutreffenden Ergebnissen führt, einer abstrakten Beantwortung nicht zugänglich und nur für den konkreten Einzelfall zu beantworten (BFH-Beschluss in BFH/NV 2003, 1150). Soweit der Vortrag des Klägers dahin zu verstehen ist, dass jedenfalls im Streitfall die Schätzung nach dem Stuttgarter Verfahren zu einem offensichtlich unzutreffenden Ergebnis führt, wird damit im Ergebnis die materielle Richtigkeit der Vorentscheidung gerügt. Auf die Rüge falscher materieller Rechtsanwendung kann die Zulassung der Revision indes nicht gestützt werden (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 28. April 2003 VIII B 260/02, BFH/NV 2003, 1336; vom 23. Juni 2003 IX B 119/02, BFH/NV 2003, 1289).
Fundstellen
Haufe-Index 1930295 |
BFH/NV 2008, 528 |