Entscheidungsstichwort (Thema)
Revision unzulässig trotz erfolgreicher Nichtzulassungsbeschwerde
Leitsatz (NV)
Eine gleichzeitig mit der Nichtzulassungsbeschwerde eingelegte unzulässige Revision wird nicht dadurch statthaft, daß die Nichtzulassungsbeschwerde Erfolg gehabt hat (Anschluß an BFH-Urteil vom 12. April 1991 III R 181/90, BFHE 164, 179, BStBl II 1991, 638).
Normenkette
FGO § 115 Abs. 1, § 116 Abs. 1 Nr. 5
Tatbestand
Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind in unentgeltlicher Erbengemeinschaft Eigentümer von Grundstücken, die früher landwirtschaftlich genutzt wurden und seit November 1969 verpachtet waren. Für die Streitjahre 1980 bis 1984 gaben die Kläger bzw. die von ihnen beerbten Miterben Feststellungserklärungen mit Einkünften aus Vermietung und Verpachtung ab. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) nahm demgegenüber Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft an, folgte aber hinsichtlich der Höhe der Einkünfte den abgegebenen Steuererklärungen.
Nach erfolglosem Einspruch gab das Finanzgericht (FG) der Klage zum größten Teil mit der Begründung statt, der landwirtschaftliche Betrieb sei erst im Streitjahr 1980 aufgegeben worden. Bis zur Verpachtung im Jahre 1969 hätten die Miterben als Eigentümer der bewirtschafteten Flächen einen landwirtschaftlichen Betrieb unterhalten, der der Größe nach ausreichend gewesen sei. Die Betriebsaufgabe sei erst am 30. Mai 1980 durch die verstorbene Miterbin Frau B erklärt worden. Dies ergebe sich aus einem Aktenvermerk der Bewertungsstelle des FA über ein Telefonat mit Frau B. Zur Höhe der Einkünfte habe das Gericht nicht Stellung nehmen müssen, weil die Kläger ihr Begehren auf die Feststellung einer anderen Einkunftsart beschränkt hätten.
Das FG hat die Revision nicht zugelassen und der dagegen gerichteten, auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und Divergenz gestützten Beschwerde nicht abgeholfen.
Mit der gleichzeitig eingelegten Revision macht das FA geltend, das Urteil des FG sei nicht mit Gründen versehen. Die Revision sei daher nach § 116 Abs. 1 Nr. 5 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zulassungsfrei. Das Urteil enthalte trotz der im Tenor der Höhe nach festgestellten Einkünfte keine Ausführungen oder Feststellungen zur Höhe der Einkünfte. Es fehlten insbesondere Feststellungen zur Höhe des Gewinns aus der nach Auffassung des FG zum 30. Mai 1980 erfolgten Betriebsaufgabe.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unzulässig.
1. Nach Art. 1 Nr. 5 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG) findet abweichend von § 115 Abs. 1 FGO die Revision nur statt, wenn das FG oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof (BFH) sie zugelassen hat. Ohne vorherige Zulassung durch das FG oder den BFH ist die Revision daher nur zulässig, wenn wesentliche Mängel des Verfahrens i.S. von § 116 Abs. 1 FGO gerügt werden. Ein solcher Verfahrensmangel ist nur dann schlüssig gerügt, wenn die zu seiner Begründung vorgetragenen Tatsachen - ihre Richtigkeit unterstellt - einen der in § 116 Abs. 1 FGO genannten Mängel ergeben (Senatsbeschluß vom 21. April 1986 IV R 190/85, BFHE 146, 357, BStBl II 1986, 568). Der Vortrag des FA ergibt nicht schlüssig einen Verfahrensmangel i.S. von § 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO.
Nach der Rechtsprechung des BFH fehlen die Entscheidungsgründe zwar nicht nur dann, wenn die Entscheidung überhaupt nicht mit Gründen versehen ist. Diese Voraussetzung ist vielmehr auch dann erfüllt, wenn das FG seine Entscheidung hinsichtlich eines wesentlichen Streitpunkts nicht begründet hat (BFH-Urteile vom 11. Juni 1969 I R 27/68, BFHE 95, 529, BStBl II 1969, 592; vom 15. April 1986 VIII R 325/84, BFHE 147, 101, BStBl II 1987, 195 und BFH-Beschlüsse vom 9. Februar 1977 I R 136/76, BFHE 121, 298, BStBl II 1977, 351; vom 20. November 1990 IV R 80/90, BFH/NV 1991, 609, und vom 17. März 1992 IV R 51/91, BFH/NV 1992, 617).
Im Streitfall haben die Beteiligten jedoch gar nicht darüber gestritten, daß der Tatbestand der Betriebsaufgabe in den Streitjahren verwirklicht worden sei. Dementsprechend waren Grund und Höhe eines etwa entstandenen Gewinns aus der Aufgabe des land- und forstwirtschaftlichen Betriebs im Klageverfahren nicht streitig. Die Kläger haben vielmehr geltend gemacht, der Betrieb sei lange vor den Streitjahren aufgegeben worden, während das FA davon ausgegangen ist, daß der land- und forstwirtschaftliche Betrieb auch über die Streitjahre hinaus fortbestanden hat. Aus diesem Grunde war nur streitig, ob die Pachteinkünfte der Kläger bei den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft oder aus Vermietung und Verpachtung zu erfassen seien. Mit seiner Aufassung, die Feststellungen zur Höhe der Einkünfte seien falsch, weil ein Betriebsaufgabegewinn nicht erfaßt worden sei, ein solcher sei aber in beträchtlicher Höhe entstanden, macht das FA im Grunde geltend, das FG habe seine Amtsermittlungspflicht verletzt oder die Rechtsfolge des § 16 Abs. 3 und 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) aus der Annahme einer Betriebsaufgabe im Streitjahr 1980 übersehen. Ungeachtet der Frage, ob eine solche Entscheidung im Hinblick auf das Verböserungsverbot überhaupt zulässig gewesen wäre, handelt es sich bei dem dargelegten Mangel aber nicht um ein Fehlen der Entscheidungsgründe, sondern um die Rüge der Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes oder eines materiellen Rechtsfehlers bei der Entscheidungsfindung.
2. Die vom FA eingelegte Revision ist auch nicht dadurch statthaft geworden, daß der Senat der gleichzeitig mit der Revision erhobenen Nichtzulassungsbeschwerde mit heutigem Datum stattgegeben hat. Wie der III.Senat des BFH mit Beschluß vom 12. April 1991 III R 181/90 (BFHE 164, 179, BStBl II 1991, 638) in Abgrenzung von älterer, zur Streitwertrevision ergangener Rechtsprechung (vgl. BFH-Urteil vom 28. März 1979 I R 58-59/78, BFHE 128, 135, BStBl II 1979, 650) entschieden hat, geht es bei einer ohne vorherige Zulassung durch das FG oder den BFH eingelegten Revision allein um die Frage, ob diese eingelegte Revision zulässig ist. Diese Frage richtet sich ausschließlich nach § 116 Abs. 1 FGO (gl.A. Beschluß des BFH vom 31. August 1992 V R 9/92, BFH/NV 1993, 313).
Allerdings hat der BFH in BFHE 164, 179, BStBl II 1991, 638, und in BFH/NV 1993, 313 vor seiner Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerden über die Revisionen entschieden und die Statthaftigkeit der Revision auch für den Fall des Erfolgs der Nichtzulassungsbeschwerden verneint. Nach Auffassung des Senats kann es jedoch keinen Unterschied machen, ob das Gericht im Zeitpunkt der Entscheidung über die Revision noch über eine anhängige Nichtzulassungsbeschwerde zu entscheiden hat und diese Erfolg haben könnte, oder ob das Gericht der Nichtzulassungsbeschwerde bereits stattgegeben hat (vgl. Beschluß des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. August 1985 3 CB 13/85, Buchholz, Sammlung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, 310, § 133 VwGO Nr. 57).
Das FA wird daher erneut Revision einzulegen und diese zu begründen haben.
Fundstellen
Haufe-Index 419721 |
BFH/NV 1994, 805 |