Entscheidungsstichwort (Thema)
Konkurrenz zwischen Sachaufklärung durch das FG und Mitwirkung der Beteiligten
Leitsatz (NV)
1. Der Maßstab des Handelns eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters hat auch Auswirkungen auf die Mitwirkungspflichten der Beteiligten. Spricht er für die Veranlassung einer Vorteilszuwendung im Gesellschaftsverhältnis, so ist es in der Regel Sache der betroffenen Kapitalgesellschaft, Umstände darzulegen, aus denen sich eine mögliche andere Veranlassung ergeben könnte.
2. Es entspricht ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung, daß eine verdeckte Gewinnausschüttung auch über die Grenzen der Bundesrepublik Deutschland verwirklicht werden kann.
Normenkette
KStG § 8 Abs. 3 S. 2; FGO § 76 Abs. 1 S. 1, § 115 Abs. 2 Nr. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin ist eine GmbH, an der in den Streitjahren 1982 bis 1984 u.a. A zu 46 v.H. und B zu 42 v.H. beteiligt waren. A und B waren außerdem zu je 50 v.H. an der A-X, einer französischen Kapitalgesellschaft mit Sitz in Frankreich und einer Betriebsstätte im Inland, beteiligt.
Die Klägerin stellte der A-X vorübergehend Personal zur Verfügung, ohne dafür ein angemessenes Entgelt zu verlangen. Das Finanzamt (FA) nahm deshalb eine verdeckte Gewinnausschüttung i.S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG an, wobei es das angemessene Entgelt mit 170 v.H. der lohngebundenen Arbeitnehmerkosten zuzüglich Umsatzsteuer berechnete. Einspruch und Klage gegen die entsprechend geänderten Körperschaftsteuer-Bescheide, Gewerbesteuer-Meßbescheide und vEK-Bescheide 1982 bis 1984 blieben erfolglos.
Die Klägerin legte Nichtzulassungsbeschwerde ein, die sie auf Verfahrensfehler und die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache stützte.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist unbegründet. Sie war deshalb zurückzuweisen. Dem Finanzgericht (FG) ist keiner der gerügten Verfahrensfehler unterlaufen. Auch hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung.
1. Verfahrensfehler
a) Das FG hat § 76 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) nicht verletzt. Es konnte von der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung ausgehen, wonach die Veranlassung einer Vermögensminderung (verhinderten Vermögensmehrung) durch das Gesellschaftsverhältnis angenommen wird, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 29. Juli 1992 I R 28/92, BFHE 169, 322, BStBl II 1993, 247, m.w.N.). Der entsprechende Maßstab ist ein objektiver (vgl. BFH-Urteile vom 20. August 1986 I R 283/82, BFH/NV 1987, 63; vom 7. November 1990 I R 35/89, BFH/NV 1991, 839; vom 28. November 1991 I R 13/90, BFHE 166, 251, BStBl II 1992, 359), der sich nicht an den subjektiven Vorstellungen des individuellen Geschäftsführers ausrichtet. Er hat auch Auswirkungen auf die Mitwirkungsplichten der Beteiligten und eine evtl. Verteilung der objektiven Beweislast. Spricht nämlich der Maßstab des Handelns eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters für die Veranlassung einer Vorteilszuwendung im Gesellschaftsverhältnis, so ist es in der Regel Sache der betroffenen Kapitalgesellschaft, Umstände darzulegen, aus denen sich eine mögliche andere Veranlassung ergeben könnte. Reichen die vorgetragenen Umstände zur Überzeugung des FG zur Annahme einer anderweitigen Veranlassung nicht aus, so trägt die Kapitalgesellschaft regelmäßig den Nachteil, daß sie die aus dem Maßstab des Handelns eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters sich ergebende Vermutung nicht widerlegen konnte. So ist auch der Streitfall gelagert.
Das FG ist davon ausgegangen, daß ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter einem Unternehmen, dessen Anteilseigner nicht die Gesellschafter der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) waren, Arbeitnehmer nicht unter Marktpreis überlassen hätten. Von diesem objektiven Maßstab ausgehend hat es auf die Veranlassung der Arbeitnehmergestellung im Gesellschaftsverhältnis zu den Gesellschaftern der Klägerin (A und B) rückgeschlossen. Es hat zugleich seine Überzeugung geäußert, daß ein betrieblicher Vorteil der Klägerin durch die Arbeitnehmergestellung an A-X nicht ersichtlich und von der Klägerin auch nicht schlüssig vorgetragen worden sei. Hierin liegt kein Verstoß gegen § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO.
Es war nicht die Aufgabe der Klägerin, dafür Sorge zu tragen, daß die A-X Aufträge von der B-AG erhielt oder Gewinne erzielte. Es war auch nicht die Aufgabe der Klägerin, die A-X vor einer drohenden Liquidation zu schützen. Es wäre statt dessen Aufgabe der Gesellschafter von A-X (A und B) gewesen, diese mit dem Kapital auszustatten, das erforderlich gewesen war, um der Klägerin ein angemessenes Entgelt für die Arbeitnehmerüberlassung zu bezahlen.
Soweit die Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 16. Februar 1989 auf ihr allgemeines wettbewerbspolitisches Interesse an einer Auftragserteilung durch die B-AG an die A-X sowie auf die damit verbundene Werbung für sich selbst verweist, handelt es sich um in keiner Weise faßbare Vorteile, die schon deshalb die Vermutung nicht widerlegen können, die sich aus dem Maßstab des Handelns eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters ergibt. Soweit die Klägerin erstmalig in der Beschwerdebegründung auf die Vorteile bei der Beschäftigung der eigenen Arbeitnehmer hinweist, handelt es sich um neues Vorbringen, das bei der Beurteilung von Verfahrensfehlern nicht berücksichtigt werden kann. Zusammenfassend ist die vom FG gewonnene Überzeugung revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, daß das klägerische Vorbringen nicht geeignet war, die sich aus dem Maßstab des Handelns eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters ergebende Vermutung einer Veranlassung der Vorteilszuwendung im Gesellschaftsverhältnis zu widerlegen.
b) Das FG hat auch den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör nicht verletzt. Dieses besteht darin, daß den Beteiligten Gelegenheit gegeben werden muß, sich zu dem Sachverhalt, der der gerichtlichen Entscheidung zugrunde gelegt werden soll, vor Erlaß derselben zu äußern, vor Gericht Anträge zu stellen und Ausführungen zu machen (vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 96 FGO, Rdnr. 22b, m.w.N.). Diese Möglichkeit hatte die Klägerin. Ausweislich des Protokolls über die mündliche Verhandlung vom 22. September 1992 war sie in derselben durch den Steuerberater Z vertreten. Diesem wurde das Wort erteilt. Die Streitsache wurde mit den Beteiligten erörtert. Damit war das Recht der Klägerin auf rechtliches Gehör gewahrt.
Die Klägerin kann auch nicht geltend machen, durch die getroffene Entscheidung überrascht worden zu sein. Dazu ist entsprechend den Ausführungen zu 1. a) davon auszugehen, daß für das FG keine Veranlassung bestand, auf das Erfordernis weiteren Sachvortrags hinzuweisen. Das FG konnte seine Entscheidung an dem Maßstab des Handelns eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters solange ausrichten, als das Vorbringen der Klägerin keine Umstände umfaßte, die geeignet waren, die von dem genannten Maßstab ausgehende Vermutung zu widerlegen.
2. Grundsätzliche Bedeutung
Die von der Klägerin in ihrer Beschwerdebegründung aufgeführten Rechtsfragen haben keine grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.
a) Es entspricht schon bisher ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung (vgl. BFH-Urteile vom 28. Januar 1981 I R 10/77, BFHE 133, 172, BStBl II 1981, 612; vom 19. Mai 1982 I R 102/79, BFHE 136, 105, BStBl II 1982, 631; vom 23. Oktober 1985 I R 247/81, BFHE 145, 165, BStBl II 1986, 195), daß eine verdeckte Gewinnausschüttung auch über die Grenzen der Bundesrepublik Deutschland verwirklicht werden kann. Die Klägerin hat keine einzige Überlegung dargelegt, die geeignet sein könnte, diese Selbstverständlichkeit in Frage zu stellen.
b) Die Klägerin hat keine Norm des Abkommens vom 21. Juli 1959 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und über gegenseitige Amts- und Rechtshilfe auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie der Gewerbesteuern und der Grundsteuern i.d.F. des Revisionsprotokolls vom 9. Juni 1969 - DBA-Frankreich - (BGBl II 1970, 717, BStBl I 1970, 900) genannt, aus der sich eine Einschränkung der Rechtsfolge des § 8 Abs. 3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) ergeben könnte. Dies gilt um so mehr, als sich die vom FG angenommene Ausschüttung als eine solche an die Gesellschafter A und B darstellt. Damit fehlt es insoweit an der schlüssigen Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache.
c) Das Konkurrenzverhältnis zwischen § 1 des Außensteuergesetzes (AStG) und § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG ist für die Entscheidung über den Streitfall irrelevant, weil sich bei der Anwendung des § 1 AStG keine andere Rechtsfolge ergäbe.
d) Für die Entscheidung über den Rechtsstreit kommt es ebensowenig darauf an, ob ein Verständigungsverfahren gemäß Art. 25 DBA-Frankreich einzuleiten ist. Diese Möglichkeit besteht unabhängig von dem Ausgang des Rechtsstreits.
Fundstellen
Haufe-Index 419419 |
BFH/NV 1994, 268 |