Entscheidungsstichwort (Thema)

Richterablehnung wegen Bezugnahme auf Presseberichte

 

Leitsatz (NV)

Wenn in einer Entscheidung über die Nichtabhilfe der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision auf Presseberichte über ein Strafverfahren eingegangen wird, das zur Begründung der erwähnten Beschwerde herangezogen worden ist, braucht dies nicht die Besorgnis der Befangenheit der Finanzrichter zu begründen.

 

Normenkette

FGO § 51 Abs. 1; ZPO § 42

 

Tatbestand

Über die Klage des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) gegen die Umsatzsteuerbescheide für 1977, 1980 bis 1983 entschied das Finanzgericht (FG) im Urteil vom 29. Mai 1991. Es wies die Klage wegen Umsatzsteuer für 1977 ab, für die Jahre 1980 bis 1983 setzte es die Umsatzsteuer herab und wies die Klage im übrigen ab. Das FG beurteilte die Tätigkeit des Klägers als selbständige entgeltliche Unternehmensberatung und als Vermittlung von Geschäftsbeziehungen. Es ließ die Revision nicht zu. Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision durch Beschluß vom 3. August 1992 als unbegründet zurück. Die dagegen eingelegte Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung angenommen worden.

Am 14. September 1992 beantragte der Kläger beim FG den Erlaß einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel, dem Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt - FA -) die Vollstreckung der für 1977, 1980 bis 1983 festgesetzten Umsatzsteuer bis zu einer endgültigen Entscheidung über den bei dem FA gestellten Erlaßantrag zu untersagen. Der Vorsitzende des nach dem Geschäftsverteilungsplan für die Entscheidung über den Antrag zuständigen Senats des FG wies den Kläger durch Verfügung vom 15. September 1991 auf die Rechtslage hin, fügte Ablichtungen zweier BFH-Entscheidungen bei, forderte den Kläger zur Glaubhaftmachung bestimmter Tatsachen auf und fragte, ob der Antrag aufrechterhalten werde. Am 23. September 1991 forderte der zum Berichterstatter bestimmte Richter des Senats den Kläger auf, zwei Formulare zur Glaubhaftmachung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse auszufüllen. Nachdem dem Kläger auf seine Anfrage mitgeteilt worden war, daß der Senat mit der ihm, dem Kläger, aus der Verhandlung über die Klage gegen die Umsatzsteuerbescheide 1977, 1980 bis 1983 bekannten Besetzung entscheiden werde, lehnte er die Berufsrichter als befangen ab. In dem Ablehnungsgesuch vom 12. Oktober 1992 führte er zur Begründung sinngemäß u.a. aus, die Umsatzsteuer werde willkürlich erhoben, weil er, der Kläger, keine nachhaltige Tätigkeit ausgeführt und keine Zahlungen erhalten habe. Er habe in dem Verfahren ... keine ausreichende Möglichkeit rechtlichen Gehörs erhalten. Das FG habe sich für die Entscheidung in dem bezeichneten Verfahren zu Unrecht auf Erkenntnisse in einem noch nicht abgeschlossenen Strafverfahren bezogen und habe in der Begründung über die Nichtabhilfe wegen der Beschwerde über die Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil in der Sache ... auf Presseberichte über das gegen ihn, den Kläger, gerichtete Strafverfahren u.a. wegen Steuerhinterziehung bezogen.

Das FG wies das Ablehnungsgesuch durch Beschluß vom 13. November 1992 zurück, weil weder die einzelnen Ablehnungsgründe noch die Gesamtheit dieser Gründe eine Besorgnis der Befangenheit begründen könnten.

Mit der Beschwerdebegründung wiederholt der Kläger die Gründe seines Ablehnungsgesuchs und bekräftigt seine Auffassung, daß die abgelehnten Richter schon wegen des Hinweises auf Presseveröffentlichungen über das Strafverfahren in der Nichtabhilfeentscheidung für das Beschwerdeverfahren wegen Nichtzulassung der Revision als befangen anzusehen seien.

Der Kläger beantragt, dem Ablehnungsgesuch unter Aufhebung der Vorentscheidung stattzugeben.

Das FA ist der Beschwerde entgegengetreten.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

Dabei unterstellt der Senat zugunsten des Klägers, daß er die Beschwerdefrist des § 129 der Finanzgerichtsordnung (FGO) eingehalten hat, die Beschwerdeschrift also entgegen dem gerichtlichen Eingangsstempel bereits am 1. Dezember 1992 und nicht erst am 2. Dezember 1992 bei Gericht eingegangen ist und dem Kläger insoweit der Gegenbeweis gelungen ist (vgl. § 155 FGO, § 418 der Zivilprozeßordnung - ZPO -; BFH-Beschluß vom 29. Juli 1991 III E 1/91, BFH/NV 1992, 482).

Die Beschwerde ist jedenfalls unbegründet. Das FG hat die Ablehnungsanträge rechtsfehlerfrei zurückgewiesen.

Eine Richterablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit ist begründet, wenn ein Anlaß vorliegt, der geeignet ist, Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen (§ 51 Abs. 1 FGO i.V.m. § 42 Abs. 1 und 2 ZPO). Gründe für ein derartiges Mißtrauen sind vorhanden, wenn ein Beteiligter von seinem Standpunkt aus bei vernünftiger, objektiver Betrachtung davon ausgehen kann, der Richter werde nicht unvoreingenommen entscheiden (BFH-Beschluß vom 4. Juli 1985 V B 3/85, BFHE 144, 144, BStBl II 1985, 555 m.w.N.).

Die geltend gemachten Ablehnungsgründe ergeben keine Anhaltspunkte für Unsachlichkeit oder Parteilichkeit eines der abgelehnten Richter. Bis auf die den Richtern vorgehaltene Bezugnahme auf Presseberichte über das gegen den Kläger durchgeführte Strafverfahren wendet der Kläger Fehler bei der Anwendung von Verfahrens- und von Umsatzsteuerrecht im Prozeß wegen der Rechtmäßigkeit der Steuerbescheide 1977, 1980 bis 1983 ein. Nachdem dieses Verfahren unanfechtbar abgeschlossen ist, kann über die inhaltliche Berechtigung dieser Rügen nicht im vorliegenden Verfahren entschieden werden. Selbst wenn die abgelehnten Richter in einem anderen Verfahren fehlerhaft entschieden haben sollten, begründet dies nicht ohne weitere Anhaltspunkte eine Besorgnis der Befangenheit bei der Entscheidung in einem späteren Verfahren (vgl. dazu auch BFH-Beschluß vom 25. Juni 1991 VII B 111/90, BFH/NV 1992, 253; Günther, Neue Juristische Wochenschrift 1986, 281, 285f.). Vielmehr müssen Gründe für ein willkürliches oder unsachliches Verhalten eines Richters dargetan werden.

Eine solche Besorgnis ergibt sich auch nicht aus der Gemeinschaft der geschilderten Gründe einschließlich der beanstandeten Bezugnahme auf Presseberichte in der Entscheidung über die Nichtabhilfe wegen der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Verfahren ... Die den abgelehnten Richtern vorgehaltene Bezugnahme auf die der Nichtabhilfeentscheidung beigefügten Presseberichte ist im Zusammenhang mit bestimmten, in der Begründung zur Nichtzulassungsbeschwerde enthaltenen Darlegungen des Klägers über den Verlauf des Strafverfahrens zu würdigen. Unter ausdrücklichem Hinweis auf diesen Teil der Beschwerdebegründung wird in der Nichtabhilfeentscheidung in zwei Zeilen ausgeführt, daß dem FG der Verlauf des Strafverfahrens aus den der Entscheidung beigefügten Presseberichten bekanntgeworden sei. Diese Ausführungen lassen keine Voreingenommenheit gegenüber dem Kläger in künftigen Verfahren, sondern nur das Bemühen der abgelehnten Richter erkennen, die für Nichtabhilfeentscheidung maßgebenden Gründe offenzulegen und eine Überprüfung durch den BFH als Beschwerdegericht zu ermöglichen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 419245

BFH/NV 1994, 556

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