Entscheidungsstichwort (Thema)
Divergenzbeschwerde -- Gesellschafterhaftung
Leitsatz (NV)
1. Zur Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde wegen Divergenz.
2. Der unternehmerisch tätige, wenn auch berufsfremde Beteiligte an einer zum Betrieb einer Steuerberatungspraxis errichteten Gesellschaft bürgerlichen Rechts (Innengesellschaft) kommt als mithaftender Gesellschafter für die Umsatzsteuerschulden der Gesellschaft in Betracht.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3 S. 3; AO 1977 § 191 Abs. 1
Tatbestand
Der Rechtsvorgänger der Klägerin und Beschwerdeführerin, ihr verstorbener Ehemann W, wurde von dem beklagten Finanzamt als Haftungsschuldner für Umsatzsteuerschulden einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) -- Steuerberatungspraxis -- in Anspruch genommen, die zwischen dem Steuerberater O und -- als Berufsfremdem -- W bestanden habe. Das Finanzgericht (FG) wies die gegen den Haftungsbescheid vom ... i. d. F. der Einspruchsentscheidung gerichtete Klage ab. Es führte aus, zwischen O und W habe in den Streitjahren (1976 bis 1980) eine GbR in Form einer Innengesellschaft zum Zwecke des gemeinsamen Betriebs der Steuerberaterpraxis bestanden. Die Gesellschafter seien als Mitunternehmer anzusehen. Als Gesellschafter der GbR hafte W für deren Umsatzsteuerschulden (z. B. Bundesfinanzhof -- BFH --, Urteil vom 23. Oktober 1985 VII R 187/82, BFHE 145, 13, BStBl II 1986, 156).
Mit ihrer Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision beruft die Klägerin sich auf Divergenz zu näher bezeichneten BFH- Entscheidungen (darunter das Senatsurteil in BFHE 145, 13) und auf grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache. Der Haftungsbescheid betreffe eindeutig die GbR und sei dem W als gesetzlichem Vertreter (Zustellungsvertreter) zugegangen. Indem das FG den Bescheid als Haftungsbescheid gegen W angesehen habe, habe es den elementaren Grundsatz mißachtet, daß der Steuerschuldner eindeutig benannt werden müsse.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
Soweit die Klägerin Divergenz (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --) rügt, kann sich bereits fragen, ob dem Bezeichnungserfordernis nach § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO (hierzu Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl. 1993, § 115 Anm. 63) genügt worden ist. Die Klägerin hat zwar Rechtssätze aus BFH-Entscheidungen herausgezogen, von denen die Vorentscheidung angeblich abweicht. Sie hat aber -- zumindest ausdrücklich -- keine aus der Vorentscheidung gewonnenen abstrakten Rechtssätze aufgestellt, die der Rechtsprechung des BFH widersprechen, sondern lediglich ausgeführt, die Vorentscheidung weiche von der höchstrichterlichen Rechtsprechung ab und beruhe auf dieser Abweichung. Es kann indessen offenbleiben, ob Divergenz ordnungsgemäß bezeichnet worden ist. Selbst wenn hiervon ausgegangen wird, kann die Revision nicht aufgrund von § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zugelassen werden, weil eine Abweichung nicht vorliegt.
Das gilt zunächst in Hinblick auf das BFH- Urteil vom 9. Oktober 1986 IV R 235/84 (BFHE 148, 42, BStBl II 1987, 124). Nach dieser Entscheidung erzielen ein Steuerberater und eine berufsfremde Person, die sich zum gemeinsamen Betrieb einer Steuerberatungspraxis in Form einer GbR (Innengesellschaft) zusammenschließen, als Mitunternehmer Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Über die Haftung der Gesellschafter einer GbR für deren Umsatzsteuerschulden sagt die Entscheidung nichts aus. Dasselbe gilt für das weiter von der Klägerin angeführte BFH-Urteil vom 12. November 1985 VIII R 364/83 (BFHE 145, 408, BStBl II 1986, 311), in dem ausgesprochen wird, daß eine atypische stille Gesellschaft und der atypische stille Gesellschafter nicht Steuerschuldner im gewerbesteuerrechtlichen Sinne sind. Hinsichtlich der Haftung wird in dieser Entscheidung sogar ausdrücklich ausgeführt, daß die Gesellschafter -- schlechthin -- (nur noch) als Haftungsschuldner für die (Gewerbe-)Steuerschuld des Unternehmens in Anspruch genommen werden können (BFHE 145, 408, 420).
Eine Abweichung liegt auch hinsichtlich des Senatsurteils in BFHE 145, 13 nicht vor. In dieser Entscheidung hat der Senat nicht etwa erkannt, daß der Gesellschafter einer GbR für deren Umsatzsteuerschulden nur dann als Haftender herangezogen werden könne, wenn er als Gesellschafter nach außen aufgetreten ist. Der Senat hat vielmehr lediglich auf den Rechtsgrund der Gesellschafterhaftung hingewiesen, der darin zu sehen ist, daß aus dem Auftreten der in der GbR gemeinschaftlich verbundenen Gesellschafter im Rechtsverkehr eine Umsatzsteuerschuld entsteht. Selbst wenn dieser Entscheidung zu entnehmen wäre, daß ein "Auftreten im Rechtsverkehr" zum Haftungstatbestand gehört, so wäre die Art der gemeinsamen Tatbestandsverwirklichung nicht einengend dahin umschrieben, daß der Beteiligte an einer zum Betrieb einer Steuerberatungspraxis errichteten GbR, wenn er aus lediglich berufsrechtlichen Gründen nicht als deren (Mit-)Inhaber tätig werden kann, als Haftungsschuldner ausscheide. Ein Rechtssatz dieses Inhalts kann der Senatsentscheidung keinesfalls entnommen werden. Ihr widerspricht es somit nicht, wenn der Beteiligte an einer GbR, die -- hier aus berufsrechtlichen Gründen -- als bloße Innengesellschaft errichtet ist, aufgrund seiner in tatsächlicher Hinsicht festgestellten, abgesehen von der fehlenden Inhaberschaft auch nach außen in Erscheinung tretenden Mitunternehmerschaft (mit Mitunternehmerrisiko und -initiative) zur Gesellschafterhaftung für Umsatzsteuerschulden der GbR herangezogen wird (anders der stille Gesellschafter; vgl. hierzu Senatsurteil vom 18. September 1990 VII R 110/89, BFH/NV 1991, 574). In diesem Zusammenhang ist auch auf das Urteil vom 27. Juni 1989 VII R 100/86 (BFHE 158, 1, 5, BStBl II 1989, 952) zu verweisen, in dem der Senat erkannt hat, daß die unternehmerisch tätige GbR der gemeinschaftlichen Teilnahme am Rechtsverkehr dient.
Der Divergenzrüge läßt sich auch keine Frage von grundsätzlicher Bedeutung entnehmen, die als solche die Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO rechtfertigen könnte (hierzu Gräber/Ruban, a.a.O., Anm. 69). Die Frage, unter welchen Umständen von einer unternehmerisch tätigen GbR oder von einer Mitunternehmerschaft gesprochen werden kann, ist einzelfallbezogen.
Mit der Rüge, das FG habe einen gegen die GbR gerichteten Bescheid zu Unrecht als Haftungsbescheid gegen den Rechtsvorgänger der Klägerin gewertet, wird keine Frage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen. Im übrigen ergibt sich aus den Akten, daß die GbR in dem gegen W ergangenen Haftungsbescheid nur als Steuerschuldnerin aufgeführt worden ist.
Fundstellen
Haufe-Index 420049 |
BFH/NV 1995, 90 |