Entscheidungsstichwort (Thema)
Kostenentscheidung nach Hauptsacheerledigung
Leitsatz (NV)
Ist der mutmaßliche Ausgang des Rechtsstreits ungewiß, entspricht es grundsätzlich billigem Ermessen, die Kosten zu teilen.
Normenkette
FGO § 138 Abs. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) war Leiharbeitnehmer der Firma in A. Im Rahmen dieses Leiharbeitnehmerverhältnisses war er seit 21. Januar 1985 bei der Firma in E tätig. Er bewohnte dort während der Woche ein 8 qm großes Zimmer. An den Wochenenden fuhr er nach K, wo er eine eigene Wohnung hat und sich sein Lebensmittelpunkt befindet.
Am 10. November 1986 stellte der Kläger einen Antrag auf Lohnsteuerermäßigung für 1987, mit dem er folgende Aufwendungen geltend machte:
Fahrtkosten für Heimfahrten nach K 3 056 DM
abzüglich vom Arbeitgeber steuerfrei ersetzt ./. 1 200 DM 1 856 DM
Stadtverkehr E pauschal 300 DM
Gewerkschaft 600 DM
Kosten der Unterkunft am Arbeitsort
(Zimmermiete monatlich 190 DM x 12) 2 280 DM
10 Pakete à 40 DM für Angehörige in der DDR 400 DM
Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA -) berücksichtigte bei der Ermittlung des Jahresfreibetrags die geltend gemachten Aufwendungen mit Ausnahme der Kosten für Zimmermiete am Arbeitsort. Danach ergab sich ein Jahresfreibetrag von 2 592 DM (Monatsbetrag 216 DM). Hierüber erteilte das FA einen schriftlichen Bescheid, gegen den der Kläger nach erfolglosem Einspruchsverfahren Klage erhob.
Zur Begründung seiner Klage machte der Kläger u. a. geltend, seine Beschäftigung in E basiere auf sog. Bestellzettelverträgen, die jeweils auf 1/4 Jahr geschlossen würden. Deshalb könne ihm der Umzug nach E nicht zugemutet werden.
Während des Klageverfahrens teilte der Kläger mit Schreiben vom 30. Juli 1987 mit, daß sein Arbeitsverhältnis mit der Firma in A zwischenzeitlich beendet worden sei.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Zur Begründung führte es im wesentlichen aus: Als Lediger führe der Kläger keinen doppelten Haushalt, weil er nicht mit einem von ihm finanziell abhängigen Angehörigen zusammenlebe. Ob die Anerkennung der Mietaufwendungen als Werbungskosten in Betracht komme, weil der Kläger die Voraussetzungen einer nur vorübergehenden auswärtigen Beschäftigung von verhältnismäßig kurzer Dauer erfülle, könne offenbleiben. Denn da er dem Gericht mit Schreiben vom 30. Juli 1987 mitgeteilt habe, daß sein Arbeitsverhältnis mit der Firma in A inzwischen beendet worden sei, könne das Arbeitsverhältnis allenfalls bis zum 30. Juni 1987 bestanden haben. Das bedeute, daß die im Lohnsteuerermäßigungsverfahren als Aufwendungen für Miete am Beschäftigungsort, für Heimfahrten und den Stadtverkehr in E mangels besserer Anhaltspunkte lediglich zur Hälfte zu berücksichtigen seien. Dann aber sei der Freibetrag selbst unter Berücksichtigung der Unterkunftskosten am Beschäftigungsort nicht zu niedrig angesetzt worden.
Gegen die Nichtzulassung der Revision richtete sich die Beschwerde des Klägers, mit der dieser grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend machte und Divergenz sowie einen Verfahrensmangel rügte.
Mit Schreiben vom 24. Mai 1988 zeigte der Kläger an, daß die Hauptsache erledigt sei, weil das Lohnsteuerausgleichsverfahren 1987 rechtskräftig abgeschlossen und damit das Rechtsschutzinteresse entfallen sei; die Durchführung eines Feststellungsverfahrens sei nicht beabsichtigt.
Auch das FA hat den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt.
Entscheidungsgründe
Entsprechend den übereinstimmenden Erklärungen der Beteiligten ist von der Erledigung des gesamten Rechtsstreits in der Hauptsache auszugehen und nur noch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden (Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 13. Juni 1972 VII B 46/71, BFHE 106, 17, BStBl II 1972, 706).
Die Beteiligten haben die Kosten des gesamten Verfahrens je zur Hälfte zu tragen.
Die Kostenentscheidung ist nach § 138 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zu treffen. Denn die Voraussetzungen des § 138 Abs. 2 FGO sind nicht erfüllt, weil das FA den angefochtenen Verwaltungsakt, nämlich den Bescheid über den nach Auffassung des Klägers zu niedrigen Ermäßigungsbetrag, weder zurückgenommen noch geändert hat.
Nach § 138 Abs. 1 FGO ist über die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu entscheiden.
Bei einer genauen Prüfung des bisherigen Sach- und Streitstandes müßte der Senat die Erfolgsaussichten sowohl der eingelegten Nichtzulassungsbeschwerde als auch einer - nach Zulassung der Revision - einzulegenden Revision abwägen. Hiervon sieht der Senat entsprechend dem Vereinfachungszweck der Vorschrift und mit Rücksicht auf den sich hieraus ergebenden erheblichen Entscheidungsspielraum ab, zumal die Rechtsauffassung des Klägers, nach Stellung des Ermäßigungsantrags eintretende Umstände könnten nicht zu einer Minderung des einzutragenden Betrags führen, keineswegs zweifelsfrei ist. Denn da das FA seine Entscheidung über die Eintragung des Freibetrags innerhalb der Festsetzungsfrist grundsätzlich jederzeit von Amts wegen auch rückwirkend ändern kann (Hartz/Meeßen/Wolf, ABC-Führer Lohnsteuer, Stichwort: LSt-Ermäßigungsverfahren zu IV), könnte manches dafür sprechen, daß die gleiche Befugnis auch dem FG im vorliegenden Klageverfahren zustand. Zu berücksichtigen ist auch, daß selbst bei einer Bestätigung der Rechtsauffassung des Klägers die letztendliche Entscheidung des Rechtsstreits zu seinen Gunsten von der weiteren Frage abgehangen hätte, ob tatsächlich eine auswärtige Beschäftigung ,,von verhältnismäßig kurzer Dauer" vorlag. Hierzu wären vom FG noch Feststellungen zu treffen gewesen.
Da mithin der mutmaßliche Ausgang des Rechtsstreits ungewiß ist, kommt nur eine Kostenteilung in Betracht (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 138 Anm. 28, m.w.N.).
Wegen der Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache ist die Vorentscheidung zugleich für wirkungslos zu erklären.
Fundstellen
Haufe-Index 415918 |
BFH/NV 1989, 190 |