Entscheidungsstichwort (Thema)
Unzulässige Nichtzulassungsbeschwerde; Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
Leitsatz (NV)
1. Dem Kläger kann nicht nach § 56 Abs. 1 FGO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist des § 115 Abs. 3 Satz 1 FGO gewährt werden, wenn er die versäumte Rechtshandlung nicht in einer der Vorschrift des § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO genügenden Art und Weise nachgeholt hat.
2. Zu den Anforderungen an die Darlegung einer klärbaren Rechtsfrage im Erlaßverfahren.
Normenkette
FGO § 56 Abs. 1, § 115 Abs. 3 Sätze 1, 3; UStG 1980 § 3a Abs. 2 Nr. 4
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA -) verpflichtet ist, die bestandskräftig festgesetzte Umsatzsteuer für die Streitjahre (1980 und 1981) zu erlassen.
Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) vermietete mehrere Segelyachten mit Liegeplätzen im ehemaligen Jugoslawien. Aufgrund einer Betriebsprüfung vertrat das FA die Auffassung, der Kläger habe diese Leistungen gemäß § 3a Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1980 im Erhebungsgebiet ausgeführt und unterwarf die Vermietungsumsätze der Umsatzsteuer. Der hiergegen gerichtete Einspruch des Klägers war wegen Fristversäumnis unzulässig.
Den auf sachliche Unbilligkeit der Steuererhebung gestützten Erlaßantrag wies das FA zurück. Beschwerde und Klage blieben erfolglos.
Der Kläger hat gegen die am 26. November 1992 zugestellte Entscheidung des Finanzgerichts (FG) am 17. Dezember 1992 Revision und Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt, diese aber nicht begründet. Am 14. Januar 1993 hat er beantragt, die etwaig am 16. Januar 1993 abgelaufene Revisionsbegründungsfrist und Begründungsfrist zur Nichtzulassungsbeschwerde zu verlängern. Auf den Hinweis der Senatsgeschäftsstelle vom 25. Januar 1993, daß die Frist zur Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde nicht verlängerbar sei, hat der Kläger am 11. Februar 1993 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und einen Schriftsatz vom 16. Dezember 1992 zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde beigelegt.
Mit der Nichtzulassungsbeschwerde macht der Kläger grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -) und Divergenz (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) geltend.
Das FA ist der Nichtzulassungsbeschwerde entgegengetreten.
Entscheidungsgründe
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig.
Dem Kläger kann nicht nach § 56 Abs. 1 FGO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist des § 115 Abs. 3 Satz 1 FGO gewährt werden, da er die versäumte Rechtshandlung nicht in einer der Vorschrift des § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO genügenden Art und Weise nachgeholt hat. Auch in dem Schriftsatz vom 16. Dezember 1992, der beim Bundesfinanzhof (BFH) am 11. Februar 1993 einging, fehlt es an einer ausreichenden Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) und Bezeichnung der Entscheidung des BFH, von der das Urteil des FG abweichen soll.
1. Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, wenn eine Rechtsfrage zu entscheiden ist, an deren Beantwortung ein allgemeines Interesse besteht, weil die Klärung der Rechtsfrage das Interesse der Allgemeinheit an der Fortentwicklung und Handhabung des Rechts betrifft. Es muß sich um eine aus rechtssystematischen Gründen bedeutsame und auch für die einheitliche Rechtsanwendung wichtige Frage handeln (vgl. Beschlüsse vom 27. Juni 1985 I B 23/85, BFHE 144, 133, BStBl II 1985, 605, m.w.N., und vom 1. Juli 1992 II B 160/91, BFH/NV 1993, 305). Das Vorliegen dieser Voraussetzungen muß in der Beschwerdebegründung schlüssig und substantiiert dargelegt werden. Dazu genügt die bloße Behauptung, die Streitsache habe grundsätzliche Bedeutung, nicht. Der Beschwerdeführer muß vielmehr konkret auf die Rechtsfrage, ihre Klärungsbedürftigkeit und ihre über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung eingehen (vgl. BFH-Beschluß vom 30. März 1983 I B 9/83, BFHE 138, 152, BStBl II 1983, 479).
Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdeschrift nicht.
Der Beschwerdebegründung mag zwar der Vortrag des Klägers entnommen werden können, er habe seinem Vertragspartner keine Umsatzsteuer in Rechnung gestellt, weil er der - wie sich mittlerweile herausgestellt habe - irrigen Ansicht gewesen sei, die Yachten seien keine Beförderungsmittel und deshalb gemäß § 3a Abs. 2 Nr. 4 UStG 1980 im Ausland vermietet worden; er begehre daher den Erlaß der (nicht abgewälzten) Umsatzsteuer. Daß die damit aufgeworfene Rechtsfrage nach der Begründetheit des Erlaßanspruchs im Interesse der Allgemeinheit geklärt werden muß, kann der Beschwerdebegründung aber nicht entnommen werden. Die vom Kläger in diesem Zusammenhang aufgeworfene Frage, inwieweit im Erlaßverfahren eine spätere Entwicklung der Rechtsprechung berücksichtigt werden muß, ist so allgemein, daß damit keine klärungsfähige Rechtsfrage dargelegt ist.
2. Soweit der Kläger (sinngemäß) eine Abweichung der Vorentscheidung von dem BFH-Urteil vom 5. Mai 1977 IV R 116/75 (BFHE 122, 283, BStBl II 1977, 639) rügt (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO), hat er keinen abstrakten Rechtssatz aus dem Urteil des Senats dargelegt (§ 115 Abs. 3 Satz 3 FGO), der mit abstrakten Rechtssätzen der Vorentscheidung unvereinbar ist (vgl. die ständige Rechtsprechung des BFH, z.B. BFH-Beschlüsse in BFH/NV 1993, 305ff., m.w.N., und in BFHE 138, 152, BStBl II 1983, 479). Der Kläger macht im Kern seiner Ausführungen nur eine fehlerhafte tatsächliche und rechtliche Würdigung im Streitfall geltend. Das rechtfertigt jedoch keine Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO.
Fundstellen