Leitsatz (amtlich)
§ 115 Abs. 3 Satz 1 FGO enthält eine Ausschlußfrist, die nicht verlängert werden kann. Bei Ihrer Versäumung kann Wiedereinsetzung in den vorigen Stand unter den Voraussetzungen des § 56 FGO gewährt werden.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 3 S. 1, § 56
Tatbestand
Das Finanzgericht (FG) hat die Klage des Klägers und Beschwerdeführers als unbegründet zurückgewiesen und den Wert des Streitgegenstandes für das Klageverfahren auf 36 DM festgesetzt. Das FG-Urteil ist dem Beschwerdeführer am 27. Januar 1968 zugestellt worden.
Am 26. Februar 1968 ging die Nichtzulassungsbeschwerde des Beschwerdeführers beim FG ein. Für die Begründung der Beschwerde erbat der Beschwerdeführer eine Frist bis zum 1. April 1968, weil er als Mitglied mehrerer Prüfungsausschüsse bei Abschlußprüfungen der Berufs- und Berufsfachschulen beteiligt und dadurch arbeitsmäßig stark in Anspruch genommen sei. Dieser Fristverlängerungsantrag wurde vom FG. soweit aus den Akten ersichtlich, nicht beantwortet, ebensowenig ein nochmaliger Antrag – eingegangen beim FG am 1. April 1968 –, mit dem der Beschwerdeführer Fristverlängerung bis zum 15. April 1968 beantragte. Die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde ging am 16. April 1968 beim FG ein.
Der Vorsitzende des Senats bat den Beschwerdeführer mit Schreiben vom 21. Juni 1968 darauf hingewiesen, daß es sich bei der in § 115 Abs. 3 FGO bestimmten Frist um eine nicht verlängerungsfähige Ausschlußfrist handelt, daß jedoch unter den Voraussetzungen des § 56 FGO eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt werden kann. Der Beschwerdeführer hat daraufhin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Er bringt vor: Aus der Nichtbeantwortung seiner Fristverlängerungsanträge durch das FG sei zu schließen gewesen, daß die begehrte Fristverlängerung genehmigt und rechtens gewesen sei. Das FG hätte auf die Ausschlußfrist des § 115 Abs. 3 FGO hinweisen müssen. Es stelle eine Überforderung der Steuerpflichtigen dar, Einzelkenntnisse der FGO zu verlangen. Wenn das FG in der Rechtsmittelbelehrung oder durch einen Hinweis auf die Ausschlußfrist hingewiesen hätte, hätte er sich vertreten lassen. Wegen der Überlastung mit beruflichen Arbeiten sei er nicht in der Lage gewesen, die Beschwerde termingerecht zu begründen. Sein derzeitiger schlechter Gesundheitszustand sei erschwerend dazugekommen.
Entscheidungsgründe
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, denn sie ist nicht fristgerecht begründet worden (§ 115 Abs. 3 FGO). Die Begründungsfrist war am 27. Februar 1968 abgelaufen, während die Begründung erst am 16. April 1968 beim FG einging.
Die Ausschlußfrist des § 115 Abs. 3 FGO kann nicht verlängert werden. Ihre Versäumung hat zur Folge, daß der Beteiligte mit seinem Beschwerderecht ausgeschlossen wird.
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 56 FGO) kann dem Beschwerdeführer nicht gewährt werden. Die vorgetragenen Gründe rechtfertigen nicht die Annahme, der Beschwerdeführer sei ohne Verschulden gehindert gewesen, die Begründungsfrist einzuhalten.
Der Rechtsirrtum des Beschwerdeführers über die Verlängerungsmöglichkeit der Begründungsfrist ist kein entschuldbarer Säumnisgrund. Diesen Rechtsirrtum hat nicht das FG zu vertreten. Das FG ist seiner Verpflichtung, eine richtige und vollständige Rechtsmittelbelehrung zu erteilen, nachgekommen. Die Rechtsmittelbelehrung brachte die dem Gesetz entsprechenden Hinweise.
Nach § 115 Abs. 3 Satz 1 und 2 FGO muß die Beschwerde innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils bei dem FG eingehen. Nach § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO muß in der Beschwerdeschrift selbst die grundsätzliche Bedeutung usw. dargelegt werden. Das kann nur dahin verstanden werden, daß diese Darstellung, ist sie nicht bereits in die Beschwerdeschrift übernommen, doch jedenfalls innerhalb der Beschwerdefrist beim FG eingehen muß. Das FG hat sich, wie andere FG'e auch, bei der Fassung seiner Rechtsmittelbelehrung an den vom Gesetzgeber bei der Ausgestaltung der Nichtzulassungsbeschwerde für ausreichend und erforderlich angesehenen Gesetzestext gehalten (§ 115 FGO). Eine weitere Erläuterung oder Erklärung ist von einer Rechtsmittelbelehrung nicht zu erwarten.
Das FG hat dem Beschwerdeführer auf seinen Fristverlängerungsantrag zwar nicht mitgeteilt, daß es dem Antrag nicht stattgeben könne, weil die Frist des § 115 Abs. 3 Satz 1 FGO eine Ausschlußfrist ist. Diese Mitteilung hätte die Fristversäumnis jedoch nicht aufhalten können. Der Fristverlängerungsantrag des Beschwerdeführers ist am 26. Februar 1968 beim FG eingegangen. Bis zum Folgetag, an dem die Frist bereits ablief, hätte dem Beschwerdeführer die Fristablehnung auch bei beschleunigter Bearbeitung nicht mehr zugestellt werden können. Der Beschwerdeführer hätte seine Begründung somit nicht mehr vor Ablauf der Frist einreichen können.
Die Fristversäumnis hat der Beschwerdeführer allein zu vertreten. Er hätte sich vor dem Ablauf der Frist vergewissern müssen, ob die Verlängerung bewilligt worden ist. Er konnte sich nicht darauf verlassen, daß seinem Antrag stattgegeben werden würde (vgl. auch den Beschluß des Bundesfinanzhofs – BFH – II R 8/68 vom 20. Juni 1968, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bd. 93 S. 30 – BFH 93, 30 –, BStBl II 1968, 659; Klinger, Verwaltungsgerichtsordnung, 2. Aufl., § 60 B 1, Fußnote b). Überdies ist seine Begründung erst am 16. April 1968, also nach der von ihm beantragten Frist, beim FG eingegangen.
Die Arbeitsüberlastung ist ebenfalls kein Grund zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Einlegung und Begründung von Rechtsmitteln sind fristgebunden und deshalb vordringlich. Der Rechtsmittelführer braucht diese Arbeiten jedoch nicht selbst zu verrichten. Er kann sich durch einen Bevollmächtigten vertreten lassen. Notfalls müssen seine anderen Arbeiten hinter den Prozeßhandlungen zurücktreten (Urteile des BFH V R 130/67 vom 22. Februar 1968, BFH 91, 303, BStBl II 1968, 312, mit Hinweisen auf weitere BFH-Urteile; II R 8/68, a. a. O.).
Schließlich kann auch die Erwähnung des schlechten Gesundheitszustandes des Beschwerdeführers die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht rechtfertigen. Krankheit ist nur dann ein Wiedereinsetzungsgrund, wenn der Steuerpflichtige durch sie an der Wahrnehmung der Prozeßhandlung selbst verhindert und auch zur Bestellung eines Vertreters nicht in der Lage war (Ziemer-Birkholz, Finanzgerichtsordnung, § 56 Anm. 22).
Fundstellen
Haufe-Index 514842 |
BFHE 1968, 512 |