Leitsatz (amtlich)

1. Die Erörterung der Sache vor dem Berichterstatter ist keine mündliche Verhandlung im Sinne von § 31 Nr. 2 BRAGebO.

2. Der Beschluß, der über die Kosten entscheidet, nachdem die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist keine Entscheidung im Sinne des § 117 Abs. 2 BRAGebO.

 

Normenkette

FGO §§ 79, 139 Abs. 3, §§ 143, 149 S. 1; BRAGO § 13 Abs. 2, § 31 Nr. 2, § 37 Nr. 7, § 114 Abs. 1, § 117 Abs. 2

 

Tatbestand

Bevor über die Klage der Steuerpflichtigen gegen das FA entschieden war, erklärten die Beteiligten in dem Termin vor dem Berichterstatter des FG übereinstimmend den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt. Zuvor hatten sie in diesem Termin die Sach- und Rechtslage erörtert. Dabei hatte der Prozeßbevollmächtigte der Steuerpflichtigen einen Antrag zur Hauptsache gestellt. Durch Beschluß vom 13. Februar 1967 entschied das FG, daß die Kosten dem FA zur Last fallen. Mit dem Antrag auf Kostenfestsetzung machten die Steuerpflichtigen auch eine Verhandlungsgebühr in Höhe von 793 DM geltend. Nachdem der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle dem Antrag zunächst entsprochen und die zu erstattenden Kosten auf 2 494,96 DM festgesetzt hatte, hob er seine Entscheidung auf die Erinnerung des FA wieder auf, lehnte die Festsetzung einer Verhandlungsgebühr ab und setzte die zu erstattenden Kosten auf 1 670,24 DM fest. Die Erinnerung der Steuerpflichtigen wies das FG durch Beschluß vom 3. April 1967 zurück. Gegen den Beschluß ließ es die Beschwerde zu.

Die Steuerpflichtigen legten daraufhin Beschwerde ein. Sie beantragen, den Beschluß aufzuheben und gemäß dem ursprünglichen Kostenfestsetzungsbeschluß die zu erstattenden Kosten auf 2 494,96 DM festzusetzen. Zur Begründung führten sie aus, die Erörterung vor dem Einzelrichter sei üblich. In der Ladung zu dem Erörterungstermin sei darauf hingewiesen worden, daß beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt werden könne.

Das FA beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Beschwerde ist zulässig (§§ 148 Abs. 3 Satz 2, 149 Satz 2 FGO), aber nicht begründet.

Eine Verhandlungsgebühr ist nicht festzusetzen (§ 149 Satz 1 FGO). Für die Erörterung der Sache vor dem Berichterstatter nach § 79 FGO ist eine Verhandlungsgebühr nach der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte (BRAGebO) nicht vorgesehen. Eine solche Erörterung ist keine mündliche Verhandlung im Sinne von § 31 Nr. 2 BRAGebO, der gemäß § 114 Abs. 1 BRAGebO für Verfahren vor den FG sinngemäß gilt (vgl. Hübschmann-Hepp-Spitaler, Kommentar zur Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung und den Nebengesetzen, V, 1. bis 5. Aufl., § 139 FGO, Anm. 30; Tipke-Kruse, Reichsabgabenordnung, Kommentar, 2. bis 3. Aufl., § 139 FGO, A 17; Riedel-Corves-Sußbauer, Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte, 2. Aufl., § 114 Rdnr. 9; Gerold-Schmidt, Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte, 3. Aufl., § 114 Anm. 10). Die mündliche Verhandlung im Sinne von § 31 Nr. 2 BRAGebO ist die mündliche Verhandlung vor dem Senat (Hübschmann-Hepp-Spitaler, a. a. O.). Ihr steht die Erörterung vor dem Berichterstatter nicht gleich (vgl. Urteil des BFH VI 260/64 U vom 26. März 1965, BFH 82, 522, BStBl III 1965, 435; Hübschmann-Hepp-Spitaler, a. a. O., § 79 FGO, Anm. 3; Tipke-Kruse, a. a. O., § 79 FGO, A 3; Boeker, Kostenrecht im steuerlichen Rechtsmittelverfahren, 2. Aufl., S. 73 ff.). Für die Frage, ob dem Rechtsanwalt eine Gebühr nach § 31 Nr. 2 BRAGebO zusteht, sind die Ladung und ihr Inhalt ohne Bedeutung. Maßgebend ist vielmehr, ob der Gebührentatbestand des § 31 Nr. 2 BRAGebO erfüllt ist (vgl. Riedel-Corves-Sußbauer, a. a. O., § 1 Rdnr. 41).

Dem Prozeßbevollmächtigten kann eine Verhandlungsgebühr auch nicht nach § 117 Abs. 2 BRAGebO zugestanden werden.

§ 117 BRAGebO ist entsprechend seinem Wortlaut eine Spezialvorschrift für das finanzgerichtliche Verfahren. Deshalb ist § 117 Abs. 2 BRAGebO auch im Hinblick auf § 35 BRAGebO weiterhin anwendbar (vgl. Riedel-Corves-Sußbauer, a. a. O., § 117 Rdnr. 4; Tipke-Kruse, a. a. O., § 139 FGO, A 17). Die Vorschrift setzt voraus, daß in einem Verfahren eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung ergangen ist. In dem Verfahren, das die Klage der Steuerpflichtigen zum Gegenstand hatte, ist eine Entscheidung nicht ergangen. Die Kostenentscheidung durch den Beschluß vom 13. Februar 1967 ist nicht eine solche Entscheidung (vgl. Hübschmann-Hepp-Spitaler, a. a. O., § 139 FGO, Anm. 31; Lauterbach, Kostengesetze, 15. Aufl., § 117 BRAGebO, Anm. 3 B; Beschluß des Niedersächsischen FG IV 4/66 E vom 20. Juni 1966, EFG 1966, 518; a. A. Tipke-Kruse, a. a. O., § 139 FGO, A 17). Als dieser Beschluß erging, war das Klageverfahren bereits durch die Erledigung der Hauptsache beendet (vgl. Tipke-Kruse, a. a. O., § 143 FGO, A 2, Beschlüsse des FG Baden-Württemberg, I 119/68 vom 6. Juni 1968, EFG 1968, 366, und des FG München, III 115/67 vom 23. Januar 1968, EFG 1968, 174). Wie sich auch aus § 143 Abs. 1 FGO ergibt, wird ein Verfahren durch die Erledigung der Hauptsache beendet, wenn ein Urteil nicht ergeht. Aus dieser Vorschrift ergibt sich außerdem, daß die Kostenentscheidung im Falle der Erledigung der Hauptsache nicht mehr in dem Klageverfahren getroffen wird (vgl. Hübschmann-Hepp-Spitaler, a. a. O., § 143 FGO, Anm. 3).

Der hier vertretenen Auffassung steht § 37 Nr. 7 BRAGebO nicht entgegen. Nach dieser Vorschrift gehört die Kostenentscheidung zum Rechtszug im Sinne der BRAGebO (§ 13 Abs. 2 Satz 2). Der verfahrensrechtliche Rechtszug und der Rechtszug im Sinne der BRAGebO decken sich jedoch nicht (Riedel-Corves-Sußbauer, a. a. O., § 13 Rdnr. 13; Lauterbach, a. a. O., § 13 BRAGebO, Anm. 3 A, § 37 Anm. 1). Ob eine Entscheidung als Entscheidung im Sinne von § 117 Abs. 2 BRAGebO berücksichtigt werden kann, kann nur nach verfahrensrechtlichen Vorschriften entschieden werden, da das Verfahren, zu dem die Entscheidung gehört, durch diese Vorschriften begrenzt wird.

Die Frage, ob § 117 Abs. 2 BRAGebO für das Klageverfahren anzuwenden gewesen wäre, wenn das Gericht durch Urteil über die Erledigung der Hauptsache und über die Kosten entschieden hätte (vgl. Urteil des FG Hamburg V 49/64 vom 26. Februar 1965, EFG 1965, 293; Riedel-Corves-Sußbauer, a. a. O., § 117 Anm. 3), braucht hier nicht entschieden zu werden.

Die Kostenentscheidung vermag auch nicht eine Verhandlungsgebühr in der Höhe auszulösen, die den Kosten als Streitwert entsprechen würde (vgl. die genannten Beschlüsse des FG Baden-Württemberg und des FG München). Nach § 37 Nr. 7 BRAGebO gehört diese Entscheidung zum Rechtszug im Sinne der BRAGebO. Sie wird daher auch mit den Gebühren abgegolten, die in dem Rechtszug nach den dafür maßgebenden Vorschriften der BRAGebO enstanden sind (vgl. § 13 Abs. 2 BRAGebO).

 

Fundstellen

Haufe-Index 67775

BStBl II 1968, 826

BFHE 1968, 408

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