Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirksamkeit einer Klagerücknahme
Leitsatz (NV)
- Die Frage, ob überhaupt eine Klagerücknahme vorliegt und ob diese wirksam geworden ist, ist eine Tatsachen- und keine Rechtsfrage.
- In der Rechtsprechung ist geklärt, dass Prozesshandlungen, die ohne schriftliche Vollmacht vorgenommen wurden, auf andere Weise als durch schriftliche Vollmacht genehmigt werden können.
- Für die Eindeutigkeit einer Klagerücknahme ist nicht stets die wörtliche Formulierung, die Klage werde zurückgenommen, erforderlich; es genügt, dass die Absicht zur Rücknahme der Klage hinreichend deutlich gemacht wird.
Normenkette
FGO § 62 Abs. 3, §§ 72, 115
Gründe
Die Nichtzulassungsbeschwerde hat keinen Erfolg.
1. a) Die von den Klägern und Beschwerdeführern (Kläger) aufgeworfenen Fragen zur Klagerücknahme der Klägerin zu 2 sind nicht klärungsfähig oder klärungsbedürftig.
Die Frage, ob überhaupt eine Klagerücknahme vorliegt und ob diese wirksam geworden ist, ist eine Tatsachen- und keine Rechtsfrage.
Die Frage, ob bei fehlender vorgelegter schriftlicher Vollmacht im Falle einer Klagerücknahmeerklärung eine zulässige Klagerücknahme vorliegt, ist nicht klärungsbedürftig. Bereits § 62 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO), wonach die Vollmacht nachgereicht werden kann, belegt, dass Prozesshandlungen auch ohne vorgelegte schriftliche Vollmacht vorgenommen werden können. In der Rechtsprechung ist darüber hinaus geklärt, dass Prozesshandlungen, die ohne schriftliche Vollmacht vorgenommen wurden, auf andere Weise als durch schriftliche Vollmacht genehmigt werden können (Entscheidungen des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 24. November 1971 I R 116/71, BFHE 103, 408, BStBl II 1972, 95; vom 23. April 1991 VII R 63/90, BFH/NV 1992, 180). Schließlich ist in der Rechtsprechung des BFH geklärt, dass eine Klagerücknahme auch ohne Prozessvollmacht für den Ehegatten zurückgenommen werden kann, wenn angenommen werden kann, dass der Ehegatte der Prozessführung und der Rücknahme der Klage zugestimmt hat (BFH-Beschluss vom 19. September 1989 IV R 136/88, BFH/NV 1990, 379). Dies entspricht auch dem Wortlaut des § 62 Abs. 3 Satz 1 FGO, wonach die Schriftform nicht Wirksamkeitserfordernis ist, sondern die Vorlage der schriftlichen Prozessvollmacht lediglich dem Nachweis der Bevollmächtigung dient.
Die von den Klägern angeführte Rechtsprechung des BFH steht dem nicht entgegen, denn sie betrifft Fälle, in denen die Frage der Bevollmächtigung streitig gewesen ist. Im Streitfall hat das Finanzgericht (FG) jedoch festgestellt, die Klägerin sei mit der Wahrnehmung ihrer Belange im Termin durch den Kläger einverstanden gewesen und habe damit auch der Klagerücknahme zugestimmt. Es hat weiter ausgeführt, der Kläger habe in der mündlichen Verhandlung am 15. Februar 1994 eine Prozessvollmacht seiner Ehefrau bei sich gehabt, aber nicht vorgelegt. Das FG hat schließlich im Ergebnis festgestellt, dass der Kläger von seiner Ehefrau zur Klagerücknahme ermächtigt gewesen sei.
Der BFH ist als Revisionsgericht grundsätzlich an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden, es sei denn, es werden in Bezug auf diese Feststellungen zulässige und begründete Verfahrensrügen geltend gemacht (vgl. § 118 Abs. 2 FGO; BFH-Beschluss vom 4. Mai 1993 V B 13/93, BFH/NV 1994, 181, 182). Dies ist nicht der Fall. Der Kläger beruft sich mit seinen Verfahrensrügen lediglich darauf, er habe die Klagerücknahme nicht in der im Protokoll vom 15. Februar 1994 in wörtlicher Rede wiedergegebenen Weise erklärt, die schriftliche Vollmacht habe dem FG nicht vorgelegen und das FG habe eine Entscheidung des BFH nicht verarbeitet.
Dass es sich im Übrigen bei dem Nachweis der Bevollmächtigung um eine Sachentscheidungsvoraussetzung des finanzgerichtlichen Verfahrens handelt, ist geklärt und aufgrund der Feststellungen des FG im vorliegenden Verfahren nicht entscheidungserheblich.
b) Zu den Folgen einer Klagerücknahme bei Änderungsbescheiden haben die Kläger die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtsfrage nicht entsprechend § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO dargelegt.
Die zur Zulässigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde erforderliche Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache erfordert u.a. ein konkretes Eingehen darauf, inwieweit eine bestimmte in der Beschwerdeschrift als entscheidungserheblich herausgestellte Rechtsfrage im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig ist und ggf. in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen sie umstritten ist (BFH-Beschluss vom 16. Oktober 1996 II B 45/96, BFH/NV 1997, 358). Die Kläger haben lediglich ihre vom FG abweichende Rechtsauffassung dargelegt, ohne deutlich zu machen, welche Rechtsfrage in diesem Zusammenhang über den konkreten Einzelfall hinausgeht und welche Frage zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder für die Fortentwicklung des Rechts höchstrichterlicher Klärung bedarf. Ob die nach der Klagerücknahme ergangenen Änderungsbescheide vom 13. Dezember 1994 den Klägern ordnungsgemäß bekannt gegeben wurden, ist im Übrigen im Verfahren gegen diese Bescheide und nicht im vorliegenden Verfahren zu klären.
2. Soweit die Kläger eine Abweichung der Entscheidung des FG von Entscheidungen des BFH geltend machen, hat die Nichtzulassungsbeschwerde ebenfalls keinen Erfolg.
Sieht man von der möglicherweise unzureichenden Darlegung der Divergenz entsprechend § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO ab, so ist die Beschwerde jedenfalls unbegründet, denn das Urteil des FG weicht nicht von den Urteilen des BFH ab, die die Kläger angegeben haben.
Eine Abweichung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO ist nur dann gegeben, wenn das Urteil des FG bei gleichem, vergleichbarem oder gleichgelagertem vorliegendem und festgestelltem Sachverhalt in ein und derselben Rechtsfrage abweicht (vgl. BFH-Beschluss vom 11. Dezember 1992 III B 28/91, BFH/NV 1993, 610). Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. In dem von den Klägern angeführten Beschluss des BFH vom 21. Januar 1993 XI R 25/92, XI R 28/92 und XI R 29/92 (BFH/NV 1993, 549) war darüber zu entscheiden, ob in der Erklärung der Klägerin, sie sei "nicht in der Lage, irgendwelche Prozesse zu führen" und sie wolle "den Prozeß verhindert" wissen, eine Rücknahmeerklärung gesehen werden könne. Demgegenüber hatte das FG im Streitfall zu prüfen, ob die Kläger ihre Klage in der mündlichen Verhandlung am 15. Februar 1994 tatsächlich zurückgenommen haben. Im Übrigen ergibt sich weder aus dem Beschluss des BFH ein Rechtssatz, dass zur Klärung der Frage, ob eine Klagerücknahme vorliegt, keine Beweisaufnahme und Interpretation vorgenommen werden dürfe, noch hat das FG einen Rechtssatz aufgestellt, die Klagerücknahme müsse nicht eindeutig erklärt werden. Die Eindeutigkeit der Klagerücknahme bedeutet im Übrigen nicht stets die wörtliche Formulierung, die Klage werde zurückgenommen, sondern es genügt, dass die Absicht zur Rücknahme der Klage hinreichend deutlich gemacht wird (BFH-Beschlüsse vom 17. August 1995 VIII R 64/94, BFH/NV 1996, 218; vom 1. Juni 1995 VII R 13/95, BFH/NV 1996, 140; vom 11. Januar 1994 IX R 9/94, BFH/NV 1995, 220).
Eine Abweichung von dem Beschluss des BFH vom 9. Mai 1972 IV B 99/70 (BFHE 105, 246, BStBl II 1972, 543) ist ebenfalls nicht erkennbar. In dieser Entscheidung hat der BFH festgestellt, dass bei einem Streit über die Klagerücknahme das Verfahren in der Instanz fortgesetzt werden muss, in der das Verfahren wegen Klagerücknahme eingestellt worden war. Die Kläger weisen selbst darauf hin, dass dies im Streitfall geschehen ist.
3. Verfahrensmängel haben die Kläger nicht schlüssig vorgetragen.
Soweit sie geltend machen, das FG habe nicht zur Kenntnis genommen, dass nach Zeugenaussagen der Kläger nicht in der im Protokoll vom 15. Februar 1994 in wörtlicher Rede wiedergegebener Weise erklärt habe, er nehme die Klage zurück, vermag der Senat den Klägern nicht zu folgen. In den Entscheidungsgründen weist das FG auf S. 16 ausdrücklich darauf hin, dem Kläger sei zuzugestehen, dass er nach den Bekundungen der Zeugen A.W. und T.W. nicht wörtlich erklärt habe, er nehme die Klage zurück, denn es komme nicht auf den Gebrauch der Worte "Zurücknahme" und "Klage" an.
Der Hinweis darauf, das FG sei nicht auf den Vortrag der Kläger eingegangen, dass in der mündlichen Verhandlung am 15. Februar 1994 die Vollmacht der Klägerin zu 2 nicht vorgelegt worden sei, lässt ebenfalls keinen Verfahrensmangel erkennen. Das FG weist in den Entscheidungsgründen ausdrücklich darauf hin, der Kläger habe die Vollmacht nicht vorgelegt. Ein Verfahrensmangel ergibt sich nicht daraus, dass das FG der Rechtsauffassung der Kläger nicht gefolgt ist.
Ein Verfahrensmangel wird auch nicht damit bezeichnet, dass das FG eine Entscheidung des BFH nicht ausdrücklich verarbeitet habe. Die Wiedergabe der Entscheidungsgründe dient der Mitteilung der wesentlichen rechtlichen Erwägungen, die aus der Sicht des Gerichts für die getroffene Entscheidung maßgebend waren (BFH-Urteil vom 13. November 1996 X R 18/95, BFH/NV 1997, 494). Dazu ist nicht erforderlich, dass ein Gericht auf jede von einem Kläger vorgetragene Entscheidung eingeht.
Im Übrigen ergeht der Beschluss gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs ohne weitere Begründung.
Fundstellen
Haufe-Index 425215 |
BFH/NV 2000, 982 |