Leitsatz (amtlich)
1. Für den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung entfällt das Rechtsschutzbedürfnis, wenn das FA im gerichtlichen Verfahren zusichert, von der Vollziehung bis zur Entscheidung der Hauptsache abzusehen.
2. Auch wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Steuer- (Haftungs-)bescheids die Aussetzung der vorläufigen Vollziehung gebieten, steht es dem Gericht frei, eine Sicherheitsleistung zu verlangen oder eine Sicherungsmaßnahme des FA bestehen zu lassen.
Normenkette
FGO § 69 Abs. 2-3
Tatbestand
Der Kläger wurde als Gesellschafter-Geschäftsführer der in Konkurs geratenen Firma D GmbH (Steuerpflichtige - Stpfl. -) vom Beklagten (FA) gemäß §§ 103, 109 AO zur Haftung für Umsatzsteuerschulden in Höhe von 10 138 DM mit der Begründung herangezogen, er habe durch schuldhafte Verletzung der ihm nach § 103 AO obliegenden Pflichten Steueransprüche verkürzt. Im einzelnen wirft das FA dem Kläger vor, das FA durch Täuschungshandlungen (Sicherungsübereignung von Gegenständer, die bereits an einen anderen Gläubiger übereignet waren) zur Aufhebung umfangreicher Forderungspfändungen veranlaßt zu haben. Gegen die Einspruchsentscheidung erhob der Schuldner die Anfechtungsklage, über die noch nicht entschieden ist. Aufgrund des Haftungsbescheids ließ das FA auf einem Grundstück des Klägers eine Sicherungshypothek in Höhe der Haftungsschuld eintragen. Mit Schriftsatz vom 21. Juni 1967 an das FG sicherte das FA zu, es werde bis zur Entscheidung in der Hauptsache keine Befriedigung aus der Sicherungshypothek suchen und auch keine Mobiliarpfändung vornehmen. Es erklärte sich hilfsweise mit der Aussetzung der Vollziehung gegen Sicherheitsleistung einverstanden.
Der Kläger beantragte beim FG, die Vollziehung des Haftungsbescheids gemäß § 69 Abs. 3 FGO auszusetzen. Der Antrag wurde durch Beschluß zurückgewiesen. Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde, der das FG nicht abgeholfen hat.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Das Rechtsmittel ist nicht begründet.
Nach der Erklärung des FA vom ... braucht der Kläger mit vorläufigen Vollstreckungsmaßnahmen des FA, die über die Eintragung der Sicherungshypothek hinausgehen, nicht zu rechnen. Da die Wirkung der begehrten Aussetzung nicht über den Zeitpunkt der rechtskräftigen Entscheidung des Rechtsstreits hinausreicht, fehlt das Rechtsschutzbedürfnis für den Antrag nach § 69 Abs. 3 FGO, soweit nicht die Beseitigung der Sicherungshypothek in Frage steht. Der Antrag ist deshalb teilweise unzulässig. Daß das FG den Antrag im ganzen als unbegründet zurückgewiesen hat, kann der Beschwerde zu keinem Erfolg verhelfen.
Soweit der Kläger die Aufhebung der bereits durchgeführten Vollziehungsmaßnahme begehrt, hat das FG den Antrag im Ergebnis zutreffend abgelehnt. Die Darlegungen, aus denen sich ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Haftungsbescheids und der durchgeführten Vollzugsmaßnahme ergeben sollen, können eine andere Entscheidung nicht rechtfertigen.
Rechtliche Zweifel an der Zulässigkeit der Sicherungshypothek treten nicht hervor: Entgegen den Ausführungen des Klägers ist der Zwangsvollstreckung ein Leistungsgebot gemäß § 326 Abs. 3 AO vorausgegangen. Es wurde im Haftungsbescheid unter Festsetzung einer Zahlungsfrist ausgesprochen. Die Gewährung des rechtlichen Gehörs vor dem Erlaß dieses Gebots war gesetzlich nicht geboten. Ein Fall des § 330 AO liegt nicht vor, da der Kläger die Vollstreckung aus dem an ihn selbst gerichteten Bescheid zu dulden hatte. Die Vollziehung kann auch nicht den Vorschriften der Konkursordnung zuwiderlaufen, weil sie sich nicht gegen den Gemeinschuldner (GmbH) richtet.
Im Gegensatz zu den Einwendangen des Klägers beruht der Haftungsbescheid selbst nicht auf einem Fehler in der nach § 7 des Steueranpassungsgesetzes gebotenen Ermessensausübung. Nach dieser Vorschrift "steht es dem FA frei", ob es sich anstelle des Steuerschuldners an einen nach dem Gesetz Haftenden halten will. Die Inanspruchnahme des Haftenden ist eine Ermessensentscheidung, die eine Abwägung nach dem das gesamte Verwaltungsrecht beherrschenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit erfordert. Hiernach wäre die Inanspruchnahme des Haftenden in der Regel unzulässig, wenn leststünde, daß die Steuerschuld ohne besonderen Verwaltungsaufwand aus dem Vermögen des Stpfl. selbst befriedigt wird. Ist der Stpfl. wie hier in Konkurs geraten, so spricht die Vermutung gegen eine solche Sachlage. Die Behauptung des Klägers, eine restlose Befriedigung des FA im Konkursverfahren sei zu erwarten, kann deshalb im vorliegenden Fall keinen ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Ermessensausübung begründen.
Entsprechendes gilt gegenüber dem Hinweis, das FA habe den Haftungsbescheid ausdrücklich nur auf § 103 AO, nicht aber auf § 109 AO gestützt, da die Rechtmäßigkeit eines Steuerbescheids nach den Bestimmungen der AO nicht von der Benennung der angewendeten Gesetzesvorschriften abhängt (vgl. § 211 AO). Im übrigen ist für das im Zusammenhang mit der Anfechtungsklage stehende Aussetzungsverfahren der Steuerbescheid in der Gestalt der Einspruchsentscheidung maßgebend (§ 44 Abs. 2 FGO). In dieser Entscheidung ist § 109 AO ausdrücklich aufgeführt.
Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Haftungsbescheids bestehen jedoch insoweit, als die tatsächlichen Voraussetzungen für die Haftung nach § 109 in Verbindung mit § 103 AO in Frage stehen. Der Kläger hat die vom FA behaupteten Pflichtverletzungen, insbesondere eine Täuschungshandlung im Zusammenhang mit den Sicherungsübereignungen, substantiiert bestritten. Eine Beweisaufnahme hierzu hat nicht stattgefunden. Sie war auch nicht erforderlich, da es nicht Aufgabe des seinem Wesen nach summarischen Verfahrens ist, dem Hauptsacheverfahren in so weitgehender Weise vorzugreifen. Es kann auch dahingestellt bleiben, ob der an sich schlüssige Sachverhalt in der Einspruchsentscheidung und das ergänzende Vorbringen des FA in den gerichtlichen Verfahren geeignet sind, gegenüber den abweichenden Darlegungen des Stpfl. Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Haftungsbescheids auszuschließen (vgl. Beschluß des BFH II S 23/66 vom 15. Juni 1966, BFH 86, 316, BStBl III 1966, 467). Denn selbst wenn ernstliche Zweifel gegenüber den tatsächlichen Feststellungen des FA angebracht wären, so hätte doch wenigstens die im Vollzug des Haftungsbescheids durchgeführte Bestellung eines Grundpfandrechts Bestand. Diese Maßnahme, um die es in diesem Verfahren allein noch geht, steht in ihrer Auswirkung einer Sicherheitsleistung gleich. Die Anordnung einer solchen Vermögensbeschränkung ist nach § 69 Absatz 3 Satz 1 in Verbindung mit Abs. 2 Satz 4 FGO auch dann in das freie Ermessen des Gerichts gestellt, wenn die Aussetzung der Vollziehung grundsätzlich geboten ist und gewährt oder wie hier vom FA garantiert wird.
Der Senat hält die Aufrechterhaltung der Sicherungshypothek für dringend geboten. Sie liegt im überwiegenden öffentlichen Interesse. Denn es wäre ein schwerer Verstoß gegen die Steuergerechtigkeit, das Interesse des Steuergläubigers an der Verwirklichung seines Anspruchs nicht einmal mit einer Sicherungsmaßnahme zu wahren, wenn der Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Steuer- oder Haftungsbescheids lediglich auf der im Aussetzungsverfahren nicht sofort nachprüfbaren Behauptung von Tatsachen beruht, die von dem dem Steuerbescheid zugrunde liegenden Sachverhalt abweichen. Der Stpfl. hat keine Gründe geltend gemacht, die dieses öffentliche Interesse aufwiegen könnten.
Die Beschwerde war deshalb mit der Kostenfolge aus § 135 Abs. 2 FGO zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 67716 |
BStBl II 1968, 470 |
BFHE 1968, 164 |