Leitsatz (amtlich)
Hat das Finanzamt gleichzeitig mit oder kurze Zeit nach dem Erlaß eines Steuerbescheides einen dinglichen Arrest in das Vermögen des Steuerschuldners angeordnet und vollzogen, so entfällt zwar mit dem Eintritt der Vollstreckbarkeit des Steuerbescheides, d. h. mit dem Eintritt der Fälligkeit der angeforderten Leistung, der Arrestgrund, nicht aber auch die Rechtswirksamkeit der auf der Arrestanordnung beruhenden Pfändungsmaßnahmen.
Normenkette
AO § 326 Abs. 3 Nr. 1, § 381; FGO § 69 Abs. 3
Tatbestand
Der Beschwerdegegner (das FA) forderte von der Beschwerdeführerin zu 1., einer Aktiengesellschaft (AG), die ihren Sitz in der Schweiz hat, nach Ansicht des FA jedoch dort keine Betriebstätte besitzt, sondern ihre Betriebstätte in der Bundesrepublik Deutschland (BRD) unterhält, aufgrund vorläufiger Steuerbescheide vom 16. April 1968 nach geschätzten Besteuerungsgrundlagen Körperschaft- und Vermögensteuer für die Veranlagungszeiträume 1960 bis 1966 bzw. 1960 bis 1968 sowie Säumniszuschläge in Höhe von insgesamt 230 940,50 DM. Auf den gleichen Betrag nahm das FA den Beschwerdeführer zu 2. (den Geschäftsführer der AG) als gesetzlichen Vertreter der AG für die nach seiner Ansicht in der BRD unterhaltene Betriebstätte mit Haftungsbescheid vom 24. April 1968 in Anspruch.
Wegen des genannten Betrags ordnete das FA mit Verfügung vom 24. April 1968 zur Sicherung der Zwangsvollstreckung den dinglichen Arrest in das gesamte bewegliche und unbewegliche Vermögen der Beschwerdeführer an. Diese beantragtenunter gleichzeitiger Klageerhebung gegen die Arrestanordnung (§ 45 Abs. 2 FGO) beim FG gemäß § 69 Abs. 3 FGO Aussetzung der Vollziehung der Arreste. Das FG lehnte den Antrag ab. Es führte aus:
Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Arrestanordnung bestünden nicht. Es treffe nicht zu, daß nach dem Ergehen der Bescheide vom 16. April 1968 ein Arrestgrund nicht mehr gegeben gewesen sei. Solange aus den Bescheiden noch nicht habe vollstreckt werden können, sei der Arrest das zur Sicherung der Steueransprüche gegebene Mittel gewesen. Bei summarischer Prüfung sei nichts erkennbar, was für eine Verletzung des Ermessens im Zusammenhang mit der Arrestanordnung oder für das Fehlen eines Arrestgrundes spreche. Die AG habe - durch ihren Geschäftsführer - ihre sämtlichen Geschäftsforderungen an eine schweizerische Bank abgetreten, der Geschäftsführer der AG sein Grundvermögen mit Grundschulden belastet. Gleichzeitig räumten die Beschwerdeführer in ihrer Klageschrift ein, daß sie hinsichtlich der Steuerpflicht der in der BRD unterhaltenen Betriebstätte formale Fehler begangen haben könnten. Im übrigen sei den Beschwerdeführern nachgelassen worden, die Vollziehung der Arreste durch Hinterlegung von rd. 231 000 DM abzuwenden. Auch das Gericht würde im gegebenen Falle die Aussetzung der Vollziehung nur gegen eine solche Sicherheitsleistung angeordnet haben.
Gegen diese Entscheidung wenden sich die Beschwerdeführer mit der Begründung, der Arrestgrund sei entfallen, nachdem das FA nach Ablauf einer Woche seit Bekanntgabe der Steuerbescheide aus diesen habe vollstrecken können (§ 326 Abs. 3 Nr. 1 AO). Aber auch wenn man - entgegen ihrer Auffassung - unterstelle, daß die Berechtigung der Arrestanordnung noch bis zum 19. Mai 1968, dem Tage der Fälligkeit der angeforderten Steuerbeträge, angedauert habe, sei der Arrestgrund spätestens am 10. Mai 1968 entfallen, nachdem das FA in der Lage gewesen sei, Beitreibungsmaßnahmen aufgrund der Steuerbescheide durchzuführen. Damit seien spätestens von diesem Zeitpunkt ab nicht nur die Arrestanordnung selbst, sondern auch alle auf ihr beruhenden Pfändungsmaßnahmen unwirksam geworden.
Demgegenüber weist das FA darauf hin, daß Beitreibungsmaßnahmen nicht vor Fälligkeit der angeforderten Steuerbeträge hätten eingeleitet werden können und somit die Anordnung der Arreste und ihre sofortige Vollziehung geboten gewesen seien. Weder die Arrestanordnung noch die Vollziehung der Arreste werde durch die Schonfrist des § 326 Abs. 3 Nr. 1 AO berührt. Zwar sei der Arrestgrund mit dem späteren Eintritt der Vollstreckbarkeit der durch den Arrest gesicherten Steueransprüche entfallen. Das berühre aber die im Sicherungsverfahren erlangten Sicherheiten nicht. Vielmehr sei das Sicherungsverfahren gemäß § 381 AO in das Beitreibungsverfahren übergeleitet worden.
Nachdem das FG mit Beschluß vom 14. Juni 1968 abgelehnt hat, der Beschwerde abzuhelfen, war über die Beschwerde durch den erkennenden Senat zu entscheiden (§ 130 Abs. 1, § 132 FGO).
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Beschwerde konnte keinen Erfolg haben.
Wie das FG zu Recht ausgeführt hat, läßt die Arrestanordnung vom 24. April 1968 nichts erkennen, was ernstliche Zweifel an ihrer Rechtmäßigkeit begründen müßte. Die Ausführungen der Beschwerdeführer in der Beschwerdeschrift vermögen dies nicht zu widerlegen. Zwar ist aus der Entscheidung des FG nicht ersichtlich, wann die Vollziehung der Arrestanordnung erfolgte. Die Beschwerdeführer haben jedoch nichts vorgetragen, was darauf schließen lassen könnte, daß die Vollziehung erst nach Eintritt der Vollstreckbarkeit der Steuerbescheide bzw. des Haftungsbescheids erfolgte.
Voraussetzung einer jeden Vollstreckungsmaßnahme ist das Vorliegen eines Leistungsgebots (Urteile des BFH IV 222/60 U vom 29. März 1962, BFH 75, 147, BStBl III 1962, 321; VII 40/61 vom 22. Mai 1962, StRK, Reichsabgabenordnung, § 326, Rechtsspruch 8), das - als die Aufforderung an den Empfänger, die geforderte Leistung innerhalb bestimmter Frist zu bewirken - in der Regel mit der Festsetzung der angeforderten Steuer im Steuerbescheid verbunden wird (§ 211 Abs. 2 Nr. 2 AO, § 9 Abs. 2 Satz 3 der Beitreibungsordnung). Die Leistungsgebote lagen im vorliegenden Streitfall mit der Bekanntgabe der Steuerbescheide vom 16. April 1968 gegen die AG, mit der Bekanntgabe des Haftungsbescheids vom 24. April 1968 gegen den Geschäftsführer der AG vor. Die Vollstreckung gegen die AG konnte danach frühestens am Samstag, dem 27. April 1968, gegen den Geschäftsführer der AG frühestens am Sonntag, dem 5. Mai 1968 beginnen (soweit die Voraussetzungen des § 337 AO vorlagen). Gleichwohl war auch nach diesen Zeitpunkten die Vollziehung der Arrestanordnung nicht etwa deshalb unzulässig, weil inzwischen die Vollstreckbarkeit der genannten Bescheide eingetreten sei. Die Vollstreckbarkeit setzt vielmehr des weiteren voraus, daß die angeforderte Leistung auch fällig war (Urteil des RFH VI A 998/34 vom 6. Februar 1935, RStBl 1935, 484). Das FA hat unwidersprochen - und insoweit in Übereinstimmung mit den Beschwerdeführern - vorgetragen, daß die angeforderten Beträge erst zum 19. Mai 1968 fällig gestellt waren; es hat weiter unwidersprochen vorgetragen, daß nach Eintritt der Vollstreckbarkeit das Sicherungsverfahren durch Verfügung vom 21. Mai 1968 gemäß § 381 AO in das Beitreibungsverfahren übergeleitet wurde.
Der Auffassung der Beschwerdeführer, daß mit dem Eintritt der Vollstreckbarkeit der Bescheide die Arrestanordnung und die auf ihr beruhenden Pfändungsmaßnahmen rechtsunwirksam geworden seien, kann nicht gefolgt werden. Träfe diese Auffassung zu, so würde das Sicherungsverfahren praktisch ohne Bedeutung sein und würden die im Sicherungsverfahren getroffenen Pfändungsmaßnahmen nach Eintritt der Vollstreckbarkeit der Bescheide im Beitreibungsverfahren zu wiederholen sein. Gerade das soll indes durch die Vorschrift des § 381 AO verhindert werden.
Fundstellen
BStBl II 1968, 832 |
BFHE 1968, 405 |