Entscheidungsstichwort (Thema)
Finanzgerichtsordnung. Streitwert bei Antrag auf Aufhebung eines Einheitswertbescheids für ein Grundstück
Leitsatz (amtlich)
Bei Anfechtung eines zum 1.1.1974 im Wege der Nachfeststellung festgestellten Einheitswerts ist die Streitwertpauschale von 60 v.T. im Falle einer konkreten Erbschaftsteuerbelastung unter Berücksichtigung der nach § 16 ErbStG zu gewährenden Freibeträge um 30 v.T. des streitigen Einheitswerts zu erhöhen. Zur Streitwertermittlung in Streitigkeiten über Einheitswertfeststellungen: Ersatzloser Wegfall eines Nachfeststellungsbescheides, Auswirkungen auf Grundsteuer, Vermögensteuer, Erbschaftsteuer, Vermögensabgabe und Einkommensteuer.
Normenkette
FGO § 155; ZPO § 3; GKG § 13
Tatbestand
Umstritten ist, ob ein Teil eines Grundstücks im Rechtssinn als selbständige wirtschaftliche Einheit zu bewerten ist.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt – FA–) stellte für eine Teilfläche eines Grundstücks im Wege der Nachfeststellung auf den 1. Januar 1974 einen Einheitswert von 10.440 DM fest mit der Begründung, eine wirtschaftliche Einheit sei nach dem Hauptfeststellungszeitpunkt neu gegründet worden. Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg.
Mit der Revision rügt der Kläger und Revisionskläger (Kläger) Verletzung des § 2 des Bewertungsgesetzes (BewG). Er ist der Auffassung, daß die Revision zulässig sei. Der angefochtene Einheitswertbescheid habe nämlich zur Folge gehabt, daß zusätzlich 1.908 DM an Erbschaftsteuer erhoben worden seien. Außerdem seien für die Jahre 1974, 1975 und teilweise 1976 nachträglich noch weitere 165,62 DM Grundsteuer zu entrichten.
Der Kläger beantragt, die Vorentscheidung sowie den Einheitswertbescheid vom 1. Juni 1977 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung ersatzlos aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise als unbegründet zurückzuweisen.
Seiner Ansicht nach beträgt der Streitwert lediglich 416 DM. Es bestreitet im übrigen die Höhe der vom Kläger geltend gemachten Erbschaftsteuerbelastung.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unzulässig.
1. Das Finanzgericht (FG) hat die Revision nicht unabhängig vom Streitwert zugelassen. Es liegt auch kein sonstiger Fall einer zulassungsfreien Revision vor (vgl. § 116 der Finanzgerichtsordnung – FGO–). Damit wäre die Revision des Klägers nur zulässig, wenn der Wert des Streitgegenstandes des Revisionsverfahrens 1.000 DM übersteigen würde (vgl. § 115 Abs. 1 FGO i.V.m. Art. 1 Nr. 5 Satz 2 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs). Diese Voraussetzung ist im Streitfall nicht erfüllt. Der Streitwert beträgt lediglich 940 DM.
a) Der Senat bemißt in ständiger Rechtsprechung den Streitwert bei Anfechtung des Einheitswertes eines Grundstückes pauschal mit einem bestimmten Vomtausendsatz des streitigen Wertunterschieds. Er hat dies damit begründet, daß den Gerichten bei der Bestimmung des Streitwerts im Interesse der Vereinfachung ein weiter Ermessensspielraum eingeräumt sei (vgl. § 140 Abs. 3 FGO a.F.; § 3 der Zivilprozeßordnung i.V.m. § 155 FGO). Der Vereinfachung bei der Streitwertbemessung würde es aber widersprechen, die an den jeweiligen Einheitswertbescheid anknüpfenden Steuern einzeln zu berechnen. Damit würden bei der Streitwertermittlung in Streitigkeiten über Einheitswertfeststellungen Rechtsfragen mitentschieden, die nicht Gegenstand des Verfahrens sein können, für das der Streitwert zu ermitteln sei (vgl. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs – BFH– vom 19. November 1971 III B 29/71, BFHE 103, 316, BStBl II 1972, 85; vom 14. März 1975 III B 4/74, BFHE 115, 304, BStBl II 1975, 548; vom 13. August 1976 III B 33/75, BFHE 120, 17, BStBl II 1976, 774). Darauf, ob die Gesamtsumme der von der Entscheidung abhängigen Steuerbeträge bekannt ist, kommt es nicht an (vgl. dazu Urteil des Reichsfinanzhofs – RFH– vom 8. Juli 1937 III A 46/37, RStBl 1937, 1111).
b) Der Kläger will durch den Rechtsstreit erreichen, daß der angefochtene Nachfeststellungsbescheid ersatzlos aufgehoben wird, weil die wirtschaftliche Einheit unzutreffend abgegrenzt worden sei. Nach dem Begehren des Klägers soll der angefochtene Nachfeststellungsbescheid ersatzlos wegfallen. Damit ist der insoweit festgestellte Einheitswert in voller Höhe streitig. Der Umstand, daß der mit dem Nachfeststellungsbescheid erfaßte Grundbesitz nach Wegfall des Bescheides nicht unbewertet sein kann, sondern sich auf den Einheitswert auswirkt, der für die wirtschaftliche Einheit festzustellen wäre, zu der der Grundbesitz nach Auffassung des Klägers gehört oder zusammengefaßt werden muß, führt nicht dazu, das rechtliche Interesse des Klägers geringer zu bemessen als es sich aus dem Wegfall des Feststellungsbescheides ergibt (BFH-Urteil vom 12. Dezember 1975 III R 51/74, BFHE 118, 71, BStBl II 1976, 281).
c) Bei Anfechtung eines – wie im Streitfall – zum 1. Januar 1974 festgestellten Einheitswerts beträgt die Streitwertpauschale nach der Rechtsprechung des Senats grundsätzlich 60 v.T. des streitigen Wertunterschieds (BFH-Beschluß vom 11. Februar 1977 III B 28/75, BFHE 121, 300, BStBl II 1977, 352).
Bei der Pauschalierung der Auswirkungen, die der streitige Wertunterschied auf die von dem Einheitswert abhängigen Steuern hat, hat der Senat jedoch nur die regelmäßige steuerliche Belastung berücksichtigt. Er hat in die Ermittlung der im Regelfall maßgeblichen Streitwertpauschale lediglich die Auswirkungen auf die Grundsteuer und die Vermögensteuer einbezogen. Die Auswirkungen der Einheitswertfeststellung auf die Erbschaftsteuer (vgl. §§ 110, 12 des Erbschaftsteuergesetzes – ErbStG–) sind nicht berücksichtigt.
Bereits der RFH hat allerdings die Auffassung vertreten, daß es im Einzelfall angebracht sein kann, die Streitwertpauschale zu erhöhen, wenn der Einheitswert Auswirkungen auch bei anderen Steuern, z.B. bei der Erbschaftsteuer, hat (Urteile vom 17. Dezember 1931 III A 864/31, RFHE 30, 80, RStBl 1932, 228; vom 30. Juni 1933 III A 221, 222/33, RStBl 1933, 754; Gutachten vom 15. Juli 1937 III D 1/37, RStBl 1937, 907; vgl. auch Gürsching/Stenger, Kommentar zum Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, Randnote 86 zu § 19 BewG). Auch der erkennende Senat hat die Streitwertpauschalen nur im Regelfall angewendet. Er hat aber die im Regelfall zugrunde gelegten Tausendsätze mit Rücksicht auf das Interesse des Steuerpflichtigen an der Fortschreibung wegen der Vermögensabgabe nach § 320 Abs. 4 der Reichsabgabenordnung um 20 v.H. des Wertunterschieds erhöht (Urteil vom 14. Mai 1954 III 17/53 S, BFHE 59, 5, BStBl III 1954, 211). Ebenso hat er mit Beschluß vom 31. Oktober 1974 III B 31/73 (BFHE 114, 9, BStBl II 1975, 145) den im damaligen Streitfall maßgeblichen Pauschalsatz von 40 v.H. des streitigen Wertunterschieds auf 50 v.H. in den Fällen erhöht, in denen die Artfeststellung Einfamilienhaus streitig war. Dadurch sollte die Auswirkung der Artfeststellung Einfamilienhaus auf die Einkommensteuerveranlagung berücksichtigt werden. Nach Auffassung des Senats ist auch in den Fällen, in denen sich – wie im Streitfall – aufgrund der Einheitswertfeststellung unmittelbar eine konkrete Erbschaftsteuerbelastung ergibt, diese Belastung bei der Streitwertbemessung zu berücksichtigen. Aus den unter a) dargelegten Gründen kann aber auch insoweit nur eine pauschale Streitwertbemessung in Betracht kommen.
Unter Berücksichtigung der nach § 16 ErbStG zu gewährenden Freibeträge hält der Senat eine pauschale Erhöhung des Streitwerts um 30 v.T. des streitigen Einheitswerts für angemessen. Der Streitwert im Streitfall beträgt demnach 90 v.T. von 10.440 DM = 940 DM. Die Revision war damit unzulässig.
Fundstellen