Entscheidungsstichwort (Thema)
Aussetzung des Verfahrens über Folgebescheid bei angefochtenem Grundlagenbescheid
Leitsatz (NV)
Das Gericht übt das ihm gemäß §74 FGO zustehende Ermessen zutreffend aus, wenn es das Verfahren über einen Folgebescheid, in dem der Kläger vorrangig Einwendungen gegen einen diesem zugrundeliegenden negativen Feststellungsbescheid erhebt, bis zum Abschluß des gegen den negativen Feststellungsbescheid gerichteten Klageverfahrens aussetzt.
Normenkette
FGO § 74
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob das Finanzgericht (FG) das gegen die geänderten Einkommensteuerberscheide für die Jahre 1982 bis 1984 gerichtete Klageverfahren der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) zu Recht ausgesetzt hat, bis das zu den den Einkommensteuerbescheiden zugrundeliegenden negativen Feststellungsbescheiden anhängige Gerichtsverfahren abgeschlossen ist.
Der Kläger war an einer Bauherrengemeinschaft beteiligt. Nach einer bei dieser durchgeführten Außenprüfung erließ das für die Bauherrengemeinschaft zuständige Finanzamt im Jahre 1991 gegenüber dem Kläger einen negativen Feststellungsbescheid für die Jahre 1982 bis 1984. Daraufhin änderte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt -- FA --) die bestandskräftigen Einkommensteuerveranlagungen der Kläger für die Jahre 1982 bis 1984 und ließ die bislang im Zusammenhang mit der Bauherrengemeinschaft angesetzten Werbungskostenüberschüsse unberücksichtigt.
Mit ihrer hiergegen gerichteten Klage machen die Kläger in erster Linie geltend, sowohl die -- in einem anderen gerichtlichen Verfahren angefochtenen -- negativen Feststellungsbescheide als auch die angefochtenen Einkommensteuerbescheide seien wegen Eintritts der Feststellungs- bzw. der Festsetzungsverjährung rechtswidrig.
Das FG hat das Verfahren mit Beschluß vom 19. September 1997 bis einen Monat nach Kenntnis des Gerichts vom Abschluß des bei dem FG anhängigen Verfahrens des Klägers über die die Bauherrengemeinschaft betreffenden negativen Feststellungsbescheide oder dessen anderweitige Erledigung ausgesetzt.
Mit ihrer Beschwerde beanstanden die Kläger die Aussetzung des Verfahrens. Sie sind der Ansicht, das FG habe zunächst zu prüfen, ob von den negativen Feststellungsbescheiden eine Bindungswirkung i. S. von §171 Abs. 10 der Abgabenordnung (AO 1977) ausgehe. Im Rahmen dieser Prüfung habe das FG in eigener Zuständigkeit zu untersuchen, ob die negativen Feststellungsbescheide wegen Eintritts der Feststellungsverjährung nicht mehr hätten ergehen dürfen.
Die Kläger beantragen sinngemäß, den Beschluß des FG vom 19. September 1997 über die Aussetzung des Verfahrens aufzuheben.
Das FA beantragt, die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist unbegründet. Die Aussetzung des Verfahrens durch das FG begegnet keinen rechtlichen Bedenken.
Nach §74 der Finanzgerichtsordnung (FGO) kann das Gericht, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet, anordnen, daß die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits auszusetzen sei. Die Entscheidung über die Aussetzung steht grundsätzlich im Ermessen des Gerichts. Dabei ist es regelmäßig geboten und zweckmäßig, daß das FG den Streit um die Rechtmäßigkeit eines Folgebescheids aussetzt, solange noch unklar ist, ob und wie der angefochtene Grundlagenbescheid geändert wird (ständige Rechtsprechung; vgl. z. B. Beschluß des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 20. Februar 1991 II B 160/89, BFHE 163, 309, BStBl II 1991, 368, m. w. N.).
Der Grundsatz, daß das Verfahren über einen Folgebescheid auszusetzen ist, solange unklar ist, ob die Anfechtung des Grundlagenbescheids Erfolg haben wird, gilt jedoch nicht ausnahmslos (vgl. z. B. BFH- Urteil vom 9. November 1988 I R 191/84, BFHE 155, 454, BStBl II 1989, 343; BFH- Beschluß in BFHE 163, 309, BStBl II 1991, 368). Im Einzelfall können besondere Umstände vorliegen, die eine Aussetzung des Verfahrens ausnahmsweise als ermessenswidrig erscheinen lassen. Dies kann z. B. der Fall sein, wenn gegen einen angefochtenen Folgebescheid Verwirkung geltend gemacht wird (vgl. BFH in BFHE 163, 309, BStBl II 1991, 368).
Da im Streitfall jedoch eine solche Ausnahmesituation nicht vorliegt, hat das FG das ihm zustehende Ermessen zutreffend dahin ausgeübt, daß es das Verfahren bis zum Abschluß des gegen die negativen Feststellungsbescheide gerichteten Klageverfahrens ausgesetzt hat. Die Kläger erheben nämlich insoweit vorrangig Einwendungen gegen die negativen Feststellungsbescheide, als sie in bezug auf diese Bescheide Feststellungsverjährung und Nichtigkeit mangels inhaltlicher Bestimmtheit geltend machen. Soweit sie darüber hinaus auch Festsetzungsverjährung in bezug auf die Einkommensteuerbescheide rügen, leiten sie diese allein aus einer infolge der angeblichen Feststellungsverjährung fehlenden Bindungswirkung i. S. von §171 Abs. 10 AO 1977 her.
Fundstellen
Haufe-Index 67263 |
BFH/NV 1998, 869 |