Entscheidungsstichwort (Thema)
Herabsetzung der Anforderungen für den Vorsteuerabzug
Leitsatz (NV)
Die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache wird nicht durch Vorschläge begründet, wie der Vorsteuerabzug zukünftig "ohne formale Anforderungen" geltend gemacht werden kann, z.B. durch die Einführung eines Unternehmerausweises oder durch ein einsehbares Unternehmerregister.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1; UStG 1993 § 15 Abs. 1 Nr. 1
Tatbestand
1. Die Kläger, Beschwerdeführer und Beschwerdegegner (Kläger) sind gesetzliche Erben des während des Verfahrens verstorbenen Unternehmers für Montagearbeiten S. Dieser machte u.a. aus 14 Rechnungen der Aussteller H und C den Abzug der in Rechnung gestellten Umsatzsteuer als Vorsteuer geltend. Der Beklagte, Beschwerdegegner und Beschwerdeführer (das Finanzamt ―FA―) versagte den Vorsteuerabzug, weil H als Unternehmer nicht ermittelt werden konnte und die für ihn bezeichnete Anschrift nicht bestand und weil die von C berechneten Leistungen so ungenau beschrieben worden seien, dass sie nicht bestimmt werden könnten.
S erreichte nach erfolglosem Einspruchsverfahren die Anerkennung des Vorsteuerabzugs aus einer (von acht) Rechnung(en) des C. Insoweit änderte das Finanzgericht (FG) die angefochtene Umsatzsteuerfestsetzung für 1997 gegen S und wies die Klage im Übrigen ab. Zur Begründung führte es unter Heranziehung der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) aus, der Vorsteuerabzug aus den Rechnungen von H sei nicht zu gewähren, weil der in der Rechnung angegebene Geschäftssitz sowohl bei der Ausführung der Leistung als auch bei der Ausstellung der Rechnung bestanden haben müsse. Das Risiko, dass der Leistende unter falschen Namen abgerechnet habe, trage der Unternehmer, der den Vorsteuerabzug begehre. Der Vorsteuerabzug aus den von C ausgestellten Rechnungen sei unberechtigt, weil und soweit die Rechnungen inhaltlich keine ausreichende Leistungsbeschreibung enthielten.
Mit der Beschwerde wird die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache begehrt.
Das FA, das zunächst selbst Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt, dann diese Beschwerde aber durch einen am 14. April 2000 beim FG eingegangenen Schriftsatz zurückgenommen hat, ist der Beschwerde der Kläger entgegengetreten.
Entscheidungsgründe
2. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Kläger ist unzulässig.
a) Die Beschwerde ist form- und fristgemäß durch einen postulationsfähigen Bevollmächtigten eingelegt worden. Dessen Vertretungsmacht besteht bis zur Anzeige der Bestellung eines anderen Prozessbevollmächtigten gemäß § 155 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 87 der Zivilprozeßordnung (ZPO) fort (vgl. BFH-Urteil vom 13. Januar 1977 V R 87/76, BFHE 121, 20, BStBl II 1977, 238). Dies ist dem Bevollmächtigten von der Geschäftsstelle des Senats durch Schreiben vom 12. März 2001 mitgeteilt worden. Da eine solche Anzeige bisher beim Beschwerdegericht nicht eingegangen ist, vertritt der Bevollmächtigte in diesem Verfahren die Erben des Vollmachtgebers.
b) Die Kläger haben Zulassungsgründe nicht ordnungsgemäß dargelegt. Anwendbar ist insoweit die Finanzgerichtsordnung (FGO) i.d.F. vor dem Zweiten Gesetz zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze (2.FGOÄndG) vom 19. Dezember 2000 (BGBl I 2000, 1757) ―FGO a.F.―, weil die angefochtene Entscheidung des FG vor dem 1. Januar 2001 zugestellt worden ist (Art. 4 2.FGOÄndG). Die Beschwerde der Kläger genügt den formellen Anforderungen nicht, die § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO a.F. an die Darlegung des Grundes für die Zulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO a.F.) stellt.
Die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO a.F.) ist nur gerechtfertigt, wenn der Beschwerdeführer in der Beschwerdebegründung eine bestimmte ―abstrakte― klärungsbedürftige und in dem angestrebten Revisionsverfahren auch klärbare Rechtsfrage herausstellt. Er muss darlegen (§ 115 Abs. 3 Satz 3 FGO a.F.), weshalb es in dem angestrebten Revisionsverfahren auf die Klärung der hervorgehobenen Rechtsfrage ankommt (Klärungsbedürftigkeit) und dass dem Revisionsgericht eine Klärung dieser Rechtsfrage möglich ist (Klärbarkeit).
Der Beschwerdeführer muss außerdem die Bedeutsamkeit der Beantwortung der Rechtsfrage durch die angestrebte Revisionsentscheidung für die Allgemeinheit substantiiert dartun (vgl. Beschlüsse des BFH vom 31. Oktober 1996 VIII B 11/96, BFH/NV 1997, 459; vom 22. November 1995 VIII B 13/95, BFH/NV 1996, 348). Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtsfrage dann, wenn ihre höchstrichterliche Beantwortung einem über das Interesse der Beteiligten am Ausgang des anhängigen Verfahrens hinausreichenden, allgemeinen Interesses an der Handhabung und Fortentwicklung des Rechts zu dienen geeignet ist. Dazu muss der Beschwerdeführer substantiiert und in sich schlüssig erläutern (vgl. BFH-Beschlüsse vom 8. März 1994 VII B 44/94, BFH/NV 1994, 812; vom 17. Februar 1993 II B 118/92, BFH/NV 1994, 123), welche über die Rechtssache hinausgehende Bedeutung eine Revisionsentscheidung über die nicht nur an den Besonderheiten des Streitfalls orientierten Rechtsfrage habe. Es bedarf einer besonders eingehenden Begründung, wenn ―wie im Streitfall― schon Vorentscheidungen zu den entscheidungserheblichen Tatbestandsmerkmalen vorhanden sind.
In der Beschwerdeschrift wird "die Verletzung des verfassungsimmanenten Grundsatzes des Übermaßverbotes und Besteuerung contra legem durch Rechtsanwendung" gerügt (S. 2 der Beschwerdeschrift). Zur folgenden Begründung wird der Rechtsvorgänger als Opfer eines Betrügers dargestellt. Es wird gefordert, dass der Vorsteuerabzug nicht wegen "formaler Anforderungen" durch den Nachweis der Unternehmereigenschaft des Rechnungsausstellers versagt werden dürfe. Es wird vorgeschlagen, dass der Nachweis durch Einführung eines Unternehmerausweises und durch einsehbare Register für Unternehmer beim FA geführt werden könne.
Damit haben die Kläger in der Beschwerdebegründung weder abstrakte klärungsbedürftige ―weil bisher ungeklärte― Rechtssätze noch die grundsätzliche Bedeutung einer Revisionsentscheidung im Streitfall dargelegt. Sie haben sich z.B. nicht damit auseinander gesetzt, ob und weshalb ihrer Auffassung nach in der bisherigen Rechtsprechung des BFH zu § 15 des Umsatzsteuergesetzes nicht auf diese Fragen eingegangen worden ist. Es wird außerdem nicht dargelegt, weshalb es für S nicht zumutbar oder nicht möglich war ―wie es das FG zur Begründung der Vorentscheidung sinngemäß ausgeführt hat―, Zahlungen an H und C nur Zug um Zug gegen Ausgabe einer den Anforderungen für den Vorsteuerabzug genügenden Rechnung zu leisten.
3. Soweit das FA die von ihm eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde zurückgenommen hat, war das Verfahren einzustellen (§§ 72, 121, 132 FGO).
4. Im Übrigen ergeht die Entscheidung ohne weitere Begründung (§ 116 Abs. 5 Satz 2 FGO).
5. Bei der Kostenentscheidung (§ 135 Abs. 2, § 136 Abs. 2 FGO) war wegen der Streitwertminderung während des Beschwerdeverfahrens eine getrennte Kostenverteilung für die verschiedenen Zeitabschnitte geboten (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 136 Rz. 3).
Fundstellen
Haufe-Index 602770 |
BFH/NV 2001, 1138 |