Entscheidungsstichwort (Thema)
Zum Zeitpunkt der Besteuerung bei mehrjährigen Kaufpreisraten
Leitsatz (NV)
1. Gewinne aus der Veräußerung des Vermögens, das der selbstständigen Arbeit dient, unterliegen grundsätzlich auch dann im Zeitpunkt der Veräußerung nach den allgemeinen Vorschriften (§ 18 Abs. 3 i.V. mit § 16 Abs. 2 bis 4 und § 34 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 EStG) der Einkommensteuer, wenn die Kaufpreisforderung in Raten langfristig erfüllt wird.
2. Wir ein Betrieb, Teilbetrieb oder Mitunternehmeranteil gegen Leibrente veräußert, so hat der Steuerpflichtige die Wahl zwischen der sofortigen Versteuerung eines Veräußerungsgewinns nach den §§ 16, 34 EStG und einer nicht tarifbegünstigten Besteuerung der nachträglichen Betriebseinnahmen im Jahr des Zuflusses gemäß § 24 Nr. 2 EStG i.V. mit § 15 EStG (Rechtsprechung).
3. Es besteht kein Grund für eine Ausdehnung dieses Wahlrechts auf solche Fälle, in denen der Kaufpreis in Form von Zahlungen geleistet wird, die sich über einen längeren Zeitraum erstrecken, ohne damit die Versorgung des Veräußerers zu bezwecken.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nrn. 1-2; EStG § 18 Abs. 3, § 16 Abs. 2-4, § 24 Nr. 2, § 34 Abs. 1, 2 Nr. 1
Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches FG (Urteil vom 24.02.2006; Aktenzeichen 5 K 195/04) |
Gründe
Die Beschwerde ist jedenfalls unbegründet.
1. Die Entscheidung des Streitfalls erfordert entgegen der Auffassung des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) nicht die Klärung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die Frage, ob der Gewinn aus der Veräußerung eines Anteils an einer Steuerberater-Sozietät im Juli 1999 sofort zu versteuern ist (§ 18 Abs. 3 i.V.m. §§ 16, 34 des Einkommensteuergesetzes --EStG--) oder ob ein Wahlrecht besteht, die Kaufpreisraten gemäß § 24 Nr. 2 EStG als Einkünfte aus einer ehemaligen Tätigkeit zu versteuern, lässt sich anhand des Gesetzes und der bereits vorliegenden Rechtsprechung beantworten.
a) Nach § 18 Abs. 3 EStG gehört zu den Einkünften aus selbständiger Arbeit u.a. auch der Gewinn, der bei der Veräußerung eines Anteils am Vermögen erzielt wird, das der selbständigen Arbeit dient. Nach § 24 Nr. 2 EStG gehören zu den Einkünften aus selbständiger Arbeit auch Einkünfte aus einer ehemaligen Tätigkeit.
aa) Gewinne aus der Veräußerung des Vermögens, das der selbständigen Arbeit dient, unterliegen grundsätzlich auch dann der Einkommensteuer nach den Vorschriften des § 18 Abs. 3 i.V.m. § 16 Abs. 2 bis 4 und § 34 Abs. 1 und 2 Nr. 1 EStG, wenn die Kaufpreisforderung gestundet ist oder in Raten langfristig erfüllt wird. Auch in derartigen Fällen ist der in der Kaufpreisforderung enthaltene Veräußerungsgewinn im Zeitpunkt der Veräußerung verwirklicht (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 30. Januar 1974 IV R 80/70, BFHE 111, 477, BStBl II 1974, 452, m.w.N.; vom 26. Juli 1984 IV R 137/82, BFHE 141, 525, BStBl II 1984, 829). Die Verwirklichung des Gewinns tritt im Zeitpunkt der Veräußerung ein, unabhängig davon, wie der Tarif, mit dem der Veräußerungsgewinn zu versteuern ist, ausgestaltet ist. Deshalb ist die Änderung des § 34 Abs. 1 EStG durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 vom 24. März 1999 (BGBl I 1999, 402, BStBl I 1999, 304) insoweit ohne Bedeutung.
bb) Für den Fall, dass ein Betrieb, Teilbetrieb oder Mitunternehmeranteil gegen Leibrente veräußert wird, hat der Steuerpflichtige die Wahl zwischen der sofortigen Versteuerung eines Veräußerungsgewinns nach den §§ 16, 34 EStG --Unterschiedsbetrag zwischen dem Kapitalwert der Rente sowie den Veräußerungskosten und dem auf den Veräußerungszeitpunkt ermittelten Wert des Betriebsvermögens (§ 16 Abs. 2 Sätze 1 und 2 EStG)-- und einer nicht tarifbegünstigten Besteuerung der nachträglichen Betriebseinnahmen im Jahr des Zuflusses gemäß § 24 Nr. 2 EStG i.V.m. § 15 EStG (vgl. BFH-Urteil vom 14. Mai 2002 VIII R 8/01, BFHE 199, 198, BStBl II 2002, 532, m.w.N.). Dieses Wahlrecht beruht auf einer teleologischen Reduktion des grundsätzlich zwingenden Anwendungsbereichs der §§ 16, 34 EStG i.V.m. dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Besteuerung (BFH-Urteil in BFHE 141, 525, BStBl II 1984, 829). Es trägt vor allem dem Umstand Rechnung, dass einerseits die Leibrentenforderung mit ihrem Gegenwartswert zu bewerten ist und damit der Veräußerungsgewinn bereits im Zeitpunkt der Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums an den wesentlichen Betriebsgrundlagen verwirklicht wird (BFH-Urteile in BFHE 141, 525, BStBl II 1984, 829; vom 14. Dezember 1988 I R 44/83, BFHE 155, 368, BStBl II 1989, 323), andererseits jedoch der --gemessen an der statistischen Wahrscheinlichkeit-- vorzeitige Tod des (oder der) Rentenberechtigten nicht zu einer (rückwirkenden) Korrektur des Veräußerungsgewinns führt (BFH-Urteil vom 19. August 1999 IV R 67/98, BFHE 190, 150, BStBl II 2000, 179) und deshalb dessen Ansatz mit der Folge verbunden sein kann, dass der Veräußerer Gewinne zu versteuern hat, die er tatsächlich niemals erzielt (vgl. dazu BFH-Urteil vom 20. Januar 1971 I R 147/69, BFHE 101, 218, BStBl II 1971, 302).
Danach ist die Sofortversteuerung der gesetzliche Normalfall und die laufende Versteuerung eine auf Billigkeitserwägungen unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes beruhende Ausnahmeregelung (vgl. BFH-Beschluss vom 12. Mai 1999 IV B 52/98, BFH/NV 1999, 1330).
cc) Soweit die Rechtsprechung dem Veräußerer bei der Vereinbarung von Kaufpreisraten auch für den Fall ein Wahlrecht zwischen der Sofortbesteuerung und der Erfassung nachträglicher Einnahmen eingeräumt hat, dass die ratenweise Zahlung des Kaufpreises hauptsächlich deshalb vereinbart wurde, um zugleich die Versorgung des Berechtigten zu sichern (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 12. Juni 1968 IV 254/62, BFHE 92, 561, BStBl II 1968, 653, m.w.N.), kann die Richtigkeit dieser Rechtsprechung dahingestellt bleiben. Denn im Streitfall hat das Finanzgericht (FG) entschieden, dass die Kaufpreisraten keinen Versorgungscharakter haben. Es besteht jedenfalls kein Grund für eine Ausdehnung des Wahlrechts auf solche Fälle, in denen die Kaufpreisraten nicht der Versorgung des Veräußerers dienen. Bei einer Ausdehnung würde die in § 18 Abs. 3 i.V.m. § 16 Abs. 2 bis 4 und § 34 Abs. 1 und 2 Nr. 1 EStG grundsätzlich zwingend angeordnete Sofortversteuerung unterbleiben, ohne dass dafür Rechtfertigungsgründe vorliegen. Die bei Leibrenten fehlende Korrekturmöglichkeit könnte die Einräumung eines generellen Wahlrechts nicht rechtfertigen. Denn der Große Senat des BFH hat mit Beschluss vom 19. Juli 1993 GrS 2/92 (BFHE 172, 66, BStBl II 1993, 897) entschieden, dass der Ausfall einer gestundeten Kaufpreisforderung wegen Zahlungsunfähigkeit des Erwerbers zu einer rückwirkenden Änderung des Veräußerungsgewinns führt (§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Abgabenordnung --AO--). Damit liegen die Gründe, die die Einräumung eines Wahlrechts bei Vereinbarung einer Leibrente gerechtfertigt haben, jedenfalls bei der Vereinbarung von Kaufpreisraten ohne Versorgungscharakter nicht vor (vgl. auch Schmidt/Wacker, EStG, 25. Aufl., § 16 Rz 225).
b) Ein grundsätzlicher Klärungsbedarf wegen der Voraussetzungen des Wahlrechts ergibt sich entgegen der Rüge des Klägers auch nicht aus dem Beschluss des FG des Saarlandes vom 21. Oktober 2005 1 V 266/05 (juris). Hier wurde in einem summarischen Verfahren über die Aussetzung der Vollziehung ein Wahlrecht unter Hinweis auf den Wortlaut einer Verwaltungsanweisung, die ausschließlich die Veräußerung einer Beteiligung i.S. von § 17 Abs. 1 EStG betrifft (R 140 Abs. 7 i.V.m. R 139 Abs. 11 der Einkommensteuer-Richtlinien 1999), für möglich gehalten. Für die Veräußerung eines Anteils an einer Personengesellschaft liegt eine entsprechende Verwaltungsanweisung nicht vor.
Das Urteil des FG Düsseldorf vom 25. August 2005 15 K 2016/03 E (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2005, 1862) geht von denselben Grundsätzen aus wie das FG im Streitfall. Es hat ebenso wie die Vorinstanz des Streitfalls ein Wahlrecht mit der Begründung abgelehnt, dass keine Versorgungsleistungen vereinbart worden seien.
2. Die Revision ist auch nicht wegen einer Abweichung der Vorentscheidung von der Rechtsprechung des BFH zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO). Eine Divergenz ist weder schlüssig dargelegt noch ersichtlich.
Für die schlüssige Darlegung einer Divergenz wäre es erforderlich gewesen, jeweils abstrakte Rechtssätze des Urteils des FG und der Divergenzentscheidung(en) so genau zu bezeichnen und einander gegenüberzustellen, dass eine Abweichung erkennbar wird (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 11. Februar 2004 VII B 224/03, BFH/NV 2004, 1060). Dies ist nicht geschehen.
Tatsächlich liegt eine Divergenz zu den vom Kläger aufgeführten Entscheidungen des BFH auch nicht vor. Denn die Sachverhalte der Fälle, in denen der BFH ein Wahlrecht bejaht hat, sind entgegen der Auffassung des Klägers nicht mit dem des Streitfalls vergleichbar. In dem Fall des BFH-Urteils in BFHE 111, 477, BStBl II 1974, 452 war in dem Praxis-Übernahmevertrag ausdrücklich festgelegt, dass der Erwerber die Versorgung der Witwe und der Kinder übernehmen sollte. Nach dem Sachverhalt des BFH-Urteils vom 23. Januar 1964 IV 85/62 U (BFHE 79, 16, BStBl III 1964, 239) schuldete der Erwerber 20 Jahre lang eine als Rente bezeichnete monatliche Zahlung, die bei einer Steigerung des Lebenshaltungskostenindexes zu erhöhen war, da sie --so die Feststellungen im Tatbestand des Urteils-- zur Sicherung des Lebensunterhaltes des Verkäufers bestimmt war. Dem BFH-Urteil in BFHE 141, 525, BStBl II 1984, 829 lag eine ausdrücklich als "Leibrente" bezeichnete Zahlung zugrunde, die durch Anknüpfung an den Lebenshaltungsindex wertgesichert war.
In dem BFH-Urteil in BFHE 92, 561, BStBl II 1968, 653 (unter 1. b der Gründe) hat der BFH ein Wahlrecht verneint und klargestellt, dass für die Annahme eines Versorgungscharakters der Zahlungszeitraum nicht nur mehr als zehn Jahre betragen müsse, sondern dass außerdem auch die sonstige Ausgestaltung des Vertrages "eindeutig" die Absicht des Veräußerers auf Versorgung zum Ausdruck bringen müsse.
3. Soweit der Kläger die Würdigung des FG beanstandet, dass die in dem Vertrag vom 12. Juli 1999 vereinbarten Kaufpreisraten keinen Versorgungscharakter haben, macht er keinen Grund für die Zulassung der Revision i.S. des § 115 Abs. 2 FGO geltend. Denn selbst wenn das FG --wofür indessen keine Anhaltspunkte vorliegen-- insoweit die gesetzlichen Auslegungsregeln nicht beachtet oder gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstoßen hätte, würde es sich um einen materiell-rechtlichen Fehler in einem Einzelfall handeln, der nicht zu den in § 115 Abs. 2 FGO aufgeführten Gründen für die Zulassung der Revision gehört.
Fundstellen
Haufe-Index 1748868 |
BFH/NV 2007, 1306 |
NWB 2007, 10 |
NWB 2007, 1990 |