Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsätzliche Bedeutung; Fortbildung des Rechts; Divergenz; Verfahrensmängel
Leitsatz (NV)
1. Zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache oder der Notwendigkeit einer Entscheidung des BFH zur Fortbildung des Rechts sind Ausführungen erforderlich, inwiefern die aufgeworfene Rechtsfrage in Rechtsprechung und/oder Schrifttum umstritten ist und deshalb eine höchstrichterliche Klärung über die materiell-rechtliche Beurteilung des Streitfalles hinaus für die Allgemeinheit Bedeutung hat.
2. Eine Divergenz i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO kann nur vorliegen, wenn das FG bei einem gleichen, vergleichbaren oder gleichgelagerten Sachverhalt in ein und derselben Rechtsfrage eine von einer Entscheidung des BFH oder des Bundesverfassungsgerichts abweichende Rechtsauffassung vertreten hat.
3. Zur ordnungsgemäßen Rüge der Verletzung der Amtsermittlungspflicht (§ 76 Abs. 1 FGO) gehört die Darlegung, weshalb sich dem FG auf der Grundlage seines materiell-rechtlichen Standpunktes eine weitere Aufklärung des Sachverhaltes auch ohne entsprechenden Antrag hätte aufdrängen müssen.
Normenkette
FGO § 76 Abs. 1, § 96 Abs. 2, § 115 Abs. 2 Nrn. 1-3, § 116 Abs. 3 S. 3
Verfahrensgang
FG Köln (Urteil vom 07.06.2006; Aktenzeichen 4 K 550/03) |
Gründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Im Streitfall kann offen bleiben, ob der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) wegen der Versäumung der Frist zur Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 56 der Finanzgerichtsordnung (FGO) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist; denn die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision sind nicht gegeben (z.B. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 29. Juni 2005 IX B 28/05, BFH/NV 2005, 2010, m.w.N.).
2. Die Klägerin macht zu Unrecht als Verfahrensmangel i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO geltend, das Finanzgericht (FG) habe unter Missachtung seiner Amtsermittlungspflicht den Sachverhalt nicht ausreichend erforscht (§ 76 Abs. 1 FGO) und ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt (§ 96 Abs. 2 FGO).
a) Aus der Beschwerdebegründung geht nicht hervor, dass sich dem FG nach seiner materiell-rechtlichen Auffassung die von der Klägerin geforderte weitere Sachverhaltsaufklärung auch ohne entsprechenden Antrag hätte aufdrängen müssen (z.B. BFH-Beschluss vom 24. Oktober 2003 IX B 83/03, BFH/NV 2004, 353). Das FG hat bei seiner Entscheidung nicht --wie von der Klägerin geltend gemacht-- allein auf eine ungünstige Liquiditätslage der GmbH abgestellt, sondern aus dem von ihm insgesamt festgestellten Sachverhalt und damit (u.a.) auch aus der (unstreitigen) Höhe der in den Streitjahren bestehenden Verbindlichkeiten der GmbH den (möglichen und damit den Senat im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren bindenden) Schluss gezogen, ein fremder Dritter (an Stelle der GmbH) hätte nicht auf die alsbaldige Zahlung der Entwicklungskosten verzichtet. Als ungewöhnlich hat es das FG in diesem Zusammenhang insbesondere auch angesehen, dass die Klägerin der GmbH (ohne erkennbaren Anlass) Lizenzgebühren zinslos gestundet hat.
b) Eine das rechtliche Gehör verletzende Überraschungsentscheidung liegt vor, wenn das FG sein Urteil auf einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt stützt und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gibt, mit der auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter selbst unter Berücksichtigung der Vielzahl vertretbarer Auffassungen nach dem bisherigen Verlauf der Verhandlung nicht rechnen musste (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 2. April 2002 X B 56/01, BFH/NV 2002, 947). Das Gebot, rechtliches Gehör zu gewähren, verpflichtet das Gericht jedoch nicht, die für die Entscheidung maßgeblichen Gesichtspunkte mit den Beteiligten umfassend zu erörtern und ihnen die einzelnen für die Entscheidung maßgebenden Gesichtspunkte im Voraus anzudeuten (z.B. BFH-Beschluss vom 25. Mai 2000 VI B 100/00, BFH/NV 2000, 1235). Hiervon ist bei dem von der Klägerin angesprochenen Gesichtspunkt des Zinsvergleichs auszugehen.
3. Der von der Klägerin geltend gemachte Zulassungsgrund der Erforderlichkeit einer Entscheidung des BFH zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 2, 2. Alternative FGO wegen Divergenz ist ebenfalls nicht gegeben. Das FG hat keinen von den in der Beschwerdebegründung benannten Urteilen abweichenden Rechtssatz aufgestellt, sondern aus verschiedenen von ihm festgestellten Kriterien auf die fehlende Fremdüblichkeit der Darlehensverträge geschlossen. Eine Divergenz i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO kann nur vorliegen, wenn das FG bei einem gleichen, vergleichbaren oder gleichgelagerten Sachverhalt in ein und derselben Rechtsfrage eine von einer Entscheidung des BFH oder des Bundesverfassungsgerichts abweichende Rechtsauffassung vertreten hat (z.B. BFH-Beschluss vom 16. März 2000 IX B 108/99, BFH/NV 2000, 1215).
4. Eine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) oder der Notwendigkeit einer Entscheidung des BFH zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2, 1. Alternative FGO) kommt nicht in Betracht. Es fehlt an der Darlegung, inwiefern die mit der Nichtzulassungsbeschwerde aufgeworfene Rechtsfrage in Rechtsprechung und/oder Schrifttum umstritten ist und deshalb eine höchstrichterliche Klärung über die materiell-rechtliche Beurteilung des Streitfalles hinaus für die Allgemeinheit Bedeutung hat (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 14. Oktober 2003 X B 90/03, BFH/NV 2004, 220; vom 7. März 2005 II B 49/04, BFH/NV 2005, 1335).
Fundstellen