Entscheidungsstichwort (Thema)
NZB: Keine Verletzung des Rechts auf Gehör
Leitsatz (NV)
Weist das FG in der mündlichen Verhandlung nicht ausdrücklich auf die Unzulässigkeit der Klage hin, liegt darin kein Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör wegen Ergehens einer Überraschungsentscheidung, wenn das FA bereits in der Klageerwiderung vorgebracht hatte, dass in diesem Verfahren die Höhe des Übergangsgewinns nicht angefochten werden könne.
Normenkette
FGO § 96 Abs. 2, § 119 Nr. 3, § 115 Abs. 2 Nr. 3; GG Art. 103 Abs. 1
Verfahrensgang
FG Berlin (Urteil vom 26.08.2004; Aktenzeichen 4 K 3470/03) |
Gründe
Die Beschwerde ist unbegründet. Die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
1. Das angefochtene Urteil ist entgegen der Rüge der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) nicht deshalb eine gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör (§§ 96 Abs. 2, 119 Nr. 3 FGO, Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes --GG--) verstoßende Überraschungsentscheidung, weil das Finanzgericht (FG) in der mündlichen Verhandlung nicht ausdrücklich auf die Unzulässigkeit der Klage hingewiesen hat. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) liegt eine Überraschungsentscheidung vor, wenn das Gericht seine Entscheidung auf einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt gestützt und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gegeben hat, mit der alle oder einzelne Beteiligte nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht rechnen mussten (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 17. Februar 1998 VIII R 28/95, BFHE 186, 29, BStBl II 1998, 505, m.w.N., unter II.A. der Gründe).
Diese Voraussetzung ist im Streitfall nicht erfüllt. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) hatte in seiner Klageerwiderung vom 13. Januar 2004 darauf hingewiesen, dass Gegenstand des anhängigen Klageverfahrens allein die Ablehnung des Antrags auf abweichende Steuerfestsetzung gemäß § 163 der Abgabenordnung (AO 1977) sei und dass in dem hier zu entscheidenden Rechtsstreit die Höhe des Übergangsgewinns nicht angefochten werden könne. Damit war offensichtlich, dass zwischen den Beteiligten umstritten war, ob die Klage mit dem Begehren auf Herabsetzung des Übergangsgewinns auf null DM zulässig war. Bestand zwischen den Beteiligten aber gerade Streit über die Zulässigkeit des Klagebegehrens, konnte das FG dem Verfahren mit der Abweisung der Klage als unzulässig keine unvorhersehbare Wendung geben.
2. Das FG hat entgegen der Auffassung der Klägerin nicht gegen den Inhalt der Akten verstoßen (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO), soweit es die Klage wegen des Hilfsantrags mit der Begründung als unzulässig abgewiesen hat, dass insoweit kein behördliches Vorverfahren vorausgegangen sei. Denn entgegen der Rüge der Klägerin ergab sich aus dem Schriftsatz des FA vom 13. Januar 2004 nicht, dass wegen des Begehrens, den Übergangsgewinn im Wege der Billigkeit auf null DM festzusetzen, ein Vorverfahren durchgeführt worden war. Das FA hat im Gegenteil in diesem Schriftsatz ausgeführt, dass Gegenstand der mit der Klage angefochtenen Einspruchsentscheidung ausschließlich die Frage sei, ob der bestandskräftig festgestellte Übergangsgewinn gemäß § 163 AO 1977 im Billigkeitswege auf drei Jahre zu verteilen sei. Es hat zwar zusätzlich darauf hingewiesen, dass "im Übrigen" der Gewinn der Klägerin auch entgegen ihrer Auffassung zugeflossen sei (Seite 3 des Schriftsatzes vom 13. Januar 2004). Diese Aussage des FA in einem bereits anhängigen Klageverfahren ist aber kein Vorverfahren i.S. des § 44 FGO und kann ein solches auch nicht ersetzen.
3. Die Klägerin hat auch eine Divergenz (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) zwischen der Vorentscheidung und der Rechtsprechung des BFH nicht schlüssig bezeichnet. Denn in der Beschwerdebegründung wird nicht ein tragender Rechtssatz des FG-Urteils herausgearbeitet und einem ebenfalls tragenden Rechtssatz des angeblichen Divergenzurteils so gegenübergestellt, dass die Abweichung erkennbar wird (vgl. dazu z.B. BFH-Beschlüsse vom 30. März 1983 I B 9/83, BFHE 138, 152, BStBl II 1983, 479; vom 8. März 2004 VII B 334/03, BFH/NV 2004, 974).
Im Übrigen ist eine Abweichung der Vorentscheidung von der Rechtsprechung des BFH auch nicht ersichtlich. Entgegen der Auffassung der Klägerin lässt die Entscheidung des FG, die Klage mit dem Begehren, das FA zu verpflichten, den Übergangsgewinn auf null DM festzusetzen, sei deshalb unzulässig, weil dieses Begehren erstmals mit der Klage gestellt und insoweit kein behördliches Vorverfahren durchgeführt worden sei (§ 44 Abs. 1 FGO), keinen Fehler erkennen.
Fundstellen
Haufe-Index 1453980 |
BFH/NV 2006, 111 |