Entscheidungsstichwort (Thema)
Erstattungsfähigkeit der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen aus Billigkeitsgründen
Leitsatz (NV)
Hat der Beigeladene das Verfahren durch schriftsätzliche Ausführungen gefördert und setzt er sich mit seiner Rechtsauffassung in dem durch den Kläger veranlaßten Rechtsstreit durch, an dem er ohne sein Zutun beteiligt worden ist, entspricht es der Billigkeit, dem Kläger die Erstattung der außergewöhnlichen Kosten des Beigeladenen aufzuerlegen.
Normenkette
FGO §§ 109, 110 Abs. 1 Nr. 1, § 139 Abs. 4
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger), der mit seiner Ehefrau zusammen zur Vermögensteuer veranlagt wurde, erwarb mit Vertrag vom 9. Dezember 1980 ein Grundstück gegen einen Kaufpreis von ... DM. Nutzungen und Lasten gingen mit dem 10. Januar 1981 auf den Käufer über. Eine erste Kaufpreisrate wurde im Januar 1981 gezahlt. Bei der Vermögensteuerveranlagung auf den 1. Januar 1981 lehnte es der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) ab, die Kaufpreisschuld von ... DM als Verbindlichkeit vom Rohvermögen abzuziehen. Hiergegen richtete sich die Klage.
Das Finanzgericht (FG) hat den Verkäufer des Grundstücks auf Antrag des FA beigeladen. Der Beigeladene, der sich im finanzgerichtlichen Verfahren schriftsätzlich zur Rechtsfrage des Ansatzes der Kaufpreisforderung in seinem Vermögen äußerte, stellte keine Sachanträge, stimmte aber einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zu. Das FG gab der Klage statt und ermäßigte die Vermögensteuer entsprechend.
Hiergegen legte das FA Revision ein. Im Revisionverfahren nahm der Beigeladene zu den durch den Rechtsstreit aufgeworfenen materiell-rechtlichen Fragen mit Schriftsätzen vom 21. August 1989 und 7. August 1990 Stellung, ohne jedoch einen förmlichen Sachantrag zu stellen.
Der Senat hat auf die mündliche Verhandlung vom 11. Dezember 1991 das angegriffene Urteil des FG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die Kosten des gesamten Verfahrens wurden den Klägern auferlegt. Eine Entscheidung über die Erstattungsfähigkeit der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen wurde nicht getroffen.
Das Urteil wurde an den Prozeßbevollmächtigten des Beteiligten mittels eingeschriebenen Briefes am 21. Januar 1992 abgesandt. Der Beigeladene hat mit Schreiben seines Prozeßbevollmächtigten vom 5. Februar 1992, das dem Bundesfinanzhof (BFH) durch Telefax am 6. Februar 1992 zugegangen ist, beantragt, das Urteil vom 21. Januar 1992 dahingehend zu ergänzen, daß die Kläger auch die Kosten des Beigeladenen zu tragen haben. Zur Begründung macht er geltend, daß er mit seinen Schriftsätzen zur Förderung der Entscheidung beigetragen und zudem im finanzgerichtlichen Verfahren auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet habe. Ohne diese Verzichtserklärung hätte das FG nicht durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden können. Es entspreche daher der Billigkeit i. S. des §139 Abs. 4 der Finanzgerichtsordnung (FGO), die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen der unterliegenden Partei aufzuerlegen.
Die Kläger sind dem Antrag entgegengetreten.
Die Kläger hatten gegen das Senatsurteil vom 11. Dezember 1991 Verfassungsbeschwerde erhoben, die das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) nicht zur Entscheidung angenommen hat.
Entscheidungsgründe
Der Antrag des Beigeladenen auf Ergänzung des Senatsurteils vom 11. Dezember 1991 nach §109 FGO ist entgegen der Auffassung der Kläger zulässig, da bisher über die Erstattungsfähigkeit der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen nicht entschieden wurde (BFH-Beschluß vom 23. Februar 1968 III B 2/67, BFHE 91, 559, BStBl II 1968, 441). Der Ergänzungsantrag wurde rechtzeitig innerhalb der Zwei-Wochen-Frist des §109 Abs. 2 Satz 1 FGO gestellt.
Der Antrag ist auch begründet.
Nach §139 Abs. 4 FGO sind die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen nur dann erstattungsfähig, wenn das Gericht sie aus Billigkeitsgründen der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt. Im Streitfall entspricht es der Billigkeit, daß die Kläger die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu tragen haben. Zwar hat der Beigeladene weder im finanzgerichtlichen Verfahren noch im Verfahren vor dem BFH förmliche Sachanträge gestellt, die ihn einem Kostenrisiko gemäß §135 Abs. 3 FGO ausgesetzt hätten (vgl. BFH-Urteil vom 22. Oktober 1991 VIII R 81/87, BFHE 165, 482, BStBl II 1992, 147). Doch hat der Beigeladene nicht nur das finanzgerichtliche Verfahren durch schriftsätzliche Ausführungen seines Prozeßbevollmächtigten zu der durch den Rechtsstreit aufgeworfenen Rechtsfrage des Ansatzes eines Sachleistungsanspruchs bzw. einer entsprechenden Sachleistungsverpflichtung mit dem Einheitswert des zu übereignenden Forstguts sowie durch den Verzicht auf mündliche Verhandlung unterstützt, sondern auch das Verfahren beim BFH durch entsprechende Rechtsausführungen in den Schriftsätzen vom 21. August 1989 und vom 7. August 1990 gefördert. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, daß das FA durch seinen Antrag die Beiladung durch das FG veranlaßt hat. Der Beigeladene konnte sich daher der Teilnahme am Verfahren nicht entziehen (vgl. Schwarz in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, §139 FGO Rz. 248). Zwar trifft der Hinweis der Kläger zu, daß der Beigeladene -- wäre eine Beiladung unterblieben -- bei einem dem Begehren der Kläger stattgebenden Urteil des BFH etwaige vom FA daraus abgeleiteten steuernachteiligen Folgen in einem gesonderten Verfahren hätte angreifen können. Doch ist es gerade Sinn und Zweck der Beiladung, ein weiteres finanzgerichtliches Verfahren dadurch zu vermeiden, daß der Beigeladene bereits am Verfahren der Kläger beteiligt wird. Der Beigeladene, der durch das Urteil gemäß §110 Abs. 1 Nr. 1 FGO gebunden wird, erhält auf diese Weise die Möglichkeit, seinen Rechtsstandpunkt vorzutragen und ggf. steuerlich nachteilige Folgen für sich abzuwenden. Setzt sich der Beigeladene -- wie im Streitfall -- mit seiner Rechtsauffassung in dem durch den Kläger veranlaßten Rechtsstreit durch, an dem er ohne sein Zutun beteiligt worden ist, erscheint es daher billig, die Erstattung seiner außergerichtlichen Kosten dem unterliegenden Kläger aufzuerlegen.
Soweit die Kläger pauschal geltend machten, die Auferlegung der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu Lasten der Kläger verletze deren Grundrechte aus Art. 2, 3, 19 Abs. 4 und Art. 25 des Grundgesetzes, vermag der Senat dem nicht zu folgen.
Fundstellen
Haufe-Index 66792 |
BFH/NV 1998, 620 |