Entscheidungsstichwort (Thema)
Antrag auf PKH für die Durchführung eines Rechtsmittelverfahrens
Leitsatz (NV)
Wird PKH für die Durchführung eines Rechtsmittelverfahrens (hier: Nichtzulassungsbeschwerde) beantragt und wird ‐ wie hier ‐ nicht zugleich innerhalb der Rechtsmittel-Frist durch eine vor dem BFH postulationsfähigen Person oder Gesellschaft (vgl. § 62a FGO) das Rechtsmittel (Nichtzulassungsbeschwerde) eingelegt, kann die beabsichtigte Rechtsverfolgung nur dann Aussicht auf Erfolg haben, wenn damit zu rechnen ist, dass dem Antragsteller wegen Versäumung der Rechtsmittelfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist. Das ist nur dann der Fall, wenn der Antragsteller innerhalb der Rechtsmittelfrist alle erforderlichen Voraussetzungen für eine positive Entscheidung für seinen Antrag schafft. Dazu gehört auch, dass der Antragsteller innerhalb dieser Frist eine Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorlegt.
Normenkette
FGO §§ 56, 142; ZPO §§ 114, 117
Tatbestand
I. Der Kläger und Antragsteller (Antragsteller) ist verheiratet und wird für das Streitjahr (2003) mit seiner Ehefrau zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Die Ehefrau hat im Streitjahr Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erzielt.
Der Antragsteller betreibt einen Versandhandel mit Antiquitäten und anderen Sammlungsstücken. Anlässlich einer Außenprüfung kam es zwischen dem Antragsteller und dem Beklagten (Finanzamt --FA--) zu erheblichen, bis in die Gegenwart anhaltenden Spannungen, die dazu führten, dass es der Antragsteller seit 1990 ablehnt, die mit der Ausübung seines Gewerbes verbundenen steuerlichen Erklärungs-, Aufzeichnungs- und Mitwirkungspflichten zu erfüllen.
Vor diesem Hintergrund wurden die Einkommensteuererklärungen in den vergangenen Jahren und auch im Streitjahr 2003 weitgehend von der Ehefrau des Antragstellers ausgefüllt. Der Antragsteller machte jeweils in der ihn betreffenden Anlage GSE zur Einkommensteuererklärung entweder gar keine Angaben (so etwa für den Veranlagungszeitraum 2001) oder trug einen Verlust aus Gewerbebetrieb ein, ohne diesen durch Beifügung einer Überschussrechnung zu substantiieren und glaubhaft zu machen (so z.B. für die Veranlagungszeiträume 2002 und 2003). In allen Jahren beantragten die Ehegatten die Zusammenveranlagung und unterschrieben die Einkommensteuererklärungen gemeinsam.
Das FA ermittelte die Einkünfte des Antragstellers aus Gewerbebetrieb jeweils im Wege der Schätzung der Besteuerungsgrundlagen. So schätzte es für das Streitjahr 2003 einen Umsatz von 6 000 € sowie einen Gewinn in Höhe von (20 v.H. des Umsatzes =) 1 200 €.
Mit seinem gegen den entsprechenden Einkommensteuerbescheid 2003 erhobenen Einspruch begehrte der Antragsteller u.a. das Ruhen des Verfahrens mit der Begründung, er betreibe seit einiger Zeit vor dem Oberlandesgericht (OLG) X ein Klageerzwingungsverfahren wegen fortwährender --zwanzigjähriger-- Menschenrechtsverletzung.
Das FA wies den Einspruch als unbegründet zurück. Mit seiner dagegen gerichteten Klage brachte der Antragsteller vor, in seinem sich seit 1989 hinziehenden Rechtsstreit gehe es um die ihm durch die (Finanz-)Behörden zugefügten "extremen Menschenrechtsverletzungen, wie sie mit aller größter Wahrscheinlichkeit seit 1945 von keiner deutschen Behörde mehr begangen" worden seien. Als Beleg dafür legte er dem Finanzgericht (FG) eine 145-seitige Darstellung der Geschehnisse vor, die nach seiner Auffassung dazu geführt haben, dass er durch die staatlichen Organe seiner Freiheit, seiner Gesundheit und seines Eigentums beraubt, versklavt und in seiner menschlichen Würde zutiefst verletzt worden sei. Der Antragsteller trug des Weiteren u.a. vor, dass er aufgrund des verfassungsrechtlichen Widerstandsrechts wegen der von ihm geschilderten schwersten Rechtsverletzungen berechtigt sei, sich der vom FA geforderten Erfüllung seiner steuerlichen Erklärungs- und Mitwirkungspflichten zu entziehen.
Der Antragsteller beantragte, das Klageverfahren auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) die Frage vorzulegen, ob die Besteuerung seiner Person wegen massiver Menschenrechtsverletzungen verfassungswidrig sei, hilfsweise, den Einkommensteuerbescheid 2003 zu ändern und die Einkommensteuer nach "Streichung" der Einkünfte aus Gewerbebetrieb neu zu berechnen.
Das FG hat die Klage als unbegründet abgewiesen. Es hat u.a. ausgeführt, die gesetzlichen Regelungen, wonach jeder Bürger unter bestimmten Voraussetzungen umfassende und wahrheitsgemäße Angaben zu machen habe, die ihrerseits die Grundlage zur Festsetzung und Erhebung der gesetzmäßigen Steuern bildeten, verstießen nicht gegen die Verfassung, sondern trügen im Gegenteil erst dazu bei, eine am Gleichheitssatz orientierte Besteuerung zu ermöglichen.
Da der Antragsteller seinen steuerlichen Erklärungs- und Aufzeichnungspflichten nicht nachgekommen sei, sei das FA berechtigt gewesen, die Besteuerungsgrundlagen gemäß § 162 der Abgabenordnung (AO 1977) zu schätzen und dem Antragsteller hierbei in geringem Umfang positive Einkünfte aus Gewerbebetrieb zuzurechnen. Zwar habe der Antragsteller wiederholt vorgetragen, dass seine betrieblichen Aufwendungen in allen Jahren wesentlich höher gewesen seien als seine Betriebseinnahmen. Soweit er indes zur Glaubhaftmachung dieses Vortrages in der mündlichen Verhandlung zwei aus mehreren DIN A 4-Blättern zusammengeklebte Bögen überreicht habe, die einen Teil seiner Umsätze und seiner Betriebsausgaben im zweiten Halbjahr 2004 und im ersten Halbjahr 2005 enthalten sollten, seien diese Unterlagen für das Gericht weder auf ihre Vollständigkeit für bestimmte Zeiträume noch auf ihre grundsätzliche Repräsentativität und damit Übertragbarkeit auf die betrieblichen Verhältnisse des Streitjahres überprüfbar.
Das Gericht schließe sich der vom FA vorgenommenen Schätzung auch der Höhe nach in vollem Umfang an.
Das klageabweisende Urteil, in welchem die Revision nicht zugelassen wurde, ist dem Antragsteller am 24. September 2005 zugestellt worden. Mit beim Bundesfinanzhof (BFH) am 22. Oktober 2005 eingegangenem Schreiben hat er beantragt, ihm für eine Nichtzulassungsbeschwerde gegen dieses Urteil Prozesskostenhilfe (PKH) zu gewähren und einen Rechtsanwalt beizuordnen. Mit weiterem Schriftsatz vom 7. Dezember 2005, eingegangen beim BFH am selben Tag, hat der Antragsteller seinen PKH-Antrag begründet. Am 9. Dezember 2005 hat er dem BFH eine Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorgelegt.
Entscheidungsgründe
II. Der Antrag auf Gewährung von PKH ist unbegründet und deshalb abzulehnen.
1. Nach § 142 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 114 der Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Dem beim Prozessgericht zu stellenden Antrag (§ 117 Abs. 1 Satz 1 ZPO) sind eine Erklärung der Partei über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie entsprechende Belege beizufügen (§ 117 Abs. 2 ZPO).
2. Die im vorliegenden Fall beabsichtigte Rechtsverfolgung durch Erhebung einer Nichtzulassungsbeschwerde bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.
a) Dies folgt zwar noch nicht allein daraus, dass die Nichtzulassungsbeschwerde nicht innerhalb der Monatsfrist des § 116 Abs. 2 Satz 1 FGO durch eine vor dem BFH vertretungsbefugte Person oder Gesellschaft i.S. des § 62a FGO erhoben worden ist. Denn einem Beteiligten, der wegen Mittellosigkeit nicht in der Lage ist, ein Rechtsmittel, das dem Vertretungszwang unterliegt, wirksam zu erheben, kann Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (vgl. § 56 FGO) gewährt werden.
Dies erfordert allerdings, dass der Rechtsmittelführer innerhalb der Rechtsmittelfrist alles Zumutbare unternimmt, um das --hier in seiner Mittellosigkeit liegende-- Hindernis zu beheben. Er muss innerhalb dieser Frist alle Voraussetzungen für die Bewilligung der PKH zur Einlegung des Rechtsmittels schaffen (vgl. Senatsbeschluss vom 17. September 2002 X S 4/02 (PKH), BFH/NV 2003, 73).
b) Im Streitfall hat der Antragsteller diesem Erfordernis nicht genügt, weil er weder innerhalb der Frist zur Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde noch innerhalb der am 24. November 2005 abgelaufenen Beschwerdebegründungsfrist die erst am 9. Dezember 2005 beim BFH eingegangene "Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse" vorgelegt hat (vgl. hierzu z.B. Senatsbeschluss vom 28. September 2005 X S 15/05 (PKH), BFH/NV 2005, 2249; ferner Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 142 Rz. 12, m.w.N.).
c) Selbst wenn dem Antragsteller wegen dieser Versäumnis --was offen bleiben kann-- Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden könnte, ist der Antrag auf PKH jedenfalls deswegen abzulehnen, weil eine Nichtzulassungsbeschwerde des Antragstellers keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.
Nach § 115 Abs. 2 FGO ist die Revision nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des BFH erfordert oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann.
Der angerufene Senat vermag bei der gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung des umfänglichen Vortrages des Antragstellers, des Inhalts der Akten und des vom Antragsteller beanstandeten FG-Urteils keinen hinlänglichen Grund i.S. des § 115 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 FGO zu erkennen, der eine Zulassung der Revision rechtfertigen könnte. Der vorliegende Sachverhalt wirft keine über den spezifisch gelagerten Einzelfall des Antragstellers hinausreichende allgemein bedeutsame Rechtsfrage auf, welche die Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 und/oder Nr. 2 Alternative 1 FGO gebietet. Überdies vermag der Senat auch nicht zu erkennen, dass das FG mit einem bestimmten, in dem "inkriminierten" Urteil aufgestellten Rechtssatz von der Entscheidung eines anderen Gerichts zu derselben Rechtsfrage abgewichen wäre (vgl. § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO). Ebenso wenig ist ersichtlich, dass das FG-Urteil infolge schwerwiegender materiell-rechtlicher Fehler objektiv willkürlich erscheint und unter keinem denkbaren Gesichtspunkt rechtlich vertretbar ist (vgl. hierzu z.B. BFH-Beschluss vom 30. August 2001 IV B 79, 80/01, BFHE 196, 30, BStBl II 2001, 837; ferner Lange, Deutsche Steuer-Zeitung 2002, 782, 784). Schließlich beruht das FG-Urteil bei der gebotenen kursorischen Prüfung auch nicht auf einem Verfahrensmangel, der --auf der Grundlage des vom FG eingenommenen materiell-rechtlichen Standpunkts-- dessen Entscheidung beeinflussen konnte (vgl. zu letzterem z.B. Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz. 79 und 96, m.w.N. aus der Rechtsprechung des BFH).
3. Der Beschluss ergeht gerichtsgebührenfrei.
Fundstellen
Haufe-Index 1484078 |
BFH/NV 2006, 807 |