Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an Begründung; Verlesung von Sitzungsniederschriften
Leitsatz (NV)
1. Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist nur dann schlüssig dargelegt, wenn der Beschwerdeführer hinlänglich konkret und präzise eine für den Streitfall entscheidungserhebliche und einer aussagekräftigen Antwort zugängliche Rechtsfrage aufwirft.
2. Mit Einwendungen gegen die materielle Richtigkeit der Vorentscheidung einschließlich der Tatsachen- und Beweiswürdigung wird grundsätzlich kein Grund für die Zulassung der Revision geltend gemacht.
3. Rügt der Beschwerdeführer einen Verstoß des FG gegen die Verpflichtung zur Aufklärung des Sachverhalts, muss er sich zu einem möglichen Rügeverlust durch sein Verhalten in der mündlichen Verhandlung vor dem FG äußern.
4. Die Wiedergabe der Sachverhaltsdarstellung der Prozessbeteiligten in der Sitzungsniederschrift braucht nicht verlesen zu werden, soweit keine förmliche Vernehmung stattgefunden hat.
Normenkette
FGO § 76 Abs. 1, §§ 94, 115 Abs. 2, § 116 Abs. 3 S. 3; ZPO §§ 160, 162, 295
Verfahrensgang
FG Baden-Württemberg (Urteil vom 09.04.2008; Aktenzeichen 13 K 8/04) |
Gründe
Die Beschwerde ist unzulässig. Ihre Begründung entspricht nicht den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Danach müssen in der Beschwerdebegründung die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO dargelegt werden.
1. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) hat nicht schlüssig dargelegt, dass ein zur Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO führender Verfahrensmangel vorliege.
a) Ihrem Vorbringen lässt sich nicht entnehmen, warum das Finanzgericht (FG) verpflichtet gewesen sein soll, die in der Sitzungsniederschrift enthaltene Wiedergabe ihres Vorbringens und der Ausführungen ihres Prozessbevollmächtigten, eines Steuerberaters und Wirtschaftsprüfers, in der mündlichen Verhandlung vor dem FG zu verlesen.
Das Protokoll ist nach § 94 FGO i.V.m. § 162 Abs. 1 Satz 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) insoweit den Beteiligten vorzulesen oder zur Durchsicht vorzulegen, als es Feststellungen nach § 160 Abs. 3 Nrn. 1, 3, 4, 5, 8, 9 ZPO oder zu Protokoll erklärte Anträge enthält. Die Sachverhaltsdarstellung der Prozessbeteiligten gehört dazu nicht, sofern sie nicht ausnahmsweise gemäß § 81 Abs. 1 Satz 2 und § 82 FGO i.V.m. §§ 450 ff. ZPO ausdrücklich als Partei vernommen worden sind (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 16. Mai 2007 V B 169/06, BFH/NV 2007, 1454). Nur bei einer solchen förmlichen Vernehmung ist die Aussage des vernommenen Beteiligten nach § 160 Abs. 3 Nr. 4 ZPO zu protokollieren und eine Verlesung oder Vorlage zur Durchsicht gemäß § 162 Abs. 1 Satz 1 ZPO vorgeschrieben.
Die Klägerin macht selbst nicht geltend, dass sie vom FG förmlich vernommen worden sei. Nach der Sitzungsniederschrift wurde sie lediglich "informatorisch angehört".
b) Das Vorbringen, das FG habe gegen seine Verpflichtung zur Aufklärung des Sachverhalts (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) verstoßen und insbesondere schriftsätzlich gestellte Beweisanträge zu Unrecht übergangen, ist ebenfalls nicht schlüssig. Es fehlen nämlich die erforderlichen Ausführungen zu einem möglichen Rügeverlust nach § 155 FGO i.V.m. § 295 ZPO. Die Klägerin hat nicht substantiiert dargelegt, dass sie in der mündlichen Verhandlung vor dem FG das Unterlassen einer weiteren Aufklärung des Sachverhalts und das Übergehen ihrer Beweisanträge gerügt habe oder warum ihr eine solche Rüge nicht möglich gewesen sei (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 30. Juni 2005 X B 173/04, BFH/NV 2005, 1850; vom 8. Juli 2008 IX B 42/08, BFH/NV 2008, 1844; vom 22. Juli 2008 II B 18/08, BFH/NV 2008, 1866, und vom 27. August 2008 IX B 207/07, BFH/NV 2008, 2022, je m.w.N.). Aus der Sitzungsniederschrift des FG lassen sich keine entsprechenden Rügen entnehmen. Mit dem Schriftsatz vom 28. April 2008 hat die Klägerin insoweit auch keine Protokollberichtigung beantragt.
c) Mit den Einwendungen gegen die materielle Richtigkeit der Vorentscheidung einschließlich der Tatsachen- und Beweiswürdigung macht die Klägerin keine Verfahrensmängel, sondern Verstöße gegen materielles Recht und somit keinen Grund für die Zulassung der Revision geltend (BFH-Beschlüsse vom 2. Oktober 2007 IX B 24/07, BFH/NV 2008, 92; vom 8. Oktober 2007 III B 55/06, BFH/NV 2008, 95; vom 30. Oktober 2007 VIII B 153/06, BFH/NV 2008, 389, und vom 18. Dezember 2007 XI B 16/07, BFH/NV 2008, 595). Das prozessuale Rechtsinstitut der Nichtzulassungsbeschwerde dient nicht dazu, allgemein die Richtigkeit finanzgerichtlicher Urteile zu gewährleisten (BFH-Beschlüsse vom 7. Dezember 2007 VIII B 68/07, BFH/NV 2008, 590; vom 7. Dezember 2007 VIII B 110/07, BFH/NV 2008, 613, und vom 20. Februar 2008 VIII B 103/07, BFH/NV 2008, 980).
2. Die Klägerin hat auch nicht substantiiert ausgeführt, dass der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) zukomme.
a) Die Darlegung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache verlangt --von vorliegend nicht gegebener Offenkundigkeit abgesehen-- substantiierte Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit einer hinreichend bestimmten Rechtsfrage, die im konkreten Streitfall voraussichtlich klärbar ist und deren Beurteilung zweifelhaft oder umstritten ist. Hierzu muss sich der Beschwerdeführer insbesondere mit der Rechtsprechung des BFH und den Äußerungen im Schrifttum auseinandersetzen (BFH-Beschlüsse vom 19. Juli 2007 V B 66/06, BFH/NV 2007, 2067; vom 14. September 2007 VIII B 20/07, BFH/NV 2008, 25, und vom 30. Januar 2008 V B 57/07, BFH/NV 2008, 611). Es sind Ausführungen erforderlich, aus denen sich ergibt, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Beantwortung der Rechtsfrage zweifelhaft und umstritten ist (BFH-Beschlüsse vom 30. August 2001 IV B 79, 80/01, BFHE 196, 30, BStBl II 2001, 837; vom 18. April 2005 II B 98/04, BFH/NV 2005, 1310; vom 24. Januar 2008 X B 87/07, BFH/NV 2008, 605, und in BFH/NV 2008, 611).
Liegt zu der Rechtsfrage bereits höchstrichterliche Rechtsprechung vor, so gehört zur Darlegung der Klärungsbedürftigkeit eine fundierte Stellungnahme dazu, weshalb diese Rechtsprechung noch nicht zu einer hinreichenden Klärung geführt habe oder aufgrund welcher neuen Entwicklung sie nunmehr erneut in Frage gestellt werden müsse (BFH-Beschluss vom 19. Oktober 2007 II B 107/06, BFH/NV 2008, 573, m.w.N.).
b) Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.
aa) Die Klägerin sieht die Frage als klärungsbedürftig an, was ein Steuerbürger unternehmen muss bzw. unternehmen kann, um Anschuldigungen, die die Finanzverwaltung gegen ihn erhebt, zu entkräften.
bb) Nähere Ausführungen zu einer über die konkrete Streitsache hinausgehenden Klärungsbedürftigkeit dieser Frage fehlen. Die Klägerin hat sich nicht mit Rechtsprechung und Literatur zu den Mitwirkungspflichten der Steuerpflichtigen im finanzgerichtlichen Verfahren gemäß § 76 Abs. 1 Sätze 2 und 3 FGO und in Fällen mit Auslandsbezug nach § 76 Abs. 1 Satz 4 FGO i.V.m. § 90 Abs. 2 der Abgabenordnung auseinandergesetzt (vgl. dazu z.B. Gräber/Stapperfend, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 76 Rz 37 bis 50; Seer in Tipke/Kruse, § 76 FGO Rz 49 bis 93; Thürmer in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 76 FGO Rz 110 bis 131, je m.w.N. zur Rechtsprechung und Literatur) und nicht ausgeführt, inwiefern insoweit in Rechtsprechung und Literatur Meinungsverschiedenheiten bestünden und deshalb bezogen auf die vorliegende Streitsache noch weiterer Klärungsbedarf bestehe.
cc) Im Übrigen ist die von der Klägerin gestellte Frage so allgemein gehalten, dass eine abstrakte Beantwortung in einem Revisionsverfahren nicht möglich wäre. Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO ist nur dann schlüssig dargelegt, wenn der Beschwerdeführer hinlänglich konkret und präzise eine für den Streitfall entscheidungserhebliche und einer aussagekräftigen Antwort zugängliche Rechtsfrage aufwirft (BFH-Beschluss vom 1. August 2005 X B 14/05, BFH/NV 2005, 2004).
Fundstellen