Leitsatz (amtlich)
Bei der Zustellung an eine Behörde gegen Empfangsbekenntnis (§ 5 Abs. 2 VwZG) ist das Schriftstück jedenfalls an dem Tag zugestellt, an dem es erstmals in die Hände eines zur Inempfangnahme bereiten zeichnungsberechtigten Beamten gelangt ist. Eine anderslautende Datumsangabe auf dem Empfangsbekenntnis ist demgegenüber unbeachtlich.
Normenkette
VwZG § 5 Abs. 2
Tatbestand
Materiell ist streitig, ob der verstorbene und von seiner Ehefrau und seinen Kindern - den jetzigen Revisionsbeklagten - beerbte Kläger Grundstücke aus dem Betriebsvermögen in das Privatvermögen überführt und hierdurch einen bei der Einkommensteuer 1965 zu berücksichtigenden Entnahmegewinn verwirklicht hat.
In formeller Hinsicht ist streitig, ob der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) die Revision rechtzeitig eingelegt hat.
Das Finanzgericht (FG) hatte in dem vom FA angegriffenen Urteil der Klage, die sich gegen den Ansatz eines Entnahmegewinns von 833 000 DM gerichtet hatte, entsprochen. Das Urteil vom 23. November 1972 wurde dem Kläger It. Postzustellungsurkunde am 13. Dezember 1972 zugestellt. Die Zustellung an das FA erfolgte gegen Empfangsbekenntnis (§ 5 Abs. 2 des Verwaltungszustellungsgesetzes - VwZG -). Das Empfangsbekenntnis trägt den mit Grünstift abgestrichenen Eingangsstempel vom 14. Dezember 1972 und bestätigt den Empfang mit Datum vom 19. Dezember 1972. Das Empfangsbekenntnis ist "Im Auftrag" unterzeichnet.
Das FA legte mit Schriftsatz vom 15. Januar 1973 Revision ein. Dieser Schriftsatz ging am Dienstag, dem 16. Januar 1973, beim FG ein.
Die Revisionsbeklagten rügen, die Revision sei verspätet eingelegt und daher unzulässig. Sie verweisen unter Hinweis auf den Kommentar zur Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung von Hübschmann/Hepp/Spitaler (jetzt 7. Aufl.), § 5 VwZG Rdnr. 5, auf die ständige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach bei Zustellung nach § 5 Abs. 2 VwZG an Behörden der Eingang bei der Behörde der maßgebliche Zeitpunkt sei. Da das FG-Urteil beim FA am 14. Dezember 1972 eingegangen sei, sei die am 16. Januar 1973 beim FG eingegangene Revision verspätet.
Das FA hat zu dieser Erwiderung auf seinen Revisionsantrag, die Vorentscheidung aus materiellen Gründen aufzuheben, keine Stellung genommen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unzulässig.
Nach § 120 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Revision innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils einzulegen. Die Zustellung kann, wie dies im Streitfall bei der Zustellung an das FA geschehen ist, nach § 5 Abs. 2 VwZG an die dort genannten Adressaten, u. a. also an Behörden, gegen Empfangsbekenntnis erfolgen, ohne daß die in § 5 Abs. 1 VwZG vorgesehenen Förmlichkeiten (insbesondere der Vermerk des Zustellungsdatums auf dem Schriftstück durch einen zustellenden Bediensteten) erfüllt sein müssen. Als Nachweis der Zustellung genügt vielmehr das mit Datum und Unterschrift versehene Empfangsbekenntnis.
Wie der Bundesfinanzhof (BFH) im Beschluß vom 24. September 1975 II R 1/75 (BFHE 117, 11, BStBl II 1976, 46) dargelegt hat, bestehen in der höchstrichterlichen Rechtsprechung unterschiedliche Auffassungen darüber, ob die Zustellung nach § 5 Abs. 2 VwZG bereits mit dem Eingang bei der Posteingangsstelle der Behörde oder erst in dem Zeitpunkt wirksam wird, in dem ein zuständiger zeichnungsberechtigter Beamter zur Annahme bereit ist. Wie in dem genannten Beschluß des II. Senats bedarf jedoch auch hier die Streitfrage keiner Entscheidung. Denn wie der II. Senat mit Recht betont hat, ist entscheidend für den Zeitpunkt der Zustellung jedenfalls nicht der Zugang beim Letztbearbeiter, in der Regel also dem Sachbearbeiter. Dieser mag im Streitfall - aus welchen Gründen auch immer - das FG-Urteil und das Empfangsbekenntnis erst am 19. Dezember 1972 erhalten haben. Das Empfangsbekenntnis trägt jedoch den Eingangsstempel des FA vom 14. Dezember 1972, der mit Grünstift abgestrichen ist. Das beweist, daß das Schriftstück vorher dem Vorsteher des FA zur Kenntnis gelangt ist. Da nicht unterstellt werden kann, daß der Vorsteher zur Inempfangnahme eines sein FA betreffenden FG-Urteils nicht bereit gewesen sei, ist somit jedenfalls mit der Kenntnisnahme durch ihn die Zustellung nach § 5 Abs. 2 VwZG erfolgt. Wann der genaue Zeitpunkt dieser Kenntnisnahme durch den Vorsteher war, steht zwar nicht fest. Dann muß aber, wie der II. Senat (a. a. O.) ausgeführt hat, das FA gegen sich gelten lassen, daß die Zustellung an dem Tag erfolgt ist, an dem das Schriftstück nach dem normalen Verlauf der Dinge erstmals in die Hände eines zeichnungsberechtigten Beamten - hier also des Vorstehers - gelangt ist. Da in der Regel die eingehende und dem Vorsteher vorzulegende Post auch am Eingangstage dem Vorsteher vorgelegt wird, hat die Zustellung nach § 5 Abs. 2 VwZG am 14. Dezember 1972, jedenfalls aber nicht nach dem 15. Dezember 1972 stattgefunden. Das auf dem Empfangsbekenntnis angegebene Datum ist demgegenüber unbeachtlich (vgl. auch Beschluß des BFH vom 23. Juni 1971 I B 12/71, BFHE 102, 457, BStBl II 1971, 723). Damit lief die Revisionsfrist von einem Monat spätestens am Montag, dem 15. Januar 1973, ab, so daß die am 16. Januar 1973 eingegangene Revision verspätet war.
Das FA hat, obwohl ihm bekannt war, daß die Kläger Nichteinhaltung der Revisionsfrist gerügt hatten, Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 56 FGO) nicht vorgetragen. Da derartige Gründe auch nicht ersichtlich sind, war die Revision wegen der Versäumung der Revisionsfrist nach § 124, § 126 Abs. 1 FGO als unzulässig zu verwerfen.
Fundstellen
Haufe-Index 72550 |
BStBl II 1978, 441 |
BFHE 1979, 18 |