Entscheidungsstichwort (Thema)
Einstweilige Anordnung - Wegfall des Rechtsschutzinteresses
Leitsatz (NV)
Für den Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung, mit der das FA verpflichtet werden soll, die Vollstreckung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über einen Stundungsantrag einstweilen einzustellen, ist das Rechtsschutzinteresse entfallen, wenn der Antragsteller während des beim BFH anhängigen Beschwerdeverfahrens die rückständigen Steuern an das FA entrichtet.
Normenkette
FGO § 114; AO 1977 § 258
Tatbestand
Der Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller), ein selbständiger Handwerksmeister, war mit der Zahlung von Einkommensteuer in Höhe von ca. 30 000 DM im Rückstand. Der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA - ) lehnte einen Antrag des Antragstellers auf Stundung gegen Ratenzahlung ab; hiergegen legte der Antragsteller Beschwerde ein. Nachdem auch sein Antrag auf Vollstreckungsaufschub vom FA abgelehnt und Vollstreckungsmaßnahmen angedroht worden waren, beantragte der Antragsteller beim Finanzgericht (FG), das FA im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Stundungs- und Ratenzahlungsantrag vom 22. August 1988 wegen der rückständigen Steuern in Höhe von ca. 30 000 DM gemäß § 258 der Abgabenordnung (AO 1977) die Vollstreckung einstweilen einzustellen.
Das FG lehnte den Antrag mit der Begründung ab, der Antragsteller habe weder einen Anordnungsanspruch noch einen Anordnungsgrund für die begehrte einstweilige Anordnung dargelegt und glaubhaft gemacht (§ 114 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung - FGO - i. V. m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung - ZPO).
Es bestehe kein Anhaltspunkt dafür, daß die Ablehnung der Stundung durch das FA ermessensfehlerhaft sei. Soweit der Antragsteller als Anordnungsgrund vortrage, die Pfändung von Konten und Forderungen führe zur Existenzvernichtung, sei dem entgegenzuhalten, daß das FA Zwangsvollstreckungsmaßnahmen nur im allgemeinen angekündigt habe, nicht aber speziell die Pfändung von Konten und Forderungen. Im übrigen müsse eine Beeinträchtigung der Kreditwürdigkeit durch die Pfändungsmaßnahmen nicht zwangsläufig auch zur Existenzgefährdung führen.
Der Antragsteller legte gegen den Beschluß des FG Beschwerde ein und beantragte, diesen zu überprüfen. Er trug vor, es sei unbillig, einem Steuerzahler, der seine Schulden in einem halben Jahr tilgen könne und wolle, die angemessene Stundung und Ratenzahlung zu verweigern. Deshalb müsse ihm im vorliegenden Fall Rechtsschutz gegenüber unangemessenen Vollstreckungsmaßnahmen nach § 114 FGO gewährt werden.
Das FA beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen. Es teilte mit, daß der Antragsteller während des Beschwerdeverfahrens die rückständigen Steuerbeträge einschließlich der angefallenen Säumniszuschläge gezahlt hat.
Der Antragsteller entgegnete daraufhin mit Schriftsatz vom 26. Januar 1989, die Steuerrückstände seien entsprechend seinen Vorstellungen und Möglichkeiten, die er mit dem Stundungsbegehren vorgetragen habe, unter Einsatz aller verfügbaren Mittel im Januar 1989 getilgt worden. Die Anrufung des FG wäre ihm erspart geblieben, wenn das FA ermessensgerecht gehandelt hätte.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist unbegründet.
Der Antragsteller hat im Beschwerdeverfahren seinen vor dem FG gestellten Antrag - das FA im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Stundungsantrag gemäß § 258 AO 1977 die Vollstreckung einstweilen einzustellen - aufrecht erhalten. Denn er hat beantragt, den ablehnenden Beschluß des FG über seinen Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung zu überprüfen, ohne diesen Antrag im Verlaufe des Beschwerdeverfahrens zu ändern. Der Senat hat deshalb weiterhin darüber zu entscheiden, ob das FG die beantragte einstweilige Anordnung zu Recht abgelehnt hat. Für diesen Antrag ist aber das Rechtsschutzinteresse des Antragstellers entfallen, nachdem er die rückständigen Steuerbeträge, für die ihm Vollstreckungsaufschub gewährt werden sollte, an das FA gezahlt hat. Der beantragte Erlaß der einstweiligen Anordnung hat seinen Sinn verloren, da der Antragsteller seit der Zahlung eine Vollstreckung nicht mehr zu befürchten hat und er des begehrten einstweiligen Rechtsschutzes nicht mehr bedarf. Die Hauptsache im vorliegenden Verfahren hat sich damit erledigt. Da der Antragsteller daraus nicht die gebotenen prozessualen Konsequenzen gezogen hat (Erklärung der Erledigung der Hauptsache), sondern seinen Rechtsschutzantrag nach § 114 FGO aufrecht erhält, ist die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.
Da der Antragsteller mit seinem Rechtsmittel ohne Erfolg bleibt, hat er auch die Kosten des Verfahrens zu tragen (§ 135 Abs. 2 FGO). Der Senat hat nicht zu entscheiden, wie im Falle einer beiderseitigen Erledigungserklärung, die der Prozeßsituation seit der Tilgung der Steuerrückstände entsprochen hätte, gemäß § 138 Abs. 1 FGO über die Kosten zu entscheiden wäre; denn solche Erledigungserklärungen sind nicht abgegeben worden.
Fundstellen
Haufe-Index 416360 |
BFH/NV 1989, 794 |