Entscheidungsstichwort (Thema)

Wiederaufnahme des Verfahrens

 

Leitsatz (NV)

Die Wiederaufnahme eines auf Divergenz gestützten Beschwerdeverfahrens wegen Nichtzulassung der Revision kann nicht im Hinblick auf nachträglich beigebrachte Schriftstücke beantragt werden, mit denen die tatsächlichen Voraussetzungen der seinerzeit streitigen Steuervergünstigung belegt werden sollen.

 

Normenkette

FGO § 134; ZPO § 580 Nr. 7 Buchst. b

 

Tatbestand

Die Antragstellerin nahm im Oktober 1987 eine Beschäftigung in A auf und lebt seitdem in B bei ihrem jetzigen Ehemann. Ihre bisherige Wohnung in X hatte sie im Streitjahr 1992 beibehalten. Im Klageverfahren wegen Einkommensteuer 1992 war u. a. streitig, ob Aufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung als Werbungskosten zu berücksichtigen seien. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage insoweit ab, weil die beibehaltene Wohnung in X nicht mehr den Mittelpunkt der Lebens interessen der Antragstellerin gebildet habe. So habe sie im Streitjahr bereits seit fünf Jahren in A gearbeitet und nur fünf Fahrten nach X unternommen. Die auf Divergenz gestützte Beschwerde der Antragstellerin wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des FG hat der Bundesfinanzhof (BFH) mit Beschluß vom 13. November 1995 VI B 146/95 gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs als unbegründet zurückgewiesen.

Mit einem am 5. März 1996 eingegangenen Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten hat die Antragstellerin "Restitutionsklage" erhoben. Sie beantragt die Wiederaufnahme des Verfahrens VI B 146/95 unter Bezugnahme auf im Nachhinein beigebrachte Schriftstücke, die dem BFH bei seiner Entscheidung noch nicht vorgelegen hätten. Es handelt sich um ein Schreiben der Gemeinde A vom 29. August 1995, in dem der Antragstellerin bestätigt wird, daß in der Gemeinde seit Jahrzehnten akute Wohnungsnot bestehe und der Wohnungsantrag der Klägerin nicht habe berücksichtigt werden können. Außerdem wird eine am 7. September 1995 ausgestellte Bescheinigung des Arbeitgebers der Antragstellerin vorgelegt, wonach diese im Jahre 1992 an insgesamt 29 Sonnabenden gearbeitet habe. Die Antragstellerin trägt vor, die Voraussetzungen für die steuerliche Anerkennung einer doppelten Haushaltsführung seien erfüllt, da der Umzug in eine zumutbare Wohnung in A nicht möglich und die Abwesenheit von der Wohnung in X berufsbedingt gewesen sei.

 

Entscheidungsgründe

1. Der Wiederaufnahmeantrag ist statthaft.

Ein rechtskräftig beendetes Verfahren kann gemäß § 134 der Finanzgerichtsordnung (FGO) nach den Vorschriften der Zivilprozeßordnung -- ZPO -- (§§ 578 ff. ZPO) wieder aufgenommen werden. Zwar setzt dies nach dem Wortlaut des § 578 ZPO ein rechtskräftiges Endurteil voraus. Nach allgemeiner Ansicht kann jedoch auch ein durch Beschluß rechtskräftig beendetes Verfahren wieder aufgenommen werden; in diesem Fall ist anstelle einer Wiederaufnahmeklage ein Antrag auf Wiederaufnahme zu stellen (BFH-Beschluß vom 29. Januar 1992 VIII K 4/91, BFHE 165, 569, BStBl II 1992, 252). Daß die Antragstellerin demgegenüber eine Restitutionsklage erhoben hat, ist unschädlich. Da es maßgeblich nicht auf die Bezeichnung eines Rechtsmittels ankommt, sieht der Senat die Klage als Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens an (vgl. BFH-Beschluß vom 18. März 1988 V K 1/88, BFHE 152, 426, BStBl II 1988, 586).

2. Der Wiederaufnahmeantrag ist jedoch unzulässig.

a) Die Antragstellerin hat die Monatsfrist des § 586 Abs. 1 ZPO nicht eingehalten. Diese Frist beginnt mit Kenntnis des Wiederaufnahmegrundes, jedoch nicht vor Rechtskraft der Entscheidung des Vor prozesses. Der Beschluß über die Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde wurde am 23. November 1995 an die Bevollmächtigten der Antragstellerin abgesandt. Der Wiederaufnahmeantrag ging jedoch erst am 5. März 1996 beim BFH ein.

b) Der Antrag ist auch deshalb unzulässig, weil der geltend gemachte Wiederaufnahmegrund nicht schlüssig dargelegt worden ist (vgl. BFH-Beschluß in BFHE 165, 569, BStBl II 1992, 252, m. w. N.). Gemäß § 580 Nr. 7 Buchst. b ZPO kann die Restitutionsklage erhoben werden, wenn die Partei eine Urkunde auffindet oder zu benutzen in den Stand gesetzt wird, die eine ihr günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde. Im Streitfall ergeben die von der Antragstellerin vorgetragenen Tatsachen nicht den behaupteten Wiederaufnahmegrund. Die Antragstellerin behauptet lediglich, die von ihr nachgereichten Schriftstücke seien geeignet, in tatsächlicher Hinsicht die Voraussetzungen einer steuerlich anzuerkennenden doppelten Haushaltsführung zu belegen. Dieser Vortrag in Verbindung mit den neuen Schriftstücken wäre nicht geeignet gewesen, der Nichtzulassungsbeschwerde zum Erfolg zu verhelfen. Denn mit der Beschwerde war allein eine angebliche Divergenz, d. h. eine Abweichung des finanzgerichtlichen Urteils von einer Entscheidung des BFH in einem tragenden Rechtssatz, gerügt worden. Neues tatsächliches Vorbringen hätte keine günstigere Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde herbeiführen können.

3. Im Hinblick darauf, daß über die vorausgegangene Nichtzulassungsbeschwerde durch Beschluß entschieden worden ist, war auch über den Wiederaufnahmeantrag nicht durch Urteil, sondern durch Beschluß ohne mündliche Verhandlung (vgl. § 90 Abs. 1 Satz 2, § 121 FGO) zu befinden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 421673

BFH/NV 1997, 52

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