Entscheidungsstichwort (Thema)
Darlegungserfordernisse nach neuem Revisionszulassungsrecht; kein Fehler von erheblichem Gewicht bei im Ergebnis vertretbarer Entscheidung
Leitsatz (amtlich)
1. Unabhängig davon, ob der bisher in § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO a.F. enthaltene Revisionszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung weiterhin in § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO n.F. enthalten ist oder ob er nunmehr unter Nr. 2 der neuen Vorschrift (Erforderlichkeit der Rechtsfortbildung) zu fassen ist, macht es die in § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO geforderte Darlegung der Zulassungsvoraussetzungen notwendig, dass der Beschwerdeführer konkret auf die Rechtsfrage, ihre Klärungsbedürftigkeit und ihre über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung eingeht.
2. Zur Darlegung der Erforderlichkeit einer (Revisions-)Entscheidung des BFH zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO n.F.) gehört mindestens, dass in der Beschwerdebegründung das Urteil, von dem die Vorentscheidung abgewichen ist, und der Rechtssatz, den sie falsch ausgelegt oder angewandt hat, bezeichnet werden.
3. Unterstellt, nach § 115 Abs. 2 FGO n.F. führten auch Rechtsfehler von erheblichem Gewicht ohne Rücksicht auf ihre über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zur Zulassung der Revision, so ist die Revision jedenfalls dann nicht allein wegen eines solchen Fehlers zuzulassen, wenn sich die Rechtsauffassung des FG im Ergebnis als vertretbar erweist.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2, § 116 Abs. 3 S. 3; EStG § 4 Abs. 4, § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2
Nachgehend
Tatbestand
Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist von Beruf Steuerberater. Ferner ist er persönlich haftender Mitgesellschafter der A Steuerberatungsgesellschaft KG und der B Steuerberatungsgesellschaft KG. Die Gewinne beider Gesellschaften werden beim Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt ―FA―) unter der Bezeichnung A/B KG einheitlich und gesondert festgestellt.
In den Jahren 1983 bis 1995 wurde der Kläger Opfer von insgesamt 13 Einbrüchen oder Einbruchsversuchen in seinen PKW und sein Büro. Auf seine Strafanzeigen hin wurden jeweils Ermittlungsverfahren eingeleitet, die jedoch nur in einem Fall zur Aufklärung führten. Die übrigen Verfahren wurden mit der Begründung eingestellt, dass der Täter nicht zu ermitteln sei. Hierdurch sah der Kläger sich in seinen Grundrechten beeinträchtigt. In der Behandlung seiner Strafanzeigen und dem Umgang mit ihm sah er eine vorsätzliche Verletzung der ihm gegenüber bestehenden Amtspflichten seitens der ermittelnden Behörden. Aus der Sicht des Klägers handelt es sich um "schwerste Grundrechtsverletzungen", die bei ihm einen erheblichen seelischen Druck aufgestaut und zu gesundheitlichen Schäden geführt haben. Wegen dieser gesundheitlichen Störungen hat der Kläger nach seinem weiteren Vortrag berufliche und private Nachteile erlitten. Insbesondere beklagte er einen Rückgang von Mandanten.
Für diese Beeinträchtigungen forderte der Kläger von dem Bundesland C ein Schmerzensgeld in Höhe von 300 000 DM, eine Entschädigung für außerordentliche Aufwendungen zur Behandlung von Gesundheitsstörungen in Höhe von 320 575 DM sowie einen Ausgleich für krankheitsbedingte Einkommensverluste in den Jahren 1987 bis 1994 in Höhe von 1 023 157 DM. Seine diesbezügliche Klage wies das Landgericht D mit Urteil vom 1. September 1995 ab.
In einem weiteren vom Kläger geführten Rechtsstreit ging es darum, dass der Kläger die Prüfung zum vereidigten Buchprüfer nicht bestanden hatte. Mit Urteil vom 19. April 1995 wies das Verwaltungsgericht die diesbezügliche Klage ab. Mit Urteil vom 6. Dezember 1996 wies das Oberverwaltungsgericht die Berufung des Klägers zurück.
Das FA erließ für das 1. Streitjahr (1995) unter dem Datum vom 2. April 1997 einen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Bescheid, in dem es den Gewinn der A/B KG erklärungsgemäß mit 349 606 DM feststellte. Das Feststellungsergebnis berücksichtigte ―ebenfalls erklärungsgemäß― Sonderbetriebsausgaben des Klägers in Höhe von 20 074 DM.
Mit Schreiben vom 17. Februar 1998 beantragte der Kläger die Änderung dieses Gewinnfeststellungsbescheides unter Berücksichtigung höherer Sonderbetriebsausgaben. Diese setzten sich wie folgt zusammen:
- Anwalts- und Gerichtskosten |
160 503 DM |
- Zins- und Diskontaufwendungen |
8 792 DM |
- Zinsschaden aus entgangenen Einnahmen |
24 393 DM |
- Kosten wegen Grundrechtsverletzung |
54 383 DM |
- Arztkosten |
2 874 DM |
- Sonstige Kosten |
1 404 DM |
Summe: |
252 350 DM |
Außerdem machte der Kläger für das Jahr 1995 Abschreibungen in Höhe von 82 187 DM auf die erfolglos gegen das Bundesland C eingeklagten Forderungen in Höhe von 1 643 732 DM geltend.
Im Anschluss an einen vor dem Finanzgericht (FG) durchgeführten Erörterungstermin erließ das FA unter dem Datum vom 1. April 1998 einen Änderungsbescheid, in dem es für die A/B KG einen Gewinn in Höhe von 369 580 DM und für den Kläger Sonderbetriebsausgaben in Höhe von 250 666 DM feststellte. Gegen diesen Bescheid, der ebenfalls unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stand, legte der Kläger Einspruch ein. Noch bevor über den Einspruch entschieden wurde, änderte das FA diesen Bescheid nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977). Im Änderungsbescheid wurden die Sonderbetriebsausgaben des Klägers nur noch in Höhe von 30 000 DM anerkannt. Hierzu führte das FA aus, dass die Prozesskosten, die auf die Erlangung der Qualifikation zum vereidigten Buchprüfer gerichtet gewesen seien, auf 30 000 DM geschätzt würden, da der Kläger trotz wiederholter Aufforderung nicht mitgeteilt habe, welcher Anteil an den Gesamtkosten auf diesen Bereich entfalle.
Für das Jahr 1996 (2. Streitjahr) machte der Kläger in einer berichtigten Feststellungserklärung Sonderbetriebsausgaben in Höhe von 535 240 DM geltend, die sich ähnlich zusammensetzten wie die des Jahres 1995. Später reduzierte er diesen Betrag um den "Zinsschaden" in Höhe von 133 450 DM und Abschreibungen auf die Schadensersatzforderung gegen das Bundesland C in Höhe von 328 746 DM, so dass sich die begehrten Sonderbetriebsausgaben auf 73 044 DM beschränkten. Hiervon erkannte das FA im Gewinnfeststellungsbescheid 1996, der zusammen mit dem Änderungsbescheid für das Jahr 1995 vom 3. August 1998 erging, lediglich 10 000 DM an. Damit sollten im Schätzungswege die Kosten für das Berufungsverfahren wegen Nichtbestehens der Prüfung zum vereidigten Buchprüfer berücksichtigt werden.
Gegen beide Bescheide legte der Kläger Einspruch ein und erhob sofort Klage. Während des Klageverfahrens wies das FA die Einsprüche als unbegründet zurück.
Auch die Klagen hatten keinen Erfolg.
Die Revision gegen seine Urteile ließ das FG nicht zu. Hiergegen richten sich die vorliegenden Beschwerden.
Entscheidungsgründe
Der Senat hat die beiden Beschwerden zur gemeinsamen Entscheidung miteinander verbunden (§ 73 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―).
Die Beschwerden können keinen Erfolg haben.
Die Zulässigkeit der Nichtzulassungsbeschwerden richtet sich nach den Vorschriften der FGO i.d.F. des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze (FGO n.F.).
I. Die Entscheidung ergeht ohne mündliche Verhandlung (§ 132 i.V.m. § 90 Abs. 1 Satz 2 FGO). Der Kläger hat die von ihm zitierte Literaturstelle falsch verstanden. Es geht dort um die Frage, ob nach Ergehen eines Gerichtsbescheides (nicht eines Urteils - wie im Streitfall) ohne Zulassung der Revision ein Antrag auf mündliche Verhandlung (vor dem FG - nicht vor dem Bundesfinanzhof ―BFH―) zu stellen ist.
II. Nach § 115 Abs. 2 FGO n.F. ist die Revision nur zuzulassen, wenn
1. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2. die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des BFH erfordert oder
3. ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Die Regelungen der Nrn. 1 und 2 entsprechen den Bestimmungen in § 74 Abs. 2 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), die die Zulassung der Rechtsbeschwerde in Kartellangelegenheiten regeln (Gesetzesbegründung der Bundesregierung ―Gesetzesbegründung― BTDrucks 14/4061). In der zu § 74 Abs. 2 GWB vorliegenden Literatur werden die Zulassungsgründe der Nr. 2 (Zulassung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung) als Spezialfälle des Zulassungsgrundes der Nr. 1 (Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung) angesehen (Kleier in Frankfurter Kommentar zum GWB, § 73 a.F. Rdnr. 45; Weyreuther, Revisionszulassung und Nichtzulassungsbeschwerde in der Rechtsprechung der obersten Bundesgerichte, 1971, Rdnr. 156; Prütting, Die Zulassung der Revision, 1977, S. 206 ff., m.w.N.). Es liegt nahe, diese Auffassung für § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO n.F. zu übernehmen (Beermann, Deutsche Steuer-Zeitung ―DStZ― 2000, 773, 776; Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 115 FGO Tz. 57).
Der Gesetzesbegründung zufolge beschränkt sich die Grundsatzrevision nicht auf Fälle der Rechtsfortbildung und -vereinheitlichung, sondern bezieht alle Tatbestände ein, in denen über den Einzelfall hinaus ein allgemeines Interesse an einer korrigierenden Entscheidung des Revisionsgerichts besteht. Fehler bei der Auslegung revisiblen Rechts könnten ―so die Gesetzesbegründung weiter― über den Einzelfall hinaus auch dann das allgemeine Interesse nachhaltig berühren, wenn sie z.B. von erheblichem Gewicht und geeignet sind, das Vertrauen in die Rechtsprechung zu beschädigen. In diesem Falle könne es geboten sein, der Rechtspraxis auch dann eine höchstrichterliche Orientierungshilfe zu geben, wenn die engen Zulassungsgründe des bisherigen Rechts nicht vorlägen (BTDrucks 14/4061).
Der Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages ist der Auffassung, dass die neue Regelung des § 115 Abs. 2 FGO es dem BFH auch erlaube, aus Gründen der Einzelfallgerechtigkeit Zugriff auf ein Verfahren zu nehmen, denn kein Obergericht dürfe gezwungen werden, sehenden Auges ein Fehlurteil gutzuheißen (BTDrucks 14/4549).
Demgegenüber vertrat die Literatur zu § 74 Abs. 2 GWB einhellig die Ansicht, dass die Zulassung der Revision nur dann in Betracht komme, wenn eine Rechtsfrage zu entscheiden sei, die für eine größere Zahl gleich oder ähnlich liegender Fälle von Bedeutung sei. Ein Revisionszulassungsgrund "grundsätzliche Bedeutung", der von einer als klärungsbedürftig angesehenen Rechtsfrage unabhängig war, wurde nicht diskutiert (Kleier, a.a.O., Rdnr. 47; Seer in Tipke/Kruse, a.a.O., § 115 FGO Tz. 56, jeweils m.w.N.).
Gesetzesbegründung und Stellungnahme des Rechtsausschusses gehen demnach davon aus, dass sich der Begriff der grundsätzlichen Bedeutung nicht nur gegenüber der bisher von BFH und Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) zu § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO a.F. bzw. § 132 Abs. 2 Nr. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) vertretenen Auffassung, sondern auch gegenüber dem einhelligen Verständnis der "grundsätzlichen Bedeutung" in § 74 Abs. 2 GWB, der Vorschrift, die der Neufassung des § 115 Abs. 2 FGO zum Vorbild diente, gewandelt hat (vgl. insbesondere Begründung zum gleichlautenden § 543 des Gesetzes betreffend die Einführung der Zivilprozeßordnung ―ZPOEG―, BTDrucks 14/3750, S. 44).
Der Streitfall erfordert ―wie die nachfolgenden Ausführungen zeigen werden― jedoch keine abschließende Stellungnahme des Senats zu der Frage, ob sich der Gesetzesformulierung mit ausreichender Deutlichkeit entnehmen lässt, dass ―abgesehen vom Verfahrensmangel― neben die Divergenz und die im Sinne der bisherigen Rechtsprechung verstandene grundsätzliche Bedeutung noch weitere Revisionszulassungsgründe treten sollen (vgl. im Einzelnen Seer, Betriebs-Berater ―BB― 2000, 2387, 2389; List, Der Betrieb ―DB― 2000, 2294; Beermann, DStZ 2000, 773, 776; ders. DStZ 2001, 155; Spindler, DB 2001, 61, 62; Lange, Neue Juristische Wochenschrift ―NJW― 2001, 1098, 1099).
Es kann auch offen bleiben, unter welches Tatbestandsmerkmal solche weiteren Revisionszulassungsgründe zu fassen wären.
Seer in Tipke/Kruse (a.a.O., § 115 FGO Tz. 64) nimmt an, dass § 115 Abs. 2 Nr. 2 1. Alternative FGO n.F. (Rechtsfortbildungsrevision) den Fall der grundsätzlichen Bedeutung im Sinne der bisherigen Rechtsprechung enthält und dass Revisionszulassungsgründe, die über den Zweck der Rechtsfortbildung und Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung hinausgehen, unter den ―in diesem Falle gewandelten― Begriff der grundsätzlichen Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO n.F. zu subsumieren sind. Diese systematische Einordnung könnte sich darauf stützen, dass ―wie eingangs dargelegt― § 115 Abs. 2 Nr. 2 Unterfälle zu Nr. 1 enthält, so dass seine Tragweite naturgemäß über die der Nr. 1 nicht hinausgehen kann. Es wäre aber auch denkbar, den weitergehenden Zulassungsgrund ("Fehler von besonderem Gewicht") nicht in § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, sondern in Nr. 2 zu suchen, etwa indem man den Begriff der "Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung" nicht auf die Fälle der bisherigen Divergenz beschränkt. Hierfür könnte sprechen, dass aus der Sicht der bisherigen Fassung des § 115 Abs. 2 FGO nur die Formulierung der Nr. 2 geändert wurde, so dass auch nur sie eine Erweiterung der bisherigen Zulassungsgründe enthalten könnte.
1. Grundsätzliche Bedeutung/Fortbildung des Rechts
a) Eine Rechtssache hat nach bisherigem Verständnis grundsätzliche Bedeutung, wenn eine Frage zu entscheiden ist, an deren Beantwortung ein allgemeines Interesse besteht, weil ihre Klärung das Interesse der Allgemeinheit an der Entwicklung und Handhabung des Rechts betrifft (ständige Rechtsprechung zu § 115 Abs. 2 Nr. 1 a.F., vgl. die Nachweise bei Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, § 115 Anm. 7; Senatsbeschluss vom 31. Mai 2000 IV B 55/99, Juris). Es muss sich um eine aus rechtssystematischen Gründen bedeutsame und auch für die einheitliche Rechtsanwendung wichtige Frage handeln. Diese Voraussetzungen müssen in der Beschwerdeschrift dargelegt werden (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO n.F.). Hierzu genügt die bloße Behauptung, die Streitsache habe grundsätzliche Bedeutung, nicht. Vielmehr muss die Beschwerde konkret auf die Rechtsfrage, ihre Klärungsbedürftigkeit und ihre über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung eingehen (vgl. BFH-Beschluss vom 26. August 1992 II B 100/92, BFH/NV 1993, 662, 663, m.w.N., ständige Rechtsprechung). Insbesondere sind Ausführungen erforderlich, aus welchen Gründen, in welchem Umfang und von welcher Seite die Rechtsfrage umstritten ist (ständige Rechtsprechung, s. z.B. BFH-Beschlüsse vom 21. November 1989 VII S 10/89, BFH/NV 1990, 585, 586, und vom 25. Mai 1999 V B 162/98, BFH/NV 1999, 1497).
b) Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung des Klägers nicht. Er trägt lediglich vor, dass das FG-Urteil unrichtig sei. Er hat demgegenüber keine bestimmte Rechtsfrage formuliert und deren Bedeutung für die Allgemeinheit substantiiert und konkret dargetan.
c) Wenn man nicht davon ausgehen will, dass der Zulassungsgrund der (in demselben Sinne wie bisher verstandenen) grundsätzlichen Bedeutung im neuen § 115 Abs. 2 Nr. 2 1. Alternative FGO enthalten ist, bedarf der Begriff "Fortbildung des Rechts" einer eigenen Definition. Man könnte daran denken, ihn entsprechend der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) zu § 80 Abs. 1 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) auszulegen (vgl. Lange, NJW 2001, 1098, 1100, m.w.N.). Danach wäre eine Beschwerde zur Fortbildung des Rechts zuzulassen, wenn der Einzelfall Veranlassung gibt, Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen oder Verfahrensrechts aufzustellen oder Gesetzeslücken rechtsschöpferisch auszulegen (BGH-Beschluss vom 12. November 1970 1 StR 263/70, BGHSt 24, 15, 21, NJW 1971, 389).
Da der Kläger ―wie ausgeführt― nur die Unrichtigkeit des FG-Urteils rügt, hat er allerdings auch das Vorliegen dieser Voraussetzungen nicht dargelegt.
2. Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung/Divergenz (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO n.F.)
a) Der in § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO n.F. vorgesehene Revisionszulassungsgrund umfasst die bisherige Divergenz i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO a.F., geht aber auch darüber hinaus (Beermann, DStZ 2000, 773, 776; Seer in Tipke/Kruse, a.a.O., § 115 FGO Tz. 76 ff.). Insbesondere kommt es nicht darauf an, welches Gericht die Entscheidung, von der abgewichen wird, getroffen hat (so zu § 73 Abs. 2 GWB a.F.; Kleier, a.a.O., Rdnr. 59; zu § 80 Abs. 1 Nr. 1 OWiG z.B. Steindorf in Karlsruher Kommentar zum OWiG, § 80 Rdnr. 15; zu § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO n.F. Gesetzesbegründung, BTDrucks 14/4061).
b) Darüber hinausgehend hält Seer eine Entscheidung des BFH zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung auch dann für erforderlich, wenn das FG einen vom BFH aufgestellten Rechtssatz im Ergebnis falsch auslegt oder anwendet, ohne einen abweichenden Rechtssatz zu bilden (in Tipke/Kruse, a.a.O., § 115 FGO Tz. 76, § 116 FGO Tz. 53). Der Streitfall bietet jedoch keinen Anlass zu entscheiden, ob der Senat dieser Auffassung zu folgen vermag, soweit sie über die schon bisher in derartigen Fällen ―unter dem Gesichtspunkt der grundsätzlichen Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO a.F.― für möglich gehaltene Revisionszulassung (vgl. Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Anm. 69) hinausgeht.
c) Auch die Erforderlichkeit einer BFH-Entscheidung für die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ist in der Beschwerdebegründung darzulegen (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO n.F.). Selbst wenn man an das Erfordernis einer Rechtsprechungsvereinheitlichung nur die vorstehend dargestellten geringen Anforderungen stellen wollte, so wäre zur Darlegung der Voraussetzungen doch mindestens erforderlich, dass das Urteil, von dem die Vorinstanz abgewichen ist, und der Rechtssatz, den sie falsch ausgelegt oder angewandt hat, bezeichnet werden.
d) Diesem Erfordernis genügt die Beschwerdebegründung des Klägers nicht. Zwar enthält sie Hinweise auf mehrere Urteile des BFH und der FG. Diese Hinweise finden sich jedoch zum überwiegenden Teil in seitenweisen, nur entfernt einschlägigen, wörtlichen Literaturzitaten. Solche Zitate sind keinesfalls geeignet, die Erforderlichkeit einer BFH-Entscheidung für die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung darzulegen.
Allerdings weist der Kläger auch außerhalb solcher Literaturzitate auf BFH- und FG-Urteile hin, aus denen sich seiner Ansicht nach die Unrichtigkeit der Vorentscheidung ergibt. Er hat aber weder einen Rechtsatz aus diesen Urteilen bezeichnet, den die Vorinstanz falsch ausgelegt oder angewendet hätte, noch ist ein solcher ersichtlich. In dem vom Kläger mehrmals erwähnten Urteil vom 19. Februar 1982 VI R 31/78 (BFHE 135, 449, BStBl II 1982, 467) hat der BFH entschieden, dass Aufwendungen für die Strafverteidigung Werbungskosten sein können, wenn der strafrechtliche Vorwurf durch das berufliche Verhalten des Steuerpflichtigen veranlasst ist. Diesem Urteil lassen sich Hinweise für die Entscheidung des Streitfalls nicht entnehmen. Der Kläger betont selbst, dass er nicht Täter, sondern Opfer von Straftaten ist. Es geht ihm um Prozesskosten, die er aufgewendet hat, um von dem Bundesland C Schadensersatz dafür zu erlangen, dass er ―wie er meint― durch mangelhafte Ermittlung der Strafverfolgungsbehörden in seiner Gesundheit und seiner Arbeitsfähigkeit beeinträchtigt worden ist. Im Gegensatz zu dem vom BFH entschiedenen Fall, in dem die berufliche Veranlassung durch die Art der Straftat selbst indiziert wurde, besteht ein solcher Zusammenhang im Streitfall nicht. Die berufliche Veranlassung der Prozesskosten war daher nach allgemeinen Veranlassungsgesichtspunkten zu prüfen, was das FG auch getan hat.
Ähnliches gilt für das Urteil des FG Düsseldorf vom 18. Dezember 1979 II 539/77 L (Entscheidungen der Finanzgerichte ―EFG― 1980, 400). In dem jenem Urteil zugrunde liegenden Fall war die berufliche Veranlassung der Kosten für eine Widerrufsklage dadurch angezeigt, dass der Kläger mit der angegriffenen Behauptung beschuldigt worden war, seine berufliche Stellung zu missbrauchen.
Schließlich hat der Kläger zur Unterstützung seiner Rechtsauffassung das BFH-Urteil vom 25. Mai 1992 VI R 171/88 (BFHE 168, 542, BStBl II 1993, 44) herangezogen. In diesem Urteil ging es um den Diebstahl eines privaten PKW auf einer Dienstreise. Der BFH hat den hierdurch entstandenen Schaden als beruflich veranlasst angesehen. Ein Bezug zum Streitfall ist nicht erkennbar.
3. Fehler von erheblichem Gewicht
a) Unterstellt, nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 FGO n.F. führten auch Fehler bei der Auslegung revisiblen Rechts zur Zulassung der Revision, wenn sie allgemeine Interessen nachhaltig berühren, so sind solche Fehler der Vorentscheidung doch weder dargelegt (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO n.F.) noch offenkundig.
Derartige Fehler sollen nach der Gesetzesbegründung vorliegen, wenn sie z.B. von erheblichem Gewicht und geeignet sind, das Vertrauen in die Rechtsprechung zu beschädigen (BTDrucks 14/4061). Diese Kriterien sollen nach Rüsken (DStZ 2000, 815, 819) dahin konkretisiert werden, dass die Revision gegen solche Entscheidungen der FG zuzulassen ist, die nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) als willkürlich zu bezeichnen wären.
b) Der Kläger macht geltend, die Entscheidung der Vorinstanz gehe fälschlich davon aus, die gegen das Bundesland C eingeklagte Entschädigung wegen entgangenen Gewinns hätte bei Erfüllung des Anspruchs nicht zu Betriebseinnahmen geführt. Tatsächlich enthält das FG-Urteil einen solchen Satz. Seine Richtigkeit ist insofern zweifelhaft, als das FG ihn darauf stützt, dass die Gesundheits- und Persönlichkeitsbeeinträchtigungen, auf die der Kläger den entgangenen Gewinn zurückführt, nicht seiner betrieblichen Sphäre zugerechnet werden könnten. Denn auch Schadensersatz für Verdienstausfall, der aufgrund einer gesundheitlichen Schädigung des Steuerpflichtigen gezahlt wird, führt zu steuerpflichtigen Einnahmen (Senats-Urteil vom 21. Februar 1957 IV 630/55 U, BFHE 64, 437, BStBl III 1957, 164).
Gleichwohl ist das Urteil der Vorinstanz nicht mit einem Fehler von erheblichem Gewicht behaftet, der geeignet wäre, das Vertrauen in die Rechtsprechung zu beschädigen. Es erscheint auch nicht willkürlich. Denn von Willkür kann dann nicht gesprochen werden, wenn sich das Gericht mit der Rechtslage eingehend auseinander setzt und seine Auffassung nicht jeder Rechtsgrundlage entbehrt (BVerfG-Beschluss vom 26. Mai 1993 1 BvR 208/93, BVerfGE 89, 1, 14).
Der Streitfall ist nicht dem Fall vergleichbar, dass ein Unternehmer denjenigen, der ―etwa durch einen Verkehrsunfall― seine Arbeitsunfähigkeit verursacht hat, auf Verdienstausfall verklagt. Die Besonderheit des Streitfalls liegt darin, dass wegen der kaum nachvollziehbaren Kausalität zwischen dem angeblich schädigenden Ereignis und dem geltend gemachten Verdienstausfall keine reale Aussicht bestand, den Prozess gegen das Bundesland C zu gewinnen. Dabei wird nicht verkannt, dass es für die Behandlung von Prozesskosten als Betriebsausgaben in aller Regel nicht darauf ankommen kann, ob die Finanzbehörden oder -gerichte den Prozess für aussichtsreich halten. Notwendigkeit, Angemessenheit, Üblichkeit oder Zweckmäßigkeit einer Aufwendung sind keine Voraussetzung für den Abzug als Betriebsausgabe. Insoweit bleibt dem Steuerpflichtigen ein subjektiver Entscheidungsspielraum. Fehlen diese Merkmale jedoch, kann das Rückschlüsse auf die Beurteilung der betrieblichen Veranlassung zulassen, vor allem wenn die Möglichkeit einer privaten Mitveranlassung nach Art der Aufwendungen nicht auszuschließen ist (Schmidt/Heinicke, Einkommensteuergesetz, § 4 Rdnr. 483, m.w.N.). Im Streitfall erscheint es nahezu unmöglich, dass der Kläger einen Zusammenhang zwischen (angeblich) mangelhaften Ermittlungsbemühungen der Polizei und dem Verlust von Mandaten hätte nachweisen können. Es ist nicht fern liegend, ein vom Normalverhalten abweichendes Bedürfnis, auch schlechthin aussichtslose Prozesse zu führen, dem privaten und nicht dem betrieblichen Bereich zuzuordnen.
4. Verfahrensmängel
Der Kläger hat nicht dargelegt, dass das Urteil der Vorinstanz auf einem Verfahrensfehler beruhen kann (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO n.F.).
a) Zwar rügt der Kläger Verletzung der Sachaufklärungspflicht. Seiner Beschwerdebegründung ist jedoch nicht zu entnehmen, dass er einen Beweisantrag gestellt hätte, den das FG übergangen hat, oder dass sich dem FG von Amts wegen weitere Ermittlungen hätten aufdrängen müssen. Insbesondere kann sich der Kläger nicht mit Erfolg darauf berufen, dass es das FG unterlassen habe, Arbeitsnachweise seines damaligen Prozessbevollmächtigten zu verlangen. Bereits im Erörterungstermin vom 6. März 1997 hatte der damalige Prozessbevollmächtigte des Klägers ausweislich des Protokolls bekundet, dass er nicht genau sagen könne, wie viel der von ihm in Rechnung gestellten Kosten auf die einzelnen Prozesse entfielen, da er auf Stundenbasis abgerechnet habe. Spätestens seit diesem Erörterungstermin war klar, dass es auf den Stundennachweis ankommen werde. Das geht auch aus dem Protokoll des Erörterungstermins vom 26. November 1998 hervor. Auch in diesem Erörterungstermin hat die Berichterstatterin deutlich gemacht, dass sie zur einvernehmlichen Erledigung des Rechtsstreits lediglich eine schätzungsweise Erhöhung der bisher anerkannten Betriebsausgaben vorschlagen könne. Das bedeutet, dass Unterlagen, die eine genauere Aufteilung der geltend gemachten Aufwendungen ermöglicht hätten, fehlten. Da der Kläger bzw. sein Prozessbevollmächtigter bis zur mündlichen Verhandlung im Dezember 2000 keine Angaben zu der Aufteilung der Anwaltskosten gemacht haben, konnte das Gericht davon ausgehen, dass dem Prozessbevollmächtigten Stundennachweise nicht mehr vorlagen. Der Kläger hat auch jetzt nicht geltend gemacht, dass solche Nachweise hätten vorgelegt werden können, wenn sie angefordert worden wären.
b) Der Kläger kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass das FG sein Klagebegehren nicht richtig protokolliert habe. Vielmehr geben die vom FG protokollierten Anträge im Ergebnis das Begehren wieder, das auch der Beschwerdebegründung zugrunde liegt. Der einzige Unterschied besteht darin, dass das FG als Klageziel für das Streitjahr 1995 nicht die ―fern liegende― Nichtigkeit des Änderungsbescheides vom 3. August 1998, sondern die vom Kläger im Ergebnis angestrebte Wiederherstellung des geänderten Bescheides vom 1. April 1998 angesehen hat. Abgesehen davon wurden diese Anträge in der mündlichen Verhandlung vorgelesen und genehmigt.
Fundstellen
Haufe-Index 645569 |
BFH/NV 2002, 119 |
BStBl II 2001, 837 |
BFHE 196, 30 |
BFHE 2002, 30 |
BB 2001, 2414 |
DB 2001, 2429 |
HFR 2002, 35 |
StE 2001, 679 |