Entscheidungsstichwort (Thema)

Nichtzulassungsbeschwerde

 

Leitsatz (NV)

1. Divergenz i. S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO setzt u. a. voraus, daß der vom BFH aufgestellte Rechtssatz, von dem abgewichen worden sein soll, dasselbe Rechtsproblem betrifft wie der im angefochtenen Urteil aufgestellte Rechtssatz.

2. Die fehlerhafte Bezeichnung des Inhaltsadressaten in einem Steuerbescheid ist nicht als Bestimmtheitsmangel zu werten, wenn sich die Identität der Person, der gegenüber die Steuer festgesetzt werden soll, aus dem sonstigen Inhalt des Verwaltungsakts zweifelsfrei ergibt.

3. (Angebliche) Verfahrensfehler des Finanzamts sind keine Verfahrensmängel i. S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO.

 

Normenkette

AO § 118 S. 1, § 119 Abs. 1, § 155 Abs. 1 S. 1, § 157 Abs. 1 S. 2; FGO § 115 Abs. 2 Nrn. 2-3, Abs. 3 S. 3

 

Verfahrensgang

Hessisches FG

 

Tatbestand

Im Einspruchsverfahren hatte die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), schon damals vertreten durch ihren derzeitigen Prozeßbevollmächtigten, mit dem Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt -- FA --) um verschiedene Sachpunkte ihrer Veranlagung zur Einkommensteuer 1990 sowie um die Berechtigung des FA gestritten, den Einkommensteuerbescheid für diesen Veranlagungszeitraum im Hinblick auf mehrere Verfassungsbeschwerden gemäß § 165 der Abgabenordnung (AO 1977) mit einem Vorläufigkeitsvermerk zu versehen. Der Rechtsbehelf hatte zu einer Teilabhilfe im Bescheid vom 19. April 1993 geführt, in dem im übrigen ausdrücklich auf die (,automatische") Fortsetzung des Einspruchsverfahrens hingewiesen worden war.

Am 18. Mai 1993 erging die Einspruchsentscheidung in dieser Sache, in der das FA die Zurückweisung des Rechtsbehelfs in den noch streitigen Punkten begründete. Als Adressat war in der Entscheidung die Klägerin mit "Frau Angelika Hauter" (Name geändert) statt (wie auch im Änderungsbescheid) mit "Frau Angelika Hutner" bezeichnet. Alle anderen Angaben (Adresse, Steuernummer, Name und Anschrift des Prozeßbevollmächtigten) waren richtig.

Am 12. Juli 1993 erließ das FA unter Berufung auf § 129 AO 1977 nochmals eine (inhaltsgleiche) Einspruchsentscheidung in dieser Sache, in der die Klägerin zutreffend bezeichnet war.

Mit der nunmehr erhobenen Klage erstrebte der Prozeßbevollmächtigte im Namen der Klägerin Aufhebung der Einspruchsentscheidung mit der Begründung, die Voraussetzungen des § 129 AO 1977 hätten nicht vorgelegen. Außerdem habe es das FA versäumt, das auch in dieser "Änderungssache gebotene Vorverfahren durchzuführen".

Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen, ohne die Revision zuzulassen.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der Nichtzulassungsbeschwerde, zu deren Begründung sie folgendes vorbringt:

-- Mit dem Rechtssatz "Zutreffend ist das FA davon ausgegangen, daß die fehlerhafte Bezeichnung der Steuerschuldnerin gemäß § 129 AO berichtigt werden konnte" sei das FG von dem im Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 17. März 1970 II 65/63 (BFHE 99, 96, BStBl II 1970, 598) aufgestellten Rechtssatz abgewichen, wonach die Bezeichnung einer falschen Person als Steuerschuldner nicht geheilt werden könne.

-- Auch eine Berichtigung nach § 129 AO 1977 setze, schon zur Gewährung rechtlichen Gehörs, ein Vorverfahren voraus. Das sei nicht durchgeführt worden. Darin liege ein Verfahrensfehler.

Schließlich macht die Klägerin vorab Verletzung des Art. 101 des Grundgesetzes geltend und bittet um Kostenverschonung nach § 8 des Gerichtskostengesetzes (GKG).

Die Klägerin beantragt, die Revision zuzulassen.

Das FA beantragt, die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde kann keinen Erfolg haben.

1. Der Senat ist -- wie nun schon mehrfach unter allen denkbaren Gesichtspunkten dargelegt (vgl. die Nachweise im Beschluß vom 7. März 1995 X B 194--197/93, BFH/NV 1995, 711, 713) -- ordnungsgemäß besetzt. Tatsächlich hat sich die Situation inzwischen lediglich insoweit verändert, als der Senat derzeit nur aus fünf Mitgliedern besteht. Eine Verfahrensunterbrechung kommt nicht in Betracht.

2. Die behauptete Divergenz besteht nicht: Der BFH hatte im Urteil in BFHE 99, 96, BStBl II 1970, 598 einen anderen Fall und (u. a.) eine andere Rechtsfrage zu entscheiden als das FG in diesem Verfahren: Dort ging es um die Identität des (richtigen) Steuerschuldners, und damit um die Bestimmtheit des angefochtenen Steuerverwaltungsakts (§ 118 Satz 1, § 119 Abs. 1 AO 1977), hier allein um die zutreffende Bezeichnung des in seiner Identität (aus dem Gesamtinhalt des Verwaltungsakts "Einspruchsentscheidung"-- s. § 365 Abs. 1 AO 1977) trotz der versehentlich falschen Angabe des Nachnamens für alle Beteiligten eindeutig feststehenden Inhaltsadressaten, der Klägerin (zur Unterscheidung: Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 15. Aufl., § 119 AO 1977 Rdnr. 2 und § 122 AO 1977 Rdnr. 2, m. w. N.).

3. Die Klägerin hat keinen Verfahrensfehler des FG dargetan, sondern allenfalls einen solchen des FA (zu dessen Unbeachtlichkeit im Rahmen des § 115 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --: Gräber, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., 1993, § 115 Rdnr. 25, m. w. N.).

4. Die Voraussetzungen des § 8 GKG sind offensichtlich nicht gegeben. Die Kostenentscheidung folgt aus § 143 Abs. 1, § 135 Abs. 2 FGO, die Streitwertfestsetzung aus § 25 GKG.

 

Fundstellen

Haufe-Index 421280

BFH/NV 1996, 457

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