Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrensrecht/Abgabenordnung Berufsrecht Verfahrensrecht/Abgabenordnung
Leitsatz (amtlich)
Gegen die Versagung des Armenrechts durch das FG ist die Beschwerde an den BFH gegeben. FGO § 128 Abs. 1, § 142 Abs. 1 Satz 1; ZPO § 127.
Normenkette
FGO § 128 Abs. 1, § 142/1/1; ZPO § 127
Tatbestand
Streitig ist, ob dem Beschwerdeführer (Steuerpflichtiger - Stpfl. -) das Armenrecht für eine Klage zu gewähren ist, die sich gegen einen Betriebsprüfungsbericht richten soll (§ 142 FGO). Der Stpfl. ist selbständiger Elektrotechniker. In der Zeit vom 10. bis 14. Mai 1965 wurde bei ihm eine Betriebsprüfung durchgeführt. Mit dem ihm am 23. September 1965 zugestellten Betriebsprüfungsbericht war der Stpfl. nicht einverstanden. Seine Bemühungen, eine änderung des Berichts zu erreichen, blieben ohne Erfolg. Der Stpfl. beabsichtigt deshalb, Klage mit dem Antrag zu erheben, einzelne Textziffern des Betriebsprüfungsberichts zu ändern oder festzustellen, daß der Betriebsprüfungsbericht in verschiedenen Punkten unrichtig sei. Er beantragte beim Finanzgericht (FG) die Gewährung des Armenrechts für diese Klage.
Das FG wies den Antrag zurück. Es führte aus, daß der Stpfl. zwar laut behördlicher Bescheinigung arm im Sinn des Gesetzes sei. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung verspreche jedoch keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 142 FGO in Verbindung mit § 114 ZPO). Der Stpfl. könne die änderung des Betriebsprüfungsberichts nicht im Klagewege erreichen, da der Bericht kein Verwaltungsakt sei (Hinweis auf Urteil des BFH I 237/60 U vom 9. Mai 1961, BFH 73, 491, BStBl III 1961, 445; ferner Urteil des BVerwG vom 20. Juli 1962 VII C 57/61, Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts Bd. 14 S. 323). Er diene nur der Vorbereitung von Verwaltungsakten (Steuerbescheiden). Sein Inhalt sei weder für das Finanzamt (FA) noch für den Stpfl. rechtsverbindlich. Es fehlten auch die Voraussetzungen für die Erhebung einer Feststellungsklage. Denn die in einem Betriebsprüfungsbericht getroffenen Feststellungen begründeten kein "Rechtsverhältnis" im Sinn des § 41 FGO. Auch fehle es an einem Rechtsschutzinteresse. Der Stpfl. habe die Möglichkeit, die auf dem Betriebsprüfungsbericht beruhenden Bescheide, sobald sie erlassen seien, mit außergerichtlichen Rechtsbehelfen und im Falle ihrer Erfolglosigkeit im Klagewege anzufechten.
Mit seiner Beschwerde machte der Stpfl. geltend, daß der Betriebsprüfungsbericht erhebliche rechtliche Bedeutung besitze, auch amtlich zugestellt werde und daher unmittelbar anfechtbar sein Müsse, und zwar vor allem dann, wenn das FA trotz seiner, des Stpfl. Bemühungen keine förmlichen Bescheide erlasse. Der Bericht sei Bestandteil der Buchführung und unterliege unter Umständen der Einsicht der Kreditgeber. Er sei wesentliche Grundlage der laufenden Buchführung, der Jahresabschlüsse und der künftigen Steuererklärungen. Auch beruhten die Einheitswertbescheide auf den Berichtsfeststellungen.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet.
Gegen die Versagung des Armenrechts durch das FG ist die Beschwerde an den BFH gegeben. Das folgt aus der allgemeinen Regelung des Beschwerderechts in § 128 FGO. Die Vorschriften über das Armenrecht (§ 142 FGO) schließen die Beschwerde nicht aus. § 142 Abs. 2 FGO erklärt nur die Bewilligung des Armenrechts als unanfechtbar. Die Verweisung des § 142 Abs. 1 FGO auf die Vorschriften der ZPO über das Armenrechtsverfahren besagt nichts Gegenteiliges. Zwar ist nach § 127 ZPO die Beschwerde gegen die Versagung des Armenrechts dann nicht gegeben, wenn das Berufungsgericht den Beschluß erlassen hat. Die FGe haben zwar die Stellung oberer Landesgerichte (§ 2 FGO), sie sind aber nicht Berufungsgerichte im Sinn dieser Vorschrift. Den § 127 ZPO stellt auf ein Gerichtsverfahren mit zwei Tatsacheninstanzen ab und will nur vermeiden, daß der Rechtszug für die ihrem Wesen nach provisorische Armenrechtsentscheidung über das Gericht hinausführt, bei dem die endgültige Entscheidung des Rechtsstreits liegt (vgl. Stein-Jonas-Schönke-Pohle, Kommentar zur Zivilprozeßordnung, Erläuterung II zu § 127). Dagegen ist es nicht der Sinn des § 127 Satz 2 ZPO, die Beschwerde zum Bundesgerichtshof (früher zum Reichsgericht) auszuschließen. Das bewirkt bereits die Vorschrift des § 567 Abs. 3 Satz 1 ZPO, wonach gegen die Entscheidungen der Oberlandesgerichte eine Beschwerde nicht zulässig ist. § 127 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO hat daher nur Bedeutung für den Zivilprozeß, wo gegen Berufungsentscheidungen der Landgerichte keine Revision gegeben ist. Für das finanzgerichtliche Verfahren ist allein die Vorschrift des § 128 FGO maßgebend. Zwar handelt es sich bei Entscheidungen über Beschwerden gegen die Versagung des Armenrechts um eine Aufgabe, die ihrem Wesen nach nicht Sache eines höchstinstanzlichen Gerichts sein sollte. Der Senat hat jedoch davon auszugehen, daß der Gesetzgeber bewußt das Beschwerderecht mit Rücksicht auf die Beschränkung des FG-Verfahrens auf nur eine Tatsacheninstanz erweitert und aus diesem Grunde den BFH im großen Umfange zum Beschwerdegericht gemacht hat (vgl. Begründung des Regierungsentwurfs in Bundestagsdrucksache IV/1446 S. 58). Demgegenüber fällt nicht ins Gewicht, daß nach der Entstehungsgeschichte des § 142 FGO (§ 138 des Regierungsentwurfs) offenbar nicht daran gedacht war, gegen die Versagung des Armenrechts die Beschwerde an den BFH zu eröffnen (vgl. Bundestagsdrucksache IV/1446 S. 67). Denn die Statthaftigkeit der Beschwerde in Firmenrechtssachen ergibt sich aus der Systematik der jetzigen Regelung des finanzgerichtlichen Verfahrens.
Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. Der Stpfl. kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, daß der Inhalt des Betriebsprüfungsberichts für die Buchführung und die Bilanzierung wichtig sei. Denn diese Bedeutung kommt dem Bericht nur nach Maßgabe der Bescheide (Steuerbescheide, Steuermeßbetragsbescheide und Feststellungsbescheide) zu, soweit sich diese auf den Bericht stützen. Der Betriebsprüfungsbericht wird auch nur für Besteuerungszwecke erstellt. Der Stpfl. ist nicht gehindert, unabhängig davon nach handelsrechtlichen Grundsätzen seine Bücher zu führen und Abschlüsse zu machen. Unzutreffend ist auch die Auffassung des Stpfl., daß die Klage gegeben sein müsse, weil das FA auf seine Bemühungen, eine änderung des Betriebsprüfungsberichts zu erreichen, nicht tätig geworden sei. Denn für solche Fälle sieht das Gesetz (§ 230 Abs. 2 AO n. F.) die Beschwerde vor. Sie kann eingelegt werden, wenn das FA über einen von dem Stpfl. gestellten Antrag auf Erlaß der auf den Betriebsprüfungsbericht zu stützenden, mit Rechtsbehelfen anfechtbaren Verfügungen (Bescheide) binnen angemessener Frist nicht sachlich entscheidet.
Fundstellen
Haufe-Index 412612 |
BStBl III 1967, 422 |
BFHE 1967, 405 |
BFHE 88, 405 |