Leitsatz (amtlich)
Die am Zerlegungsverfahren beteiligten Gemeinden sind nicht "Finanzbehörden" im Sinne des § 139 Abs. 2 FGO.
Normenkette
FGO § 139 Abs. 2
Tatbestand
In dem Rechtsstreit der Klägerin und Beschwerdegegnerin (Beschwerdegegnerin) - einer Stadtgemeinde - gegen den Beklagten und Beschwerdeführer (FA) wegen Gewerbesteuerzerlegung 1965 der Firma U. M. hat das FG durch rechtskräftiges Urteil dem FA in der Hauptsache die Kosten auferlegt. Außerdem hat es in einem gesonderten Beschluß die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren durch die Beschwerdegegnerin für notwendig erklärt (§ 139 Abs. 3 Satz 3 FGO). Hiergegen richtet sich die Beschwerde des FA, das der Auffassung ist, die Beschwerdegegnerin sei im Zerlegungsverfahren "Finanzbehörde", so daß ihre Aufwendungen nach § 139 Abs. 2 FGO nicht zu erstatten seien. Das FA beantragt, den Beschluß des FG aufzuheben. Die Beschwerdegegnerin hält die Beschwerde, der das FG nicht abgeholfen hat, teils für unzulässig, teils für unbegründet.
Entscheidungsgründe
Der Senat geht nach dem Wortlaut des Antrags der nur gegen den Beschluß gerichteten Beschwerde davon aus, daß das Rechtsmittel nicht gegen die Kostenentscheidung gerichtet sein sollte.
Die Beschwerde ist unbegründet. Die Grundsätze des Beschlusses des BFH vom 6. Februar 1962 I B 31/59 U (BFHE 75, 202, BStBl III 1962, 341) sind nicht mehr anwendbar; sie beruhen auf der Auslegung von Vorschriften der AO, die mit Inkrafttreten der FGO aufgehoben wurden (§§ 388 a, 316, 317, 266, 287 AO a. F.). Das FG konnte die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren durch die Beschwerdegegnerin für notwendig erklären (§ 139 Abs. 3 Satz 3 FGO). Die am Zerlegungsverfahren beteiligten Gemeinden sind nicht "Finanzbehörden" im Sinn von § 139 Abs. 2 FGO.
Aus der Vorschrift des § 139 Abs. 2 FGO läßt sich nicht mit Sicherheit entnehmen, ob der Gesetzgeber auch die am Zerlegungsverfahren beteiligten Gemeinden von der Erstattungsfähigkeit der Auslagen ausschließen wollte. Die FGO verwendet den Begriff der "Finanzbehörde" jedoch an verschiedenen anderen Stellen im Sinne der im Rechtsstreit beteiligten Behörde, der die Verwaltung einer öffentlichen Abgabe übertragen ist (z. B. § 33 Abs. 1 Nr. 1 in Verbindung mit Abs. 2 Satz 1 zur Zulässigkeit des Finanzrechtswegs, § 71 Abs. 2 zur Übersendung der Steuerakten an das Gericht, § 77 Abs. 3 zur nachträglichen Änderung des Verwaltungsakts, § 100 Abs. 1 zur Bindung der Finanzbehörden an die rechtliche Beurteilung des FG, §§ 101 und 154 zur Verpflichtung der Finanzbehörden zum Erlaß eines Verwaltungsakts und zur Durchsetzung des Urteils, § 102 zur Frage der Ermessensentscheidung beim Erlaß eines Verwaltungsakts, § 122 zur Beteiligung der jeweiligen obersten Landesbehörden). Diese Auslegung entspricht der in anderen Gesetzen üblichen Terminologie (Art. 108 GG, §§ 1, 2 FVG in der Fassung vom 30. August 1971, BGBl I, 1426, BStBl I 1971, 390, §§ 383 und 248 AO). Gegen diese Behörde sind etwaige Rechtsbehelfe zu richten (§ 238 Abs. 2 AO, §§ 63, 57 Nr. 2 und 4, 122 Abs. 1 FGO). Für sie hat der Gesetzgeber kostenrechtliche Sonderbestimmungen erlassen (Befreiung von den Gerichtskosten im Falle des Unterliegens, § 140 Abs. 1 FGO in Verbindung mit § 2 GKG; keine Erstattung der Aufwendungen für die Rechtsverteidigung, § 139 Abs. 2 FGO).
Soweit die Verwaltung der Gemeindesteuern den Landesfinanzbehörden übertragen worden ist, treten die Gemeinden nicht als "Finanzbehörden" auf. Der Gesetzgeber hat ihnen lediglich bestimmte Sonderrechte eingeräumt (z. B. § 21 Abs. 3 FVG, §§ 36 und 385 AO). Finanzbehörde im Zerlegungsverfahren ist das FA (§§ 383 Abs. 1, 386 Abs. 1 AO), dem die beteiligten Gemeinden (§ 384 Nr. 2 AO) im Rechtsbehelfsverfahren nicht als Steuergläubiger (so noch BFH-Beschluß I B 31/59 U, § 388 AO a. F.), sondern als Einspruchsführer (§ 229 Nr. 13 AO), Kläger (§ 57 Nr. 1 FGO), Revisionskläger oder Revisionsbeklagte (§ 122 Abs. 1 FGO) bzw. als im Verwaltungsverfahren Zugezogene (§ 241 AO) oder im Gerichtsverfahren Beigeladene (§ 57 Nr. 3 FGO) gegenübertreten. Die Gemeinden tragen das gleiche Kostenrisiko wie jeder andere Steuerpflichtige und sind nicht wie die Behörden der Finanzverwaltung von der Übernahme der Gerichtskosten befreit. Es ist daher kein Grund ersichtlich, weshalb sie im Falle des Obsiegens nach der Systematik der FGO kostenrechtlich schlechtergestellt sein sollten als die übrigen von einer Verwaltungsentscheidung betroffenen Verfahrensbeteiligten.
Fundstellen
BStBl II 1974, 747 |
BFHE 1975, 168 |