Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsteuer Arbeitsrecht
Leitsatz (amtlich)
ß 4 Ziff. 5 Buchst. c GrStG, wonach Dienstwohnungen von Geistlichen in dem Umfange von der Grundsteuer befreit sind, in dem sie nach den vor dem 1. April 1938 geltenden landesgesetzlichen Vorschriften befreit waren, ist rechtsgültig.
GrStG § 4 Ziff. 5 Buchst. c; GG Art. 3 und 19.
Normenkette
GrStG § 4/5/c; GG Art. 3, 19
Tatbestand
Die Bfin. ist eine Religionsgemeinschaft. Ihr sind im April 1952 von der zuständigen Landesregierung die Rechte einer Körperschaft des öffentlichen Rechtes verliehen worden. Der Bfin. gehört ein gemischtgenutztes Grundstück, das teilweise (Erdgeschoß und ein Teil des ersten Obergeschosses) dem Gottesdienste gewidmet ist, im übrigen aber zu Wohnzwecken benutzt wird. Das Finanzamt hat für das Grundstück zum 1. Januar 1952 einen Einheitswert von 17.100 DM festgestellt und den Grundsteuermeßbetrag auf 171 DM festgesetzt; hierbei hat es den dem Gottesdienste gewidmeten Teil des Grundstückes als grundsteuerbefreit angesehen und daher nicht mitbewertet. Eine Ausdehnung der Grundsteuerbefreiung auf zwei Wohnungen, die an zwei Seelsorger der Bfin. vermietet sind, ist vom Finanzamt abgelehnt worden. Der Bescheid hierüber ist unanfechtbar geworden.
Im Jahre 1958 beantragte die Bfin. erneut, ihr auch für die zwei genannten Wohnungen die Grundsteuerbefreiung zu gewähren. Das Finanzamt lehnte den Antrag abermals mit der Begründung ab, daß Dienstwohnungen von Geistlichen ab 1. April 1951 von der Grundsteuer nur in dem Umfange befreit seien, in dem sie nach den vor dem 1. April 1938 geltenden landesgesetzlichen Vorschriften befreit gewesen seien. Das Grundstück der Bfin. liege in einem ehemals preußischen Gebietsteil, so daß als "maßgebendes Landesgesetz" das Gesetz über die Erhebung einer vorläufigen Steuer vom Grundvermögen vom 14. Februar 1923 in Betracht komme. Der maßgebende § 15 dieses Gesetzes nehme jedoch auf § 24 Abs. 1 Buchst. b bis k und Abs. 3 des Kommunalabgabengesetzes vom 14. Juli 1893 (Gesetz-Sammlung für die Königlichen Preußischen Staaten S. 152) Bezug. Nach § 24 Abs. 1 Buchst. k a. a. O. seien jedoch nur Dienstwohnungen von Geistlichen steuerbefreit gewesen, soweit ihnen bisher Steuerfreiheit zugestanden habe. Eine solche sei aber nach der Rechtsprechung des Preußischen Oberverwaltungsgerichts nur den vor dem Inkrafttreten des Kommunalabgabengesetzes anerkannten öffentlich-rechtlichen Religionsgesellschaften, nämlich der Evangelischen und der Römisch-katholischen Kirche, zugestanden worden. Einspruch und Berufung hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht schloß sich im wesentlichen unter Berufung auf die Rechtsprechung des erkennenden Senates (Entscheidung III 163/53 S vom 12. Februar 1954, BStBl 1954 III S. 100, Slg. Bd. 58 S. 493) der Auffassung des Finanzamts an.
In der Rb. wird von der Bfin. vor allem folgendes vorgebracht: Durch Versagung der Steuerbefreiung für die Dienstwohnungen ihrer Seelsorger sei sie in ihrem Grundrechte (Gleichheit vor dem Gesetz) verletzt. Sie habe ein Rechtsschutzinteresse an der begehrten Entscheidung, da sie nicht die Erklärung der Verfassungswidrigkeit des § 4 Ziff. 5 c GrStG 1951 schlechthin, sondern nur die Erstreckung der durch diese Vorschrift bewirkten Begünstigung auch auf sich erstrebe. Das Gesetz zur Änderung des GrStG vom 10. August 1951 (BGBl I S. 515) sei unter der Herrschaft des Grundgesetzes (GG) erlassen worden und stehe daher in vollem Umfange unter der Geltung des Gleichheitsgrundsatzes. Der Beachtung dieser Norm könne der Gesetzgeber nicht dadurch ausweichen, daß er in den Tatbestand der genannten Befreiungsvorschrift ein auf Zeit bezogenes Element aufnehme (Rechtslage vor dem 1. April 1938), in der nach der herrschenden Meinung zur Weimarer Reichsverfassung die Anwendung des Gleichheitsgrundsatzes für juristische Personen im Gegensatz zu Art. 19 Abs. 3 GG nicht anerkannt gewesen sei. Diese Bezugnahme auf eine frühere Rechtslage hätte allerdings im Ergebnis dann nicht zu einem Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz geführt, wenn der Bundesgesetzgeber mit der Wiedereinführung der Grundsteuerbefreiung für Dienstwohnungen Geistlicher bestimmter Religionsgesellschaften nicht eine Neuprivilegierung, sondern die Wiedergutmachung eines durch den nationalsozialistischen Gesetzgeber herbeigeführten Unrechts objektiv bezweckt haben würde. Dies sei jedoch nicht der Fall. Zwar treffe es zu, daß der Gesetzgeber tatsächlich beabsichtigt habe, die Grundsteuerbefreiung in ihrer Begrenzung auf bestimmte, begünstigte Religionsgemeinschaften unter dem Gesichtspunkte der Wiedergutmachung einzuführen. Für die Frage, ob die in § 4 Ziff. 5 c GrStG enthaltene Begrenzung des Personenkreises eine durch die Natur des hier zu regelnden Sachbereiches vertretbare Differenzierung darstelle, sei jedoch nicht letzthin die Motivierung des Gesetzes entscheidend. Maßgebend dafür, ob eine gesetzliche Regelung den Erfordernissen des Gleichheitsgrundsatzes genüge, sei vielmehr die objektiv erreichte Gestaltung der Rechtslage. Im Fall des § 4 Ziff. 5 c GrStG bestehe eine Diskrepanz zwischen den Motiven des Gesetzgebers und dem Sinne der objektiv erreichten Gestaltung der Rechtslage. Objektiv liege bei der Wiedereinführung der Grunderwerbsteuerbefreiung für Dienstwohnungen Geistlicher eine Wiedergutmachung gar nicht vor, zumal der Gesetzgeber der Befreiungsvorschrift keine Rückwirkung auf den 1. April 1938 beigelegt habe. Eine Differenzierung in früher begünstigte und in früher nicht begünstigte oder noch nicht bestehende Körperschaften mit religiöser Zielsetzung sei daher bei der getroffenen Regelung nicht gerechtfertigt. Der Gesetzgeber habe hierbei die äußersten Grenzen des ihm zustehenden Ermessensspielraums überschritten. Es handle sich um eine Neuprivilegierung bestimmter Religionsgesellschaften unter Ausschluß der übrigen Religionsgesellschaften.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist unbegründet.
-I. - Das Finanzamt hat den Teil des Grundstückes, der kirchlichen Zwecken dient, unter Hinweis auf § 4 Ziff. 5 a GrStG bereits nach dem Stande vom 1. Januar 1952 mit Wirkung vom 1. April 1952 von der Grundsteuer befreit. Diese Entscheidung war fehlerhaft. Am 1. Januar 1952 waren die Voraussetzungen für eine Grundsteuerbefreiung nach § 4 Ziff. 5 a GrStG noch nicht erfüllt, da die Bfin. erst mit Urkunde vom 22. April 1952 die Rechte einer Körperschaft des öffentlichen Rechtes erhalten hat. Demgemäß hätte für diesen Teil des Grundstückes - falls nicht eine Steuerbefreiung nach einer anderen Vorschrift, zum Beispiel § 4 Ziff. 3 b GrStG, in Betracht kam - die Steuerbefreiung erst nach dem Stande vom 1. Januar 1953 mit Wirkung vom 1. April 1953 ab gewährt werden dürfen (ß 14 GrStG; Urteil des Bundesfinanzhofs III 99/55 U vom 2. Dezember 1955 BStBl 1956 III S. 22, Slg. Bd. 62 S. 57).
-II. - Die Gerichte sind an die Gesetze gebunden und deshalb nicht berechtigt, einem nachkonstitutionellen Gesetze die Wirksamkeit zu versagen. Sind sie der Auffassung, daß der Gesetzgeber gegen Grundsätze des Verfassungsrechtes verstoßen hat, so müssen sie nach Art. 100 Abs. 1 GG die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einholen (siehe hierzu Urteil des Bundesverfassungsgerichts1 BvL 106/53 vom 18. Dezember 1953, Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts - BVerfGE - Bd. 3 S. 225, insbesondere S. 231).
In Übereinstimmung mit dem Finanzgericht ist der Senat der Ansicht, daß dies im vorliegenden Falle nicht erforderlich ist. Er geht somit von der Rechtswirksamkeit des § 4 Ziff. 5 c GrStG aus. Diese Vorschrift ist durch das Gesetz zur Änderung des GrStG vom 10. August 1951 (a. a. O.) in das geltende GrStG eingeführt worden. Die Einfügung beruht auf folgenden Erwägungen: In den ehemaligen Ländern des Reiches war der Rechtszustand hinsichtlich der Befreiung des Grundbesitzes von Religionsgesellschaften außerordentlich vielgestaltig. So bestand z. B. im Lande Bayern einschließlich der Pfalz, in den ehemaligen oldenburgischen Gebietsteilen einschließlich Lübeck und im ehemaligen Großherzogtum Hessen-Darmstadt überhaupt keine Befreiung für Dienstwohnungen der Geistlichen von der Grundsteuer. Im ehemaligen Lande Braunschweig waren Dienstwohnungen der Geistlichen lediglich von der Staatsgrundsteuer, nicht aber von der Gemeindegrundsteuer, befreit (siehe Urteil des Bundesfinanzhofs III 145/55 S vom 16. September 1955, BStBl 1955 III S. 327, Slg. Bd. 61 S. 335). Im ehemaligen Lande Preußen galt die Steuerbefreiung nur für Dienstwohnungen der Geistlichen von "öffentlich" oder "ausdrücklich" aufgenommenen Kirchengesellschaften; hierunter fielen aber anerkanntermaßen lediglich die Evangelischen Landeskirchen und die Römisch-katholische Kirche (Urteil des Bundesfinanzhofs III 163/53 S vom 12. Februar 1954, a. a. O.). Das Grundsteuerrahmengesetz vom 1. Dezember 1930 - GrRG - (Dritter Teil, Kapitel II der Verordnung zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen, RGBl I S. 517, 531) sah seinerzeit keine Möglichkeit, die Zersplitterung des Landesgrundsteuerrechts auf diesem Teilgebiete zu beseitigen. Nach diesem Gesetze (ß 3 Abs. 1 Ziff. 8) war der Grundbesitz von Religionsgesellschaften insoweit von der Grundsteuer befreit, als er auf Grund einer vor dem Inkrafttreten des GrRG bestehenden landesrechtlichen Vorschrift bisher von der Grundsteuer befreit war und diese Befreiung als eine Staatsleistung im Sinne des Art. 173 der Reichsverfassung anzusehen war. Der Gesetzgeber 1936, der sich die Vereinheitlichung des gesamten Grundsteuerrechtes als Aufgabe gestellt hatte, hielt es demgegenüber für unmöglich, bei der Frage der Steuerbefreiung der Kirchen den Gedanken der Vereinheitlichung aufzugeben und die bisherige Regelung der Länder in ihrer Vielgestaltigkeit aufrechtzuerhalten (vgl. hierzu Kühne, Das Grundsteuergesetz vom 1. Dezember 1936, Anm. 1 zu § 4 Ziff. 5). Demgemäß wurde auch hier jeder Wohnzwecken dienende Grundbesitz für grundsteuerpflichtig erklärt. Es kann nicht zweifelhaft sein, daß mit dieser Regelung die vor dem 1. April 1938 in einzelnen Ländern bestehenden Grundsteuerbefreiungen für Grundbesitz von öffentlich-rechtlichen Religionsgesellschaften erheblich beschnitten worden sind. Bei den Beratungen und Abstimmungen zum Grundsteueränderungsgesetz 1951 setzte sich im Bundestage die Auffassung durch, daß es sich bei den genannten Grundsteuerbefreiungen um sogenannte negative Staatsleistungen im Sinne des Art. 173 der Reichsverfassung gehandelt habe, die man bei Einführung des GrStG 1936 nicht entschädigungslos, das heißt ohne Ablösung habe beseitigen dürfen. Wenn sich der Gesetzgeber 1951 daher entschlossen hat, ab 1. Januar 1951 diesem früher nach Landesrecht bestehenden Rechtszustand wieder Geltung zu verschaffen, so beruht dies auf sachlich einleuchtenden Gründen. Wenn der Gesetzgeber hierbei weiter die alten Befreiungen nicht über den damals geltenden Umfang hinaus auf andere Tatbestände ausgedehnt hat, kann keinesfalls behauptet werden, der Gesetzgeber habe damit gleiche Tatbestände ungleich behandelt und damit ein Grundrecht (Gleichheit vor dem Gesetze) verletzt. Die Vorschrift selbst (ß 4 Ziff. 5 c GrStG) lehnt sich sachlich an Regelungen an, die das GrRG vom Jahre 1930 getroffen hatte. Sie ist rechtsgültig.
Die Bfin. befindet sich auch im Irrtum, wenn sie annimmt, daß es sich bei der Einfügung des § 4 Ziff. 5 c GrStG um eine Wiedergutmachung gehandelt habe. Vielmehr hat es sich nur um die Wiederherstellung eines Rechtszustandes gehandelt, der zwischenzeitlich anders geregelt war. Damit entfallen alle Folgerungen, die die Bfin. aus einer "Wiedergutmachung" ableiten will. Auch auf die Frage, ob überhaupt "Dienstwohnungen" im Sinne der genannten Vorschrift vorliegen, muß nicht eingegangen werden.
Fundstellen
Haufe-Index 410750 |
BStBl III 1963, 266 |
BFHE 1963, 729 |
BFHE 76, 729 |