Entscheidungsstichwort (Thema)
Grunderwerbsteuer/Kfz-Steuer/sonstige Verkehrsteuern
Leitsatz (amtlich)
Die Grunderwerbsteuerbefreiung nach Artikel 1 Nr. 1 Buchstabe a des unten angeführten GrESWG kann grundsätzlich nur beansprucht werden, wenn auch die Grundsteuervergünstigung nach § 92 des II. WoBauG tatsächlich beansprucht und gewährt worden ist.
Die bindende Wirkung eines Anerkennungsbescheids (§§ 82, 83, 92, Abs. 2 des II. WoBauG) gilt auch im Verfahren über die Grunderwerbsteuerbefreiung, soweit nicht Besonderheiten, die sich aus der Natur der Sache ergeben, eine zusätzliche eigene Beurteilung im Grunderwerbsteuerverfahren erfordern.
Normenkette
GrESWGBY 1/1/a; GrESWGBY 4
Tatbestand
Durch notarielle Urkunden vom Februar/August 1960 erwarben der Kläger und seine Ehefrau unbebauten Grundbesitz zu Miteigentum nach gleichen Anteilen. Nach Abgabe einer Verpflichtungserklärung gemäß Artikel 3 des bayerischen Gesetzes über die Grunderwerbsteuerbefreiung für den sozialen Wohnungsbau in der Fassung vom 12. November 1958 - GrESWG - (GVBl S. 330) stellte das FA den Grundstückserwerb vorerst von der Grunderwerbsteuer frei. Durch Anerkennungsbescheid von Ende Oktober 1962 wurden die zwischenzeitlich errichteten Wohnungen mit Wirkung ab Mitte Dezember 1961 als steuerbegünstigte Wohnungen nach §§ 82, 83 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes (II. WoBauG) anerkannt. Der Kläger und seine Ehefrau beantragten jedoch die Grundsteuervergünstigung nicht, sondern verzichteten von Anfang an darauf. Deshalb erhob das FA (durch getrennte Steuerbescheide gegen jeden Ehegatten) die Grunderwerbsteuer nach. Entgegen der Meinung des Klägers vertrat das FA unter Bezugnahme auf Abschnitt 44 der II. Vollzugsanweisung zum GrESWG vom 19. Januar 1960 des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen (Amtsblatt des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen - BayFMBl - 1960 S. 126, 140) auch in der Einspruchsentscheidung die Auffassung, daß die Grunderwerbsteuerbefreiung gemäß Artikel 1 Nr. 1 Buchstabe a GrESWG nur gewährt werden könne, wenn für die auf dem Grundstück errichteten Wohnungen die Grundsteuervergünstigung nach dem II. WoBauG tatsächlich beansprucht und gewährt werde. Der Anerkennungsbescheid binde die Finanzverwaltungsbehörden nur im Verfahren über die Grundsteuervergünstigung, nicht aber über die landesrechtliche Grunderwerbsteuerbefreiung.
Die Berufung des Klägers hatte Erfolg. Das FG hob Einspruchsentscheidungen und Steuerbescheid durch Urteil II 250/64 vom 29. Januar 1965 (EFG 1965, 445) auf, da die Grunderwerbsteuerbefreiung nach Artikel 1 GrESWG nicht voraussetze, daß auch die Grundsteuervergünstigung nach dem II. WoBauG tatsächlich beansprucht werde. Das FG ließ jedoch die Rb. wegen grundsätzlicher Bedeutung der Streitfrage zu.
Mit der Rb. rügt das FA (Beklagter) unter Bezugnahme auf das Urteil des Senats II 79/62 U vom 25. November 1964 (BFH 81, 270, BStBl III 1965, 98) irrige Rechtsanwendung durch das FG.
Entscheidungsgründe
Die Rb. - jetzt Revision - ist begründet. Der Senat hat nicht nur durch das o. a. Urteil II 79/62 U zum bremischen Gesetz über die Befreiung des sozialen Wohnungsbaues von der Grunderwerbsteuer 1954 (GVBl 1954 S. 119) und durch Urteil II 14/62 vom selben Tag (HFR 1965, 225) zum rheinland-pfälzischen Gesetz über die Grunderwerbsteuerbefreiung beim Wohnungsbau (GVBl 1955 S. 21) in Verbindung mit dem I. WoBauG - wenn auch im letztgenannten Fall bei etwas differierendem Wortlaut -, sondern durch Urteil II 89/62 vom 9. Dezember 1964 (HFR 1965, 276) auch unmittelbar zu dem bayerischen GrESWG entschieden, daß die Grunderwerbsteuerbefreiung - im letztgenannten Fall nach Artikel 1 Nr. 4 Buchstabe a GrESWG - nur beansprucht werden kann, wenn die Grundsteuervergünstigung nach § 92 des II. WoBauG tatsächlich gewährt worden ist. Die drei Urteile sind erst nach Ergehen des im vorliegenden Fall angefochtenen FG-Urteils bekannt geworden. Die Ausführungen des FG können den Senat nach erneuter Prüfung nicht veranlassen, seine grundsätzliche Rechtsauffassung zur Streitfrage zu ändern. Um Wiederholungen zu vermeiden, wird auf die Begründung des Urteils II 89/62, a. a. O., verwiesen, die wie folgt ergänzt wird.
Vorweg ist - wie der Senat in jenem Urteil ebenfalls bereits im einzelnen dargelegt hat - klarzustellen, daß die Bindewirkung des Anerkennungsbescheids gemäß §§ 82, 83, des II. WoBauG entgegen der Auffassung des FA auch im Verfahren über die Gewährung der Grunderwerbsteuerbefreiung zu beachten ist, soweit nicht Besonderheiten, die sich aus der Natur der Sache ergeben, für die Grunderwerbsteuerbefreiung eine zusätzliche eigene Beurteilung im Grunderwerbsteuerverfahren erfordern, wie hier die Prüfung, ob die Grundsteuervergünstigung gewährt worden ist. Es sind - wie der Senat auch in anderem Zusammenhang ausgeführt hat (vgl. Urteil II 156/63 vom 1. August 1967, BStBl III 1967, 706) - noch andere Fälle denkbar, die zur Verneinung der Grunderwerbsteuerbefreiung führen können, ohne daß zuvor die Anerkennung einer Wohnung als steuerbegünstigt (also auch die weitere Gültigkeit des Anerkennungsbescheids) und somit die Grundsteuervergünstigung berührt worden wären; denn dieser Anerkennungsbescheid hat die "Anerkennung von Wohnungen als steuerbegünstigte Wohnungen nach den §§ 82 und 83 des II. WoBauG" schlechthin zum Inhalt; so z. B., wenn ein Familienheim diese seine Eigenschaft verliert aber gleichwohl als steuerbegünstigte Mietwohnung weiterbenutzt oder wenn ein solches Familienheim innerhalb der Fünfjahresfrist (Artikel 4 GrESWG) veräußert wird, in der Person des Erwerbers aber die Voraussetzungen der Grundsteuervergünstigung ebenfalls erfüllt sind (vgl. Ehrenforth, Kommentar zum Zweiten Wohnungsbaugesetz, § 7 Anmerkung 5 zu b; vgl. auch Fischer- Dieskau-Pergande-Schwender, Kommentar zum Zweiten Wohnungsbaugesetz, § 7 Anmerkung 6 S. 234 f, Anmerkung 10, § 83 Anmerkung 5 S. 963/4; Troll, Verwaltungsanordnung - Zweites Wohnungsbaugesetz Abschnitt 11 Anmerkung 1. Deutsche Steuer- Zeitung, Ausgabe C, lfd. Lfg., 187; Oberverwaltungsgericht Münster, Urteil vom 31. Juli 1962, II A 457/62, Der Betriebs- Berater, 1962 S. 1238). Danach genügt - entgegen der Auffassung des FG - die Vorlage des Anerkennungsbescheids allein noch nicht, um in jedem Fall auch das Vorliegen aller Voraussetzungen für die Grunderwerbsteuerbefreiung gemäß Artikel 3 Abs. 3 GrESWG bejahen zu können. Zumindest kann also aus dieser Vorschrift nicht, wie das FG meint, geschlossen werden, die Nachprüfung des FA (hinsichtlich der Grunderwerbsteuerbefreiung) habe sich auf die Angaben in der Bescheinigung zu beschränken.
Es ist richtig, daß die wohnungswirtschaftlichen Wirkungen auf den Gebieten der Mietpreisbindung (§§ 85, 87 des II. WoBauG) und der Wohnraumbewirtschaftung (§§ 84, 86 des II. WoBauG; mit Ausnahme der Sonderregelung für sogenannte Doppelwohnungen (§§ 3, 11 Wohnraumbewirtschaftungsgesetz - WBewG -) bereits mit der Anerkennung der Wohnung als steuerbegünstigte Wohnung bzw. mit dem (beantragten oder auch nichtbeantragten) Widerruf dieser Anerkennung selbst verknüpft sind, ohne Rücksicht darauf, ob die Grundsteuervergünstigung gewährt worden war. Demgegenüber ist der bloße Verzicht auf die Grundsteuervergünstigung (ohne Widerruf der Anerkennung) immerhin von Einfluß auf den Mieterschutz. Auch nach der Neufassung des § 31 a des Mieterschutzgesetzes durch Gesetz vom 10. April 1961 (BGBl I S. 421) entsteht der Mieterschutz jedenfalls dann nicht, wenn - wie im Streitfall - ein Antrag auf Grundsteuervergünstigung nicht gestellt oder doch noch vor deren Gewährung zurückgenommen wird (Fischer-Dieskau-Pergande-Schwender, a. a. O., § 84 Anmerkung 7, besonders zu a S. 975). Es muß dem Grundstückseigentümer überlassen bleiben, ob er unter Umständen um der Lösung vom Mieterschutz willen auf die Grundsteuervergünstigung und damit auch auf die Grunderwerbsteuerbefreiung verzichten will.
Es kommt noch folgendes hinzu: § 3 Abs. 3 GrESWG fordert nur eine Bescheinigung, aus der zu entnehmen ist, daß die Voraussetzungen für die Grunderwerbsteuerfreiheit erfüllt sind. Wenn aber, wie das FG meint, der Befreiungstatbestand des Gesetzes bereits erfüllt wäre, falls nur die Voraussetzungen für die Grundsteuervergünstigung nach dem II. WoBauG vorliegen, so müßte die Grunderwerbsteuerbefreiung bereits dann gewährt werden, wenn der Grundstückserwerber eine Bescheinigung der gemäß Artikel 3 Abs. 3 GrESWG zuständigen Stelle vorlegt, aus der sich ergibt, daß die neugeschaffenen Wohnungen die in § 82 des II. WoBauG bezeichneten Voraussetzungen erfüllen, die eine Anerkennung als steuerbegünstigte Wohnungen gestatten würden. Eine Bescheinigung dieses Inhalts müßte nicht notwendig davon abhängen, daß der Grundstückserwerber in einem formellen Anerkennungsverfahren gemäß §§ 82, 83 des II. WoBauG einen Anerkennungsbescheid bewirkt hätte. Der Grundstückserwerber käme also auch dann in den Genuß der Grunderwerbsteuerbefreiung, wenn er, da er auf die Grundsteuervergünstigung ohnehin verzichtete, auch auf Erteilung des Anerkennungsbescheids verzichten, bzw. den Widerruf eines bereits erteilten Anerkennungsbescheids (zur - nicht unumstrittenen - Zulässigkeit eines solchen Antrags vgl. Ehrenforth, a. a. O., § 83 Anmerkung 5, § 94 Anmerkung 6 zu a; Fischer-Dieskau-Pergande-Schwender, a. a. O., § 83 Anmerkung 5 am Ende) erwirken und hierdurch die mit der förmlichen Anerkennung der Wohnungen als steuerbegünstigten Wohnungen verknüpften Folgewirkungen (nicht: Voraussetzung der Anerkennung), insbesondere der Mietpreisbindung (§§ 85, 87 des II. WoBauG) und bei sogenannten Doppelwohnungen der möglichen Wohnraumbewirtschaftung (§§ 3, 11 BewG; vgl. Fischer-Dieskau- Pergande-Schwender, a. a. O., § 82 Anmerkung 19, § 84 Anmerkung 2; Ehrenforth, a. a. O., § 84 Anmerkung 2, § 94 Anmerkung 6) vermeiden würde.
Da der Kläger durch Verzicht auf die Grundsteuervergünstigung keine Gebäude mit grundsteuerbegünstigten Wohnungen errichtet hat (Artikel 1 Nr. 1 Buchstabe a GrESWG), hat das FA die Grunderwerbsteuer wegen Nichterfüllung des grunderwerbsteuerbegünstigten Zwecks gemäß Artikel 4 GrESWG mit Recht nachgefordert.
Die Vorentscheidung war aufzuheben. Die Berufung - jetzt Klage - gegen die Einspruchsentscheidung war abzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 412702 |
BStBl III 1967, 709 |
BFHE 1967, 545 |
BFHE 89, 545 |