Leitsatz (amtlich)
1. Die Zusammenveranlagung des Haushaltsvorstands mit seinen Kindern zur Vermögensteuer (§ 11 Abs. 2 VStG) verstößt nicht gegen das GG.
2. Die Zusammenveranlagung des Haushaltsvorstands mit seinen Kindern zur Vermögensteuer nach § 11 Abs. 2 VStG verstößt selbst dann nicht gegen das GG, wenn die Freibeträge und Freigrenzen des § 67 Abs. 1 und 2 BewG a. F. nach § 67 Abs. 3 BewG a. F. auch dann nur auf den doppelten Betrag erhöht werden, wenn neben dem Haushaltsvorstand und seinem Ehegatten auch die Kinder die Voraussetzungen für die Gewährung dieser Freibeträge und Freigrenzen erfüllen.
Normenkette
GG Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1; BewG i.d.F. vor Inkrafttreten des BewÄndG 1965 § 67 Abs. 1; BewG i.d.F. vor Inkrafttreten des BewÄndG 1965 § 67 Abs. 2; BewG i.d.F. vor Inkrafttreten des BewÄndG 1965 § 67 Abs. 3; VStG § 11 Abs. 1-2
Tatbestand
Der Kläger ist durch Bescheid vom 9. September 1964 zusammen mit seiner Ehefrau und seinen zwei damals noch nicht 18 Jahre alten Kindern zur Vermögensteuer 1963 veranlagt worden. Das Gesamtvermögen zum 1. Januar 1963 wurde auf 206 000 DM festgesetzt. Darin befand sich auch Vermögen der beiden Kinder, und zwar Darlehen in Höhe von je 29 741 DM und GmbH-Anteile in Höhe von je nominell 6 000 DM, die das FA mit je 12 000 DM bewertete. Das FA verdoppelte nach § 67 Abs. 3 BewG a. F. den Freibetrag des § 67 Abs. 1 Nr. 2 BewG in der am 1. Januar 1963 geltenden Fassung auf 2 000 DM und den Freibetrag des § 67 Abs. 2 BewG in der am 1. Januar 1963 geltenden Fassung auf 20 000 DM.
Der Einspruch, mit dem der Kläger die Gewährung eines Freibetrages nach § 67 Abs. 3 BewG a. F. in Höhe von weiteren 20 000 DM begehrte, blieb ohne Erfolg. Auch die Berufung war ohne Erfolg.
Mit der als Revision zu behandelnden Rb. rügt der Kläger unrichtige Anwendung des bestehenden Rechts. Er ist der Auffassung, daß § 11 Abs. 2 VStG gegen das Grundgesetz verstoße. Er beantragt, die Entscheidung auszusetzen, bis über eine beim BVerfG anhängige Verfassungsbeschwerde, mit der die Verfassungswidrigkeit des § 11 Abs. 2 VStG behauptet werde, entschieden sei.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision ist unbegründet.
I.
Der Senat hat in den beiden Urteilen III 287/60 U vom 3. April 1964 (BFH 79, 502, BStBl III 1964, 414) und III 129/62 U vom 24. Juli 1964 (BFH 80, 350, BStBl III 1964, 598) entschieden, daß die Zusammenveranlagung von Ehegatten bei den Hauptveranlagungen 1957 und 1960 nicht gegen das GG verstößt. Er hat dort ausgeführt, daß aus der Regelung des § 26 EStG für das Einkommensteuerrecht nicht hergeleitet werden könne, daß das GG bei der Vermögensteuer nur dann beachtet sei, wenn auch bei ihr ein Wahlrecht zwischen Zusammenveranlagung und getrennter Veranlagung zugestanden werde. Die Einführung des Wahlrechts für die Einkommensteuer gehe auf die Entscheidung des BVerfG 1 BvL 4/54 vom 17. Januar 1957 (BVerfGE 6, 55, BStBl I 1957, 193) zurück, durch die § 26 EStG in der Fassung vom 17. Januar 1952 - EStG 1951 - (BGBl I 1952, 33) für nichtig erklärt worden sei. Das BVerfG habe in dieser Vorschrift eine Verletzung des den Schutz der Ehe bezweckenden Art. 6 Abs. 1 GG erblickt, weil die Ehegatten durch die Zusammenveranlagung wegen des progressiven Steuertarifs des EStG im wirtschaftlichen Ergebnis schlechtergestellt würden als andere Personen.
Der Senat hat damals betont, daß dieser Gesichtspunkt gegenüber der im § 11 Abs. 1 VStG angeordneten Zusammenveranlagung der Ehegatten nicht Platz greift, weil die Vermögensteuer nach einem Proportionaltarif erhoben wird. An dieser Auffassung hält der Senat auch für die Hauptveranlagung 1963 fest. Die gleiche Erwägung trifft aber auch für die in § 11 Abs. 2 VStG angeordnete Zusammenveranlagung des Haushaltsvorstands mit den noch nicht 18 Jahre alten Kindern zu; denn auch bei der Entscheidung des BVerfG 1 BvL 16-25/62 vom 30. Juni 1964 (BStBl I 1964, 488), durch die § 27 EStG für nichtig erklärt wurde, war die Schlechterstellung wegen des progressiven Steuertarifs des EStG ausschlaggebend.
II.
Der Senat hat in den beiden Urteilen III 287/60 U und III 129/62 U (a. a. O.) weiter ausgeführt, daß auch die sonstigen mit der Zusammenveranlagung bei der Vermögensteuer verbundenen finanziellen Auswirkungen nicht dazu führen, wegen der Nichteinräumung eines Wahlrechts zwischen Zusammenveranlagung und getrennter Veranlagung einen Verstoß gegen das GG anzunehmen. Er hat dargetan, daß sich die Zusammenveranlagung der Ehegatten gegenüber einer getrennten Veranlagung in der Regel zu ihren Gunsten, aber im allgemeinen nicht in nennenswerter Weise zu ihren Ungunsten auswirken kann. Auch hieran hält der Senat fest. Das gleiche gilt nach Meinung des Senats auch für die Zusammenveranlagung des Haushaltsvorstandes mit seinen Kindern. Auch der Freibetrag von 20 000 DM für jedes Kind wird ohne Rücksicht darauf gewährt, ob das Kind eigenes Vermögen hat oder nicht. Die Freigrenzen und Freibeträge des § 67 Abs. 1 BewG a. F. und der Freibetrag des § 67 Abs. 2 BewG a. F. werden nach § 67 Abs. 3 BewG a. F. auch dann verdoppelt, wenn nur der Haushaltsvorstand, aber keines der Kinder Vermögen hat, für das diese Freigrenzen und Freibeträge in Betracht kommen. Es ist zwar richtig, daß die Vorschrift des § 67 Abs. 3 BewG a. F. gelegentlich einmal zu einer Mehrbelastung mit Vermögensteuer führen kann. Das ist möglich, wenn außer dem Haushaltsvorstand auch die mit ihm zusammenveranlagte Ehefrau und die mit ihm zusammenveranlagten Kinder Vermögen haben, für das die Freigrenzen und Freibeträge des § 67 Abs. 1 und 2 BewG a. F. in Betracht kommen. Denn nach dem Wortlaut des § 67 Abs. 3 BewG a. F. werden auch in diesen Fällen die Freigrenzen und Freibeträge des § 67 Abs. 1 und 2 BewG a. F. nur auf den doppelten Betrag erhöht. Dabei kann es sich jedoch im Verhältnis zu der großen Zahl der Zusammenveranlagungsfälle nur um Ausnahmefälle handeln. In der überwiegenden Zahl der Fälle werden aber entweder nur der Haushaltsvorstand oder nur die beiden Elternteile oder nur einer der beiden Ehegatten und eines der beiden Kinder solches Vermögen haben. Zudem hält sich die steuerliche Mehrbelastung in diesen Fällen in mäßigen Grenzen. Der Senat ist der Auffassung, daß auch in dieser Mehrbelastung, die nur bei besonders gelagerten Ausnahmefällen entstehen kann, kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 oder Art. 6 Abs. 1 GG zu erblicken ist. Die Regelung der Freibeträge und Freigrenzen im BewG und VStG bezweckt eine Begünstigung der Familie. Sie soll also gerade dem Schutz der Familie dienen. Art. 6 Abs. 1 GG wird aber nicht dadurch verletzt, daß sich diese begünstigende Regelung in Ausnahmefällen unter Umständen nicht immer dahin auswirkt, daß die Freibeträge und Freigrenzen für jeden Familienangehörigen in vollem Umfang eine steuerliche Entlastung bringen. Darin liegt auch nicht ohne weiteres ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Er wäre nur anzunehmen, wenn eine willkürliche ungleiche Behandlung im wesentlichen gleicher Sachverhalte gegeben wäre (BVerfGE 11, 283 [287]; 17, 319 [330]). Das ist aber nur der Fall, wenn ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonstwie einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung nicht ersichtlich ist (BVerfGE 1, 14 [52]; 9, 334 [337]; 12, 341 [348]). Sie ist dagegen nicht schon dann gegeben, wenn der Gesetzgeber im Rahmen seines freien Ermessens unter mehreren gerechten Lösungen im konkreten Fall nicht die "zweckmäßigste", "vernünftigste" oder "gerechteste" gewählt hat (BVerfGE 4, 144 [155]). Auch führt nicht subjektive Willkür zur Feststellung der Verfassungswidrigkeit, sondern nur objektive, d. h. die tatsächliche und eindeutige Unangemessenheit der gesetzlichen Maßnahmen im Verhältnis zu der tatsächlichen Situation, deren sie Herr werden soll (BVerfGE 2, 266 [281]). Bei diesem weitgespannten Rahmen, der dem Gesetzgeber für seine Gestaltungsfreiheit eingeräumt ist, kann in der Beschränkung der Erhöhung der Freibeträge und Freigrenzen auf den doppelten Betrag in § 67 Abs. 3 BewG a. F. kein Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG erblickt werden. Es ist nicht "willkürlich" im Sinne der Rechtsprechung des BVerfG; wenn der Gesetzgeber eine steuerliche Begünstigung so ausgestaltet, daß sie in Ausnahmefällen unter Umständen nicht voll zur Auswirkung kommt. Die Verfassungswidrigkeit des § 11 Abs. 2 VStG läßt sich daher auch nicht aus einer Verletzung des Gleichheitssatzes herleiten. Das gleiche gilt auch hinsichtlich einer etwaigen Mehrbelastung, die dadurch entstehen kann, daß bei der Berechnung der Wertgrenzen für eine Neuveranlagung der Vermögensteuer das Vermögen der Veranlagungsgemeinschaft zusammengerechnet wird. Auch diese Mehrbelastung kann nur in besonders gelagerten Fällen eintreten. In den meisten Fällen wird sich die Zusammenrechnung der Vermögen bei der Neuveranlagung nicht nachteilig auswirken. In manchen Fällen kann sie sich sogar günstig auswirken, nämlich dann, wenn sich das Vermögen einer der zusammenveranlagten Personen um so viel erhöht, daß die Wertgrenze für die Neuveranlagung bei einer Einzelveranlagung überschritten würde, infolge der Zusammenrechnung der Vermögen aber nicht überschritten wird.
III.
Die von dem Kläger beantragte Aussetzung des Verfahrens (§ 74 FGO) kommt nicht in Betracht. Der Senat schließt sich der Auffassung des IV. Senats in den Beschlüssen IV 324/65 vom 13. Januar 1966 (BFH 84, 548, BStBl III 1966, 199) und IV 264/65 vom 29. Juli 1966 (BFH 86, 671, BStBl III 1966, 629) an. Danach brauchen die Steuergerichte Anträgen von Verfahrensbeteiligten, den Rechtsstreit auszusetzen, bis das BVerfG über eine Verfassungsbeschwerde entschieden habe, die wegen der gleichen Rechtsfrage eingelegt wurde, auch nach dem Inkrafttreten der FGO grundsätzlich nicht zu entsprechen.
Fundstellen
Haufe-Index 412873 |
BStBl II 1968, 319 |
BFHE 1968, 258 |