Leitsatz (amtlich)
Bei Teilzahlungsgeschäften unter Einschaltung einer Bank gehören die Finanzierungsgebühren beim Verkäufer zum umsatzsteuerrechtlichen Entgelt, wenn der Verkäufer für alle Verpflichtungen des Käufers aus dem Darlehen dem Kreditinstitut gegenüber als Gesamtschuldner haftet. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Verkäufer über die Darlehnsrückzahlungsraten, die die Finanzierungsgebühren mit einschließen, Wechsel ausstellt und diese nach Annahme durch den Käufer an das Kreditinstitut unter Verzicht auf den Einwand aus der Unterlassung einer Protesterhebung weitergibt.
Normenkette
UStG 1967 § 1 Abs. 1, § 10 Abs. 1
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) verkaufte in den Streitjahren Fahrzeuge gegen Teilzahlung. Zur Finanzierung des Restkaufpreises beantragten die Klägerin und der jeweilige Abzahlungskäufer bei der A-Bank ein Darlehen. Die Klägerin und der jeweilige Käufer unterzeichneten den Darlehnsantrag "als Gesamtschuldner". Der beantragte Darlehnsbetrag setzte sich aus dem Restkaufpreis, den Finanzierungskosten und den Einzugsgebühren zusammen. Mit der Annahme des Darlehnsantrags bzw. - bei Eigentumsvorbehalt des Verkäufers - mit der Zahlung des Restkaufgeldes ging das Eigentum an dem Fahrzeug auf die Bank über. Die gesamte Darlehnsforderung wurde sofort fällig, wenn der Käufer (als Darlehnsnehmer) mit zwei aufeinanderfolgenden Monatsraten ganz oder teilweise in Verzug geriet. Eine nähere Regelung darüber, unter welchen Voraussetzungen die Bank bei Zahlungsverzug des Käufers die Klägerin in Anspruch nehmen konnte, enthielt der formularmäßige Darlehnsantrag nicht. Ein Rahmenvertrag zwischen der Klägerin und der Bank lag nicht vor. In der Fahrzeugrechnung waren die Finanzierungsgebühren ohne Mehrwertsteuer gesondert ausgewiesen. Die Summe aus dem Kaufpreis für das Fahrzeug zuzüglich etwaiger Nebenkosten und der hierauf entfallenden Umsatzsteuer sowie der Finanzierungsgebühren ist als "Gesamt-Verkauf" bezeichnet. In der anschließenden Rubrik "Abrechnung" ist diese Summe nochmals unter Ansatz der Barzahlungs- und der Wechselbeträge angegeben. Über die monatlich an die Bank zu zahlenden Teilbeträge stellte die Klägerin Wechsel aus, die vom jeweiligen Käufer angenommen und von der Klägerin an die Bank weitergegeben wurden. Die Darlehnsnehmer verzichteten auf den Einwand aus der Unterlassung einer Protesterhebung oder Präsentation. Von der Bank wurde der Klägerin ein Teil der Finanzierungsgebühren als Provision gutgeschrieben. Den Wechseldiskont und die Diskontspesen berechnete die Klägerin zuzüglich eigener Kosten den Kunden weiter.
Mit Schreiben vom 28. Dezember 1971 teilte die Bank der Klägerin mit, daß sie von den Kunden akzeptierte Wechsel auch ohne Ausstellerunterschrift der Klägerin hereinnehmen und in diesen Fällen die Wechsel selbst ausstellen würde. Die Haftung der Klägerin hinge ihr gegenüber allein von der Mitunterzeichnung des Darlehnsantrages ab. Diese gesamtschuldnerische Mithaftung beinhalte wirtschaftlich lediglich eine Delkrederehaftung. Im Ernstfall würde sie stets zunächst die Zwangsvollstreckung gegen den Käufer versuchen.
Der Beklagte und Revisionskläger (FA) hat die Umsatzsteuer für die Streitjahre nach den gesamten Finanzierungsgebühren sowie nach den an die Kunden weiterberechneten "Wechselspesen" endgültig veranlagt und für das Jahr 1968 auf ... DM und für das Jahr 1969 auf ... DM festgesetzt. Das FA vertrat hinsichtlich der Finanzierungsgebühren die Auffassung, daß sie auch deshalb zum umsatzsteuerlichen Entgelt gehörten, weil aufgrund der wechselmäßigen Haftung der Klägerin der Leistungsaustausch auf die Finanzierungsgebühren ausgedehnt worden sei. Der Einspruch blieb ohne Erfolg.
Mit der Klage macht die Klägerin im wesentlichen geltend: Im vorliegenden Fall liege kein echter Kreditkauf vor. Die Finanzierungsgebühren würden nur für Abrechnungszwecke in der Kraftfahrzeugrechnung mitaufgeführt. Wirtschaftlich treffe sie nur eine Delkrederehaftung. Die Versteuerung der Finanzierungsgebühren sei deshalb mit Ausnahme der darin enthaltenen Provision für Kreditvermittlung zu Unrecht erfolgt.
Das FG hat mit dem angefochtenen, in den EFG 1975, 231, veröffentlichen Urteil der Klage stattgegeben; es hat die Umsatzsteuer um die auf die weiterberechneten "Wechselspesen" entfallenden Steuern sowie um die auf die Finanzierungsgebühren entfallenden Steuern vermindert und für das Jahr 1968 auf ... DM und für das Jahr 1969 auf ... DM festgesetzt. Zur Begründung hat das FG ausgeführt, daß die Finanzierungszuschläge jedenfalls dann nicht als Teilentgelt für die Lieferung anzusehen seien, wenn sie auf der Rechnung und zusätzlich im Darlehnsantrag als solche besonders ausgewiesen seien und auch ein echtes, die Zuschläge miteinschließendes Gesamtschuldverhältnis des Verkäufers mit dem Käufer nicht vorliege. Zwischen den Kaufvertragsparteien werde durch den besonderen Ausweis der Finanzierungsgebühren klargestellt, daß eine Verschmelzung von Kauf- und Kreditgeschäft nicht gewollt sei. Der Käufer erfahre genau, was er als Kaufpreis für den Lieferungsgegenstand und welchen Betrag er für dessen Finanzierung durch das Kreditinstitut aufwenden müsse. Zugleich werde deutlich gemacht, daß der Käufer die Finanzierungszuschläge nicht dem Verkäufer, sondern dem Kreditinstitut schulde. Aus dem besonderen Ausweis der "Teilzahlungsaufschläge" müsse auf eine Trennung von Kauf- und Kreditgeschäft geschlossen werden. Dieser Umstand müsse auch als ein derart gewichtiges Beweisanzeichen gegen die Annahme eines Leistungsaustausches hinsichtlich der Finanzierungsgebühren gewertet werden, daß demgegenüber die Wagnisübernahme durch den Verkäufer jedenfalls dann zurücktreten müsse, wenn ein echtes Gesamtschuldverhältnis des Verkäufers und des Käufers gegenüber dem Kreditinstitut nicht vorliege. Die Ausstellung von Wechseln durch den Verkäufer reiche für die Annahme eines echten Gesamtschuldverhältnisses nicht aus. Während bei einer echten Gesamtschuld der Gläubiger nach seinem Belieben die Leistung von jedem der Schuldner fordern könne (§ 421 BGB), sei der Aussteller eines Wechsels nur Rückgriffsschuldner (Art. 43 des Wechselgesetzes - WG -) und könne erst mangels Zahlung des Akzeptanten in Anspruch genommen werden. Der Wechselinhaber könne also nicht, wie es für eine echte Gesamtschuld erforderlich wäre, sofort bei Fälligkeit nach seinem Belieben zwischen der Inanspruchnahme des Ausstellers und des Akzeptanten wählen. Auch nach den maßgeblichen Allgemeinen Geschäftsbedingungen für die Kraftfahrzeugfinanzierung (AGB-Kfz), die eine Berechtigung der Bank zur unmittelbaren und sofortigen Inanspruchnahme des Verkäufers bei Fälligwerden einer Rate nicht vorsehen, müsse eine bloße Delkrederehaftung des Verkäufers angenommen werden.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision des FA, mit der nur noch die umsatzsteuerrechtliche Behandlung der Finanzierungsgebühren angegriffen wird. Gerügt wird die Verletzung materiellen Rechts (§§ 1 Abs. 1 und 10 Abs. 1 UStG 1967). Das FA vertritt die Ansicht, das FG habe zu Unrecht die Finanzierungsgebühren aus dem umsatzsteuerrechtlichen Entgelt ausgeschieden. Zur Begründung beruft es sich auf das Urteil des BFH vom 30. November 1961 V 170/59 U (BFHE 74, 197, BStBl III 1962, 74), das bei gleicher Fallgestaltung einen Leistungsaustausch zwischen Verkäufer und Käufer hinsichtlich der Finanzierungskosten bejaht habe. Der BFH habe in diesem Urteil unter Hinweis auf das BFH-Urteil vom 30. Oktober 1958 V 86/56 S (BFHE 67, 478, BStBl III 1958, 455) ausgesprochen, daß immer dann, wenn der Verkäufer in irgendeiner Weise anläßlich der -Teilzahlungszuschläge mit sich bringenden - Kreditgewährung zugunsten des Käufers ein Wagnis eingehe, ein Beweisanzeichen für das Vorliegen eines Leistungsaustausches auch hinsichtlich der Teilzahlungszuschläge erblickt werden könne. Die Ausstellung der Wechsel durch den Kläger sei ein weiteres Beweisanzeichen dafür, daß ein Leistungsaustausch zwischen dem Verkäufer und dem Käufer auch hinsichtlich der Teilzahlungszuschläge gewollt sei.
Das FA beantragt, unter Abänderung der Vorentscheidung die Umsatzsteuer für das Kalenderjahr 1968 auf ... DM und für das Kalenderjahr 1969 auf ... DM festzusetzen.
Die Klägerin ist der Revision entgegengetreten.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Abänderung der Vorentscheidung und zur anderweitigen Festsetzung der Steuer.
Das FG hat zu Unrecht den Entgeltcharakter der Finanzierungsgebühren verneint.
Immer dann, wenn der Verkäufer in irgendeiner Weise anläßlich der Kreditgewährung zugunsten des Käufers ein Wagnis eingeht, kann darin ein - widerlegbares - Beweisanzeichen für das Vorliegen eines Leistungsaustausches auch hinsichtlich des Finanzierungszuschlages erblickt werden. Es müssen allerdings noch andere Umstände hinzutreten, vor allem der erkennbar auf die Übernahme des Wagnisses gerichtete Wille der Beteiligten, um das Vorliegen eines Leistungsaustausches auch hinsichtlich des Finanzierungszuschlages bejahen zu können (BFH-Urteile V 86/56 S und vom 22. Februar 1962 V 66/59 U, BFHE 74, 616, BStBl III 1962, 228).
1. Nach dem Darlehnsvertrag und den AGB-Kfz liegt im Streitfall ein einheitliches Rechtsgeschäft (Kreditkauf) vor, da die Klägerin der Bank als echte Gesamtschuldnerin auch für die Finanzierungsgebühren haftet. Die Klägerin hat den Darlehnsvertrag nicht nur als Gesamtschuldnerin unterzeichnet, sondern sich auch den Bedingungen für die Darlehnsgewährung ohne Einschränkung unterworfen. Nr. 7 der AGB-Kfz, derzufolge der noch rückständige Darlehnsbetrag sofort fällig wird, wenn "der Darlehnsnehmer" mit zwei aufeinanderfolgenden Monatsraten in Verzug gerät, gilt für die Klägerin ebenso wie für den Käufer und bedeutet nicht, daß die Bank sich zuerst an den Käufer halten müsse. Insoweit liegt der Sachverhalt anders als in den Entscheidungen des BFH V 86/56 S, V 66/59 U und vom 9. April 1970 V R 139/66 (BFHE 98, 570, BStBl II 1970, 509). Da schriftlich bestätigte Nebenabreden der Bank (Nr. 2 der AGB-Kfz) oder ein Rahmenvertrag zwischen der Klägerin und der Bank nicht vorliegen, muß aus der fehlenden Regelung in den Kreditbedingungen geschlossen werden, daß die Vorschriften des bürgerlichen Rechts über die Gesamtschuldnerschaft (§§ 421 ff. BGB) auf das Verhältnis der Bank zu der Klägerin uneingeschränkt zur Anwendung kommen.
2. Im vorliegenden Fall bildet die Ausstellung der Wechsel durch die Klägerin ein weiteres Beweisanzeichen für das Vorliegen eines Leistungsaustausches auch hinsichtlich der Finanzierungsgebühren. Die Klägerin haftet nach Wechselrecht als echte Gesamtschuldnerin auch für die Finanzierungsgebühren neben dem jeweiligen Käufer. Die Bank kann die Klägerin ebenso wie den Akzeptanten in Anspruch nehmen, ohne eine bestimmte Reihenfolge einhalten zu müssen. Nach den Bedingungen des Darlehnsvertrages (I. Abs. 1 Satz 5) haben die Darlehensnehmer (Käufer wie Verkäufer) auf den Einwand aus der Unterlassung einer Protesterhebung verzichtet (vgl. Art. 46 WG). Dies befreit die Bank von der Pflicht, vor Inanspruchnahme der Klägerin Protest mangels Zahlung zu erheben (Baumbach/Hefermehl, Wechselgesetz und Scheckgesetz, 11. Aufl., Rdnr. 2 zu Art. 46 WG; Stranz, Wechselrecht, 14. Aufl., Anm. 7 zu Art. 46 WG).
3. Der Umstand, daß die Finanzierungsgebühren in der Kraftfahrzeugrechnung und im Darlehnsantrag gesondert ausgewiesen sind, ist unbeachtlich. Zu Unrecht meint das FG, daß bei einem gesonderten Ausweis der Finanzierungsgebühren auf eine Trennung von Kauf- und Kreditgeschäft geschlossen werden müsse. Aus dem BFH-Urteil V R 139/66 kann dies nicht hergeleifet werden. In dem dort entschiedenen Fall war die Einbeziehung der Finanzierungskosten in den Kaufpreis lediglich ein weiteres Beweisanzeichen, aufgrund dessen ein Leistungsaustausch zwischen dem Verkäufer und seinem Kunden bejaht wurde. Hier ist jedoch - wie unter 1. und 2. dargestellt - ein echtes, auch die Finanzierungsgebühren einschließendes Gesamtschuldverhältnis der Klägerin mit den Kunden schon aus anderen Gründen festzustellen.
Entgegen dem FG kann auch nicht aus dem Schreiben der Bank vom 28. Dezember 1971 geschlossen werden, daß die gesamtschuldnerische Haftung aus dem Darlehnsvertrag wirtschaftlich lediglich eine Delkrederehaftung beinhalten sollte. In diesem Schreiben wird sogar ausdrücklich auf die gesamtschuldnerische Haftung aus dem Darlehnsvertrag hingewiesen. Die dort geäußerte Rechtsansicht, es handle sich wirtschaftlich lediglich um eine Delkrederehaftung, stellt keine Vereinbarung dar, die die Bank für die Vergangenheit rechtlich binden würde. In der Äußerung der Bank könnte allenfalls ein - allerdings nur für die Zukunft wirksames - Angebot gesehen werden, "stets im Ernstfall zunächst die Zwangsvollstreckung gegen den Käufer" zu versuchen.
Die Sache ist zur Entscheidung reif. Die Umsatzsteuer für 1968 wird auf ... DM und für 1969 auf ... DM festgesetzt.
Fundstellen
BStBl II 1978, 171 |
BFHE 1978, 98 |