Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Auf Versorgungsrenten im Sinne des Urteils des Bundesfinanzhofs I 232/54 U vom 12. Juli 1955, Slg. Bd. 61 S. 272, BStBl 1955 III S. 302, ist § 12 Ziff. 2 EStG nicht anwendbar.
Normenkette
EStG § 12 Nr. 2, § 10 Abs. 1 Ziff. 1, § 22/1
Tatbestand
Durch notariellen Vertrag vom 23. Januar 1934 haben der Steuerpflichtige und seine beiden Söhne die zwischen ihnen bestehende Erbengemeinschaft aufgehoben. Die beiden Söhne haben den gesamten der Erbengemeinschaft gehörigen Grundbesitz einschließlich eines Sägewerks als Alleineigentümer übernommen. Das Gesellschaftsverhältnis, das bezüglich der Landwirtschaft und des Sägewerks zwischen dem Steuerpflichtigen und seinen Söhnen bisher bestanden hatte, wurde aufgehoben.
In dem Vertrag haben die Söhne bekannt, ihrem Vater ein "Gutsabstandskapital" von 5.500 Goldmark (GM) sowie als Ausgleich für eine von ihrem Vater übernommene Darlehnsschuld gegenüber dem Darlehnskassenverein einen weiteren Betrag von 11.500 GM, zusammen 17.000 GM zu schulden. Die Söhne haben sich verpflichtet, diesen Betrag vom 1. Februar 1934 an mit jährlich 6 % zu verzinsen. Sie haben weiterhin die Verpflichtung übernommen, ihrem Vater ein lebenslängliches Ausgedinge im Werte von 500 GM jährlich zu gewähren.
Das Schuldkapital von 17.000 GM ist für den Gläubiger unkündbar, vorausgesetzt, daß die Söhne ihrer Verpflichtung zur Zahlung der Zinsen und zur Leistung des Leibgedinges pünktlich nachkommen. Nach dem Ableben des Vaters sind die Söhne verpflichtet, ihrer Stiefmutter aus dem Schuldbetrage von 11.500 GM auf Lebzeiten, beginnend mit dem Tode des Vaters, eine 3 - prozentige Verzinsung zu gewähren.
Als Entschädigung für die Leistung des Leibgedinges und die eingegangenen Zinsverpflichtungen dürfen die Söhne von dem Schuldbetrag jährlich 500 GM abschreiben, ohne daß hierdurch die Zinspflicht eine Ermäßigung erfährt.
Nach dem Tode des Vaters soll den Söhnen das Gutabstandskapital von 5.500 GM ganz und nach dem Tode der beiden Eheleute der gesamte Schuldbetrag von 17.000 GM bzw. der jeweils noch bestehende Rest erlassen sein.
Anhand der Verlust- und Gewinnrechnung hat das Finanzamt festgestellt, daß dem Steuerpflichtigen auf Grund des Vertrages vom 23. Januar 1934 folgende Beträge (Zinsen und Leibgedinge) zugeflossen sind:
II/ 1948 ------- 823,98 DM 1949 --------- 1.647,98 DM 1950 --------- 1.769,00 DM.Diese Beträge sind von der Firma bilanzmäßig als Betriebsausgaben behandelt worden. Der Steuerpflichtige hat in seinen Einkommensteuererklärungen zwar die ihm zugeflossenen Zinsen, nicht jedoch den Betrag der Leibrente als steuerpflichtig angegeben. Das Finanzamt hat die gesamten Beträge zur Einkommensteuer herangezogen. Der Steuerpflichtige hat die Einkommensteuerpflicht des Leibgedinges mit der Begründung bestritten, daß es sich um eine Schuldentilgung handele.
Einspruch und Berufung blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht hat ausgeführt, bei einer örtlichen Beweiserhebung durch den Kammervorsitzenden sei festgestellt worden, daß die Söhne die an ihren Vater bezahlten Rentenbeträge als Versorgungsrente und nicht als Veräußerungsrente behandelt hätten. Der Versorgungscharakter der Rente stehe, rein wirtschaftlich betrachtet, im Vordergrund. Infolgedessen müsse das Vorliegen einer Veräußerungsrente verneint werden. Die vertraglichen Vereinbarungen ließen unzweifelhaft erkennen, daß die Rechtsauffassung der Rentenverpflichteten zutreffend sei. Maßgebend für die rechtliche Auslegung sei in erster Linie der Wille des Rentenverpflichteten. Eine Aufteilung der Rentenleistungen in steuerfreie Kapitalrückzahlungen und steuerpflichtige Rentenzahlungen sei nicht angängig. Der Rentenvertrag müsse einheitlich beurteilt werden. Voraussetzung für die Anerkennung einer Veräußerungsrente sei, daß die Vergünstigung des § 10 Abs. 1 Ziff. 2 a des Einkommensteuergesetzes (EStG) nicht in Anspruch genommen wird. Dabei sei zu berücksichtigen, daß Zuwendungen an gesetzlich unterhaltsberechtigte Personen dann nicht unter das Abzugsverbot des § 12 Ziff. 2 EStG fielen, wenn die Zuwendungen auf einer Gegenleistung beruhten.
Unter Berufung auf seine freie Beweiswürdigung hat das Finanzgericht tatsächlich festgestellt, die örtliche Beweiserhebung habe einwandfrei ergeben, daß "trotz aller vertraglichen Verklausulierungen" nach dem Entstehungsgrund der Verpflichtung und nach der Art ihrer wirtschaftlichen Ausgestaltung keine Veräußerungsrente, sondern eine Versorgungsrente im Sinne des EStG anzunehmen sei.
Die Rechtsbeschwerde des Steuerpflichtigen bzw. seiner Erben macht geltend, die Abgrenzung zwischen Veräußerungs- und Versorgungsrenten sei verschwommen. Im Streitfall liege eine Veräußerungsrente vor. Wenn man jedoch mit dem Finanzgericht das Vorliegen einer Veräußerungsrente verneine, dann sei die Rente gemäß § 12 Ziff. 2 EStG bei dem Empfänger steuerfrei.
Entscheidungsgründe
Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet.
Der I. Senat des Bundesfinanzhofs hat in dem Urteil I 232/54 U vom 12. Juli 1955 (Slg. Bd. 61 S. 272, Bundessteuerblatt - BStBl - III S. 302) den Unterschied zwischen einer (betrieblichen) Veräußerungsrente und einer (außerbetrieblichen) Versorgungsrente klargestellt. Hiernach ergibt sich folgendes:
überläßt ein Vater wegen seines Alters einen Betrieb seinem Sohn und bedingt er sich dabei eine lebenslängliche Rente aus, so kann die Rente eine (betriebliche) Veräußerungsrente oder eine (außerbetriebliche) Versorgungsrente sein. Sind für die übertragung des Geschäfts und die Zusage der Rente vorwiegend (außerbetriebliche) familiäre überlegungen maßgebend, so liegt eine Versorgungsrente vor. Dann dient die Betriebsübertragung überwiegend der Vorwegnahme der künftigen Erbschaft. Die Rente bezweckt in erster Linie die wirtschaftliche Sicherung der alternden Eltern.
Wenn auch eine bei der Betriebsübergabe vom Vater auf den Sohn vereinbarte Rente eine (betriebliche) Veräußerungsrente sein kann, so sind doch solche Renten im allgemeinen als Versorgungsrenten anzusehen. Die Rente, die der Sohn den Eltern zusagt, wird im allgemeinen nicht nach dem Wert des übertragenen Betriebs bemessen; der Wert des Betriebs im Zeitpunkt der übertragung wird gewöhnlich überhaupt nicht nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen ermittelt. Die Höhe der Rente richtet sich weniger nach dem Wert des Geschäfts als nach dem, was der Vater zum angemessenen Lebensunterhalt braucht und der Sohn abgeben kann, ohne die gesunde Fortentwicklung des Geschäfts und den Unterhalt für sich und seine Familie zu beeinträchtigen.
Die Entscheidung der Frage, ob eine Versorgungs- oder eine Veräußerungsrente vorliegt, gehört im wesentlichen dem Gebiet der freien Beweiswürdigung an (vgl. Urteil IV 391/52 U vom 3. Juni 1953, Slg. Bd. 57 S. 694, BStBl III S. 265). Wenn das Finanzgericht ausgeführt hat, bei der örtlichen Beweiserhebung habe sich einwandfrei erwiesen, daß eine Versorgungsrente vorliege, so ist eine solche tatsächliche Feststellung ungenügend, da sie nicht erkennen läßt, auf Grund welcher Tatsachen das Finanzgericht zu diesem Schluß gekommen ist. Ebenso ist insoweit auch die Niederschrift über die örtliche Beweiserhebung unzureichend. Bei der Beurteilung der Rechtslage darf für das Finanzgericht auch nicht in erster Linie die Rechtsauffassung einer Prozeßpartei maßgebend sein. Das gilt insbesondere dann, wenn diese Rechtsauffassung von der anderen Prozeßpartei nicht geteilt wird. Einer Aufhebung der Vorentscheidung bedarf es jedoch nicht, weil ihr Ergebnis bereits von den notariellen Vereinbarungen vom 23. Januar 1934 getragen wird.
Die - grundsätzliche - Unkündbarkeit der Schuldforderung läßt darauf schließen, daß es dem Steuerpflichtigen weniger darauf ankam, die Verfügung über das Kapital zu behalten, als vielmehr Zinsen zu bekommen. Während sich der Steuerpflichtige für den Schuldbetrag von (5.500 + 11.500 =) 17.000 GM eine Verzinsung von 6 % ausbedungen hat, erhält seine Ehefrau nach seinem Ableben für den Schuldbetrag von 11.500 GM nur eine Verzinsung von 3 % auf Lebzeit. Beim Tode des Vaters soll den beiden Brüdern das Gutabstandskapital von 5.500 GM und nach dem Ableben beider Ehegatten der gesamte Schuldbetrag von 17.000 GM bzw. der noch bestehende Rest erlassen sein. Auch hieraus ist zu entnehmen, daß die Vereinbarungen die Versorgung der Eheleute zum Ziele hatten. Daß für die übertragung des Betriebs und die Zusage der von den Söhnen übernommenen Leistungen vorwiegend (außerbetriebliche) familiäre überlegungen maßgebend waren, erhellt am deutlichsten aus der Vertragsbestimmung, nach der trotz der jährlichen Minderung der Schuld um den Wert des Leibgedinges der volle nominelle Schuldbetrag weiter zu verzinsen ist. Die Leistungen auf Grund des Vertrages vom 23. Januar 1934 stellen daher in vollem Umfang eine Versorgungsrente dar. Das gilt auch für das Leibgedinge. Das Finanzgericht hat unter Berufung auf Blümich-Falk, Einkommensteuergesetz, 7. Aufl. Anm. 2 zu § 22 EStG, zutreffend ausgeführt, daß ein Rentenvertrag einheitlich zu beurteilen ist. Vgl. hierzu auch das Urteil des Reichsfinanzhofs VI 28/44 vom 29. März 1944, Reichssteuerblatt - RStBl - 1944 S. 651. Formal ist zwar jährlich der Wert des Leibgedinges von der Kapitalschuld abzuziehen. Geht man jedoch davon aus, daß die Vereinbarungen die Versorgung des Steuerpflichtigen sicherstellen sollten, und daß die in dem Vertrage ausgeworfenen Kapitalien im wesentlichen nur als Berechnungsgrundlage für die Verzinsung benutzt wurden, so kann es den Beteiligten nicht darauf an, eine Tilgung der Schuld herbeizuführen - das wäre nicht nötig gewesen, da ihr Erlaß ja automatisch beim Ableben der Ehegatten eintrat -, sondern eine auf familienrechtlichen Ermittlungen beruhende Leibrente festzulegen. Wäre wirklich eine Tilgung der Schuldsumme durch Abzug des Leibgedinges beabsichtigt gewesen, dann wäre es nicht zu verstehen, daß die Verpflichtung zur Verzinsung des vollen Betrages der Schuldsumme weiter fortbestehen sollte.
Der in der Rechtsbeschwerde vorgetragenen Auffassung, die Rente sei auf Grund des Abzugsverbots des § 12 Ziff. 2 EStG bei dem Steuerpflichtigen einkommensteuerfrei, kann nicht beigepflichtet werden. Der erkennende Senat hat in dem Urteil IV 391/52 U vom 3. Juni 1953, Slg. Bd. 57 S. 694, BStBl III S. 265, ausgeführt, daß Zuwendungen an eine gesetzlich unterhaltsberechtigte Person nicht unter das Abzugsverbot des § 12 Ziff. 2 EStG fallen, sofern sie auf einer Gegenleistung beruhen. Die Rechtsbeschwerde ist offenbar der Auffassung, daß nur in den Fällen einer Veräußerungsrente eine Gegenleistung vorliegt. Dem kann nicht zugestimmt werden. Aus den Ausführungen des oben genannten Urteils I 232/54 U geht hervor, daß auch bei Versorgungsrenten Leistungen und Gegenleistungen sich gegenüberstehen können. Nur werden hierbei Leistungen und Gegenleistungen nicht nach kaufmännischen Gesichtspunkten gegeneinander ausgewogen; es sind vielmehr für die Bestimmung ihrer Höhe vorwiegend (außerbetriebliche) familiäre überlegungen maßgebend. Vgl. hierzu auch § 61 Abs. 1 des Lastenausgleichsgesetzes (LAG). Im Streitfalle verfügte der Steuerpflichtige über einen landwirtschaftlichen Betrieb und einen Sägewerksbetrieb, deren Gewinne zu seinem und seiner Ehefrau Lebensunterhalt ausreichten. Er war daher auf Zuwendungen seiner Söhne als unterhaltsverpflichteter Personen nicht angewiesen. Die Notwendigkeit der Sicherstellung seiner und seiner Ehefrau Versorgung ergab sich erst durch die übertragung der Betriebe auf die Söhne. Der Vater hat die übertragung von der vertraglichen Vereinbarung einer ausreichenden Leibrente abhängig gemacht. Insoweit liegt daher eine die Anwendung des § 12 Ziff. 2 EStG ausschließende Gegenleistung vor. Die Höhe der Rente richtet sich weniger nach dem Wert der Betriebe als nach dem, was der Vater und seine Ehefrau zum angemessenen Lebensunterhalt brauchen und die Söhne abgeben können, ohne die gesunde Fortentwicklung der Betriebe und den Unterhalt für sich und ihre Familie zu beeinträchtigen. Es wurden also nicht, wie es bei der Betriebsveräußerung zwischen Fremden selbstverständlich ist, der Wert der Betriebe im Zeitpunkt der übergabe und die Höhe der zugesagten Rente nach wirtschaftlichen Grundsätzen aufeinander abgestimmt.
Hiernach entfällt die Anwendung des § 12 Ziff. 2 EStG. Während die Rentenverpflichteten gemäß § 10 Abs. 1 Ziff. 1 EStG die Rentenzahlungen als Sonderausgaben abziehen können, sind die Renten bei dem Berechtigten gemäß § 22 Ziff. 1 einkommensteuerpflichtig.
Fundstellen
Haufe-Index 408406 |
BStBl III 1956, 88 |
BFHE 1956, 235 |
BFHE 62, 235 |