Entscheidungsstichwort (Thema)
Anerkennung von Büchern als Arbeitsmittel eines Lehrers
Leitsatz (NV)
1. Ob Bücher und Zeitschriften als Arbeitsmittel bei einem Lehrer anzuerkennen sind, ist für jede Zeitschrift und jedes Buch gesondert zu entscheiden. Dabei kommt es auf die Verwendung des Werks gerade im Streitfall an.
2. Die berufliche Nutzung wird nachgewiesen, wenn der Lehrer angibt, welche Zeitschrift bzw. welches Buch er in welcher Zeit in welcher Klasse zu Unterrichtszwecken benutzt hat.
Normenkette
EStG 1982 § 9 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist an einem Gymnasium tätig, wo er überwiegend im Fach Geschichte unterrichtet. Er machte bei der Einkommensteuerveranlagung 1984 Aufwendungen für Fachliteratur geltend. Sie wurden vom Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA -) bis auf einen Betrag von 445 DM als Werbungskosten bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit anerkannt . . .
Der Einspruch hatte keinen Erfolg. Das FA führte u.a. aus:
Bei den nicht anerkannten Aufwendungen handele es sich um Ausgaben für Bücher und Zeitschriften allgemeinbildender Natur bezüglich eines bestimmten Themakreises. Sie seien nicht für den Unterricht an Schulen, sondern würden auch von zahlreichen privaten Personen zur Vervollständigung und Erweiterung ihrer Allgemeinbildung angeschafft. Solche Anschaffungskosten seien grundsätzlich nicht als Werbungskosten abziehbar, da eine leichte und einwandfreie nachprüfbare Trennung in einen privaten und einen beruflichen Bereich nicht möglich sei. Bei allgemeinbildenden Büchern habe der Steuerpflichtige die ausschließlich berufliche Nutzung nachzuweisen, so z. B. wenn er belege, daß er das gleiche Buch zweimal besitze, einmal für Unterrichtszwecke und einmal für den privaten Gebrauch. Einen solchen Nachweis habe der Kläger nicht erbracht. Sein Hinweis, er benutze die Bücher nicht privat, sei nicht ausreichend, da nicht nachprüfbar. Es komme hinzu, daß der Kläger an dem Themenkreis der Bücher bezüglich des Zweiten Weltkrieges seit Jahren besonderes Interesse außerhalb des schulischen Bereichs gezeigt habe.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage in einem in abgekürzter Form nach § 105 Abs. 5 der Finanzgerichtsordnung (FGO) erlassenen Urteil als unbegründet zurück. Es nahm Bezug auf die Gründe in der Einspruchsentscheidung des FA. Es wies zusätzlich darauf hin, daß der Bundesfinanzhof (BFH) im Urteil vom 28. April 1972 VI R 305/69 (BFHE 106, 59, BStBl II 1972, 723) die Aufwendungen eines Lehrers für die Fächer Deutsch, Englisch und Politik/Gemeinschaftskunde für Bücher, die er für Unterrichtszwecke verwende, nicht als Werbungskosten anerkannt habe. Der Kläger könne als Historiker nicht anders behandelt werden.
Gegen das Urteil legte der Kläger Revision ein. Er rügt die Verletzung des § 9 Abs. 1 Nr. 6 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und die der Aufklärungspflicht.
Der Kläger beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung an das FG zurückzuweisen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.
Nach § 9 Abs. 1 Nr. 6 EStG 1982 sind Werbungskosten auch Aufwendungen für Arbeitsmittel. Arbeitsmittel sind solche Gegenstände, die vom Steuerpflichtigen unmittelbar und ausschließlich oder zumindest weitaus überwiegend zur Einnahmeerzielung, insbesondere im Rahmen der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, beruflich genutzt werden (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 18. Februar 1977 VI R 182/75, BFHE 121, 444, BStBl II 1977, 464). Zu den Arbeitsmitteln bei einem als Studiendirektor an einem Gymnasium tätigen Steuerpflichtigen kann Fachliteratur zählen, wenn Fachzeitschriften oder Fachbücher ausschließlich oder zumindest weitaus überwiegend für die Gestaltung des Unterrichts am Gymnasium genutzt werden.
Nicht abziehbar sind jedoch Aufwendungen für die Lebensführung, die die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt, auch wenn sie zur Förderung des Berufs oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen (§ 12 Nr. 1 Satz 2 EStG). Die Frage, ob ein Gegenstand im Einzelfall als Arbeitsmittel anzuerkennen oder als der Lebensführung dienend zu würdigen ist, beurteilt sich nach den Grundsätzen, die der Große Senat des BFH in seinem Beschluß vom 19. Oktober 1970 GrS 2/70 (BFHE 100, 309, BStBl II 1971, 17) aufgestellt hat. Danach kommt es bei der Entscheidung, ob nicht abziehbare Aufwendungen für die Lebensführung vorliegen, im allgemeinen weniger auf den objektiven Charakter des angeschafften Gegenstandes, als vielmehr auf die Funktion des Gegenstandes im Einzelfall an, also auf den tatsächlichen Verwendungszweck.
Diese Grundsätze gelten insbesondere, wenn zu entscheiden ist, ob Bücher als Arbeitsmittel eines Lehrers zu würdigen sind. Nach der Entscheidung des Senats in BFHE 106, 59, BStBl II 1972, 723 sind pauschale Feststellungen hierzu nicht ausreichend. Um Arbeitsmittel verneinen zu können, reicht es nicht aus, wenn das FG für die Gesamtheit der angeschafften Bücher feststellt, es handele sich um Bücher, die auch von zahlreichen Steuerpflichtigen gekauft würden, die keine berufliche Verwendung dafür hätten. Es muß nach dieser Entscheidung vielmehr für jedes Buch einzeln untersucht werden, ob es sich um einen Gegenstand der Lebensführung oder um ein Arbeitsmittel handelt. Dabei kommt es auf die Verwendung des Buches gerade im Streitfall an.
An diesen Grundsätzen hat der BFH im Urteil vom 21. Februar 1986 VI R 192/82 (BFH/NV 1986, 401) festgehalten. Er hat dort betont, daß eine private Mitbenutzung nicht schädlich sei, wenn sie unbedeutend sei und nicht ins Gewicht falle. Erst wenn diese Untersuchung zu keinem eindeutigen Ergebnis führe, könne der objektive Charakter der Werke, der vom FG im einzelnen darzustellen und zu würdigen sei, den Ausschlag geben.
Die Vorentscheidung entspricht nicht diesen Grundsätzen. Das FG hat in seinem im vereinfachten Verfahren nach Art. 3 § 5 des Gesetzes zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit erlassenen Urteil die Klage aus den Gründen der Einspruchsentscheidung zurückgewiesen. In der Einspruchsentscheidung hat das FA es für wesentlich erachtet, daß die streitbefangene Literatur nicht speziell für den Geschichtsunterricht an Schulen gedacht sei, so daß im Hinblick hierauf eine private Mitveranlassung beim Kauf der Literatur nicht ausgeschlossen werden könne. Es komme hinzu, daß der Kläger an dem Themenkreis des Zweiten Weltkrieges seit Jahren besonderes Interesse außerhalb des schulischen Bereichs gezeigt habe.
Eine solche pauschale Würdigung der vom Kläger geltend gemachten Aufwendungen für die von ihm angegebenen Zeitschriften und Bücher entspricht nicht der Rechtsprechung des Senats. Unzutreffend ist auch der Hinweis des FG, der BFH habe im Urteil in BFHE 106, 59, BStBl II 1972, 723 ,,Aufwendungen eines Lehrers, der in den Fächern Deutsch, Englisch und Politik / Gemeinschaftskunde unterrichte, für Bücher, die er für Unterrichtszwecke verwende, nicht als Werbungskosten anerkannt".
Die Vorentscheidung ist daher aufzuheben. Die Sache ist an das FG zurückzuverweisen, damit es die erforderlichen Feststellungen bezüglich der vom Kläger geltend gemachten Aufwendungen für die Anschaffung der von ihm angegebenen Zeitschriften und Bücher nachholt.
Der Senat weist in diesem Zusammenhang darauf hin, daß die Ausführungen des Senats im Urteil in BFHE 106, 59, BStBl II 1972, 723 nicht in dem Sinne zu verstehen sind, daß ein Nachweis für die ausschließliche oder weitaus überwiegende berufliche Nutzung von Fachliteratur nur dadurch zu erbringen sei, daß der Steuerpflichtige das gleiche Buch zweimal besitzt, nämlich einmal für Unterrichtszwecke und einmal zur privaten Lektüre. Der Kläger kann den Nachweis der beruflichen Nutzung auch auf andere Weise, so insbesondere in der Weise erbringen, daß er angibt, welche Zeitschrift bzw. welches Buch er in welcher Zeit in welcher Klasse zu Unterrichtszwecken benutzt hat.
Soweit der Kläger die streitbefangenen Bücher und Zeitschriften zu Veröffentlichungen gebraucht hat, ist eine solche Verwendung nicht seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zuzurechnen. Derartige Veröffentlichungen fallen nicht in seine Tätigkeit an einem Gymnasium, sondern in die private Sphäre, auch wenn es üblich sein sollte, daß Lehrer in ihren Fächern Aufsätze und Beiträge publizieren. Der Umstand, daß fachwissenschaftliche Tätigkeiten bei der dienstlichen Beurteilung von Lehrern mitberücksichtigt werden, qualifiziert solche Tätigkeiten nicht als solche im Rahmen ihres Arbeitsverhältnisses. Soweit der Kläger aus privaten Veröffentlichungen Einnahmen bezogen haben sollte, können die streitbefangenen Aufwendungen Betriebsausgaben im Rahmen solcher Einkünfte aus selbständiger Arbeit im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 3, § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG, nämlich aus nebenberuflicher wissenschaftlicher Tätigkeit darstellen.
Fundstellen
Haufe-Index 63001 |
BFH/NV 1990, 564 |