Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur verfahrensrechtlichen Behandlung der mittleren Beteiligung von Personen als stille Gesellschafter an dem Vermögen einer gewerblich tätigen Kapitalgesellschaft mittels Treuhänder
Leitsatz (NV)
1. Beteiligen sich mehrere Personen mittels eines Treuhänders als stille Gesellschafter an dem Vermögen einer gewerblich tätigen Kapitalgesellschaft, so sind grundsätzlich zwei Feststellungsverfahren durchzuführen.
2. In dem "ersten" Feststellungsverfahren wird gem. § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO 1977 festgestellt, ob und welche Einkünfte die Kapitalgesellschaft unter der Beteiligung des Treuhänders erzielte und wie die Einkünfte auf die Kapitalgesellschaft und den Treuhänder aufzuteilen sind.
3. In einem "zweiten" Verfahren wird der für den Treuhänder festgestellte Einkünfteanteil gemäß § 179 Abs. 2 Satz 3 AO 1977 auf die Treugeber aufgeteilt.
Normenkette
FGO § 60 Abs. 3; AO 1977 § 179 Abs. 2 S. 3, § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a, § 182 Abs. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin zu 1. (Klägerin zu 1.) ist eine inländische Kapitalgesellschaft, die mit der T-GmbH 1979 einen Vertrag über eine Beteiligung der T-GmbH als atypisch stille Gesellschafterin am Unternehmen der Klägerin zu 1. abschloß. Gegenstand des Unternehmens der Klägerin zu 1. war die Förderung von ... sowie alle damit verbundenen Tätigkeiten im In- und Ausland. Die T-GmbH schloß den Vertrag als Treuhänderin für damals noch zu werbende Treugeber ab. Als Treugeber wurden nach Vertragsabschluß die Kläger und Revisionskläger zu 2. bis ... (Kläger) und die Beigeladenen zu 1. bis ... (Beigeladene) geworben. Unternehmenszweck der stillen Gesellschaft war die Erschließung und Ausbeutung von ... in den USA bzw. die Beteiligung an entsprechenden Aktivitäten. Die stille Gesellschaft beteiligte sich in den USA als einziger beschränkt haftender Gesellschafter an einer Limited Partnership (KG), die entsprechenden Aktivitäten nachging.
Im Inland erklärte die stille Gesellschaft gegenüber dem Beklagten und Revisions beklagten (Finanzamt -- FA --), in Mitunternehmerschaft Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt zu haben. Im einzelnen wurden sowohl inländische Verluste aus Gewerbebetrieb als auch ausländische Verluste i. S. des § 2 des Auslandsinvestitionsgesetzes (AIG) erklärt. Das FA erließ zunächst Feststellungsbescheide, die den abgegebenen Erklärungen entsprachen. Nach einer Außenprüfung erließ es am 6. Juni 1986 negative Feststellungsbescheide 1979 bis 1982 und am 20. Juni 1986 negative Einheitswertbescheide 1. Januar 1980 bis 1. Januar 1992. In diesen ging es davon aus, daß die stille Gesellschaft keine Mitunternehmerschaft gewesen sei. Die Bescheide sind an die Kläger und Beigeladenen, nicht jedoch an die T-GmbH gerichtet. Gegen sie legten die Kläger und Beigeladenen Einsprüche ein, die jedoch ohne Erfolg blieben. Die Kläger erhoben Klage, die das Finanzgericht (FG) als unbegründet abwies, nachdem es zuvor die Beigeladenen, aber nicht die T-GmbH beigeladen hatte.
Mit ihrer vom FG zugelassenen Revision rügen die Kläger als Verfahrensfehler die unterlassene Beiladung der T-GmbH und im übrigen fehlerhafte Anwendung materiellen Rechts.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --):
1. Die Vorentscheidung leidet an einem Verfahrensfehler, der die Grundordnung des Verfahrens betrifft und deshalb vom Bundesfinanzhof (BFH) von Amts wegen und unabhängig von den mit der Revision geltend gemachten Rügen zu beachten ist. Das FG hat übersehen, auch die T-GmbH dem Verfahren beizuladen. Die entsprechende Beiladung war gemäß § 60 Abs. 3 FGO notwendig. Ihre Unterlassung bewirkt, daß das FG-Urteil gegenüber der T-GmbH keine Wirkung entfalten kann, obwohl das Gesetz eine einheitliche Entscheidung auch gegenüber der T-GmbH zwingend vorschreibt. Dies führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG, ohne daß der Senat zu den streitigen materiell-recht lichen Fragen Stellung nehmen darf oder muß.
2. Beteiligen sich mehrere Personen mittels eines Treuhänders als stille Gesellschafter an dem Vermögen einer gewerblich tätigen Kapitalgesellschaft, so sind grundsätzlich zwei Feststellungsverfahren erforderlich. In dem "ersten" Feststellungsverfahren wird gemäß § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a der Abgabenordnung (AO 1977) festgestellt, ob und welche Einkünfte die Kapitalgesellschaft unter Beteiligung des Treuhänders erzielte und wie die Einkünfte auf die Kapitalgesellschaft und den Treuhänder aufzuteilen sind. In einem "zweiten" Verfahren wird der für den Treuhänder festgestellte Einkünfteanteil gemäß § 179 Abs. 2 Satz 3 AO 1977 auf die Treugeber aufgeteilt, für deren Rechnung der Treuhänder die stille Beteiligung am Vermögen der Kapitalgesellschaft eingegangen ist. Der in dem "ersten" Verfahren ergehende Feststellungsbescheid hat Bindungswirkung gemäß § 182 Abs. 1 AO 1977 für das "zweite" Verfahren (vgl. BFH-Urteil vom 13. März 1986 IV R 204/84, BFHE 146, 340, BStBl II 1986, 584).
Die verfahrensrechtlichen Befugnisse der an den Verfahren Beteiligten entsprechen dieser Aufteilung. Deshalb können in dem "ersten" Verfahren, in dem über die gemeinschaftlich erzielten Einkünfte dem Grunde und der Höhe nach zu entscheiden ist, nur die Kapitalgesellschaft und der Treuhänder geltend machen, daß die Einkünfte ihrer Art und/oder Höhe nach unzutreffend festgestellt wurden. In dem "zweiten" Verfahren sind die Treugeber an diese in dem "ersten" Verfahren getroffenen Feststellungen gebunden (§ 182 Abs. 1 AO 1977). Es wird nur noch über die Verteilung des in dem "ersten" Feststellungsverfahren festgestellten und auf den Treuhänder entfallenden Einkünfteanteil zwischen den Treugebern entschieden. Zwar können beide Verfahren im Fall eines offenen Treuhandverhältnisses miteinander verbunden werden (vgl. BFH- Urteil vom 24. Mai 1977 IV R 47/76, BFHE 122, 400, BStBl II 1977, 737). Durch die Verbindung darf jedoch der Treuhänder von dem zusammengefaßten Verfahren nicht ausgeschlossen werden. Auch im übrigen verändert die Verbindung die Rechte der Beteiligten nicht.
3. Im Streitfall sind die endgültigen negativen Feststellungsbescheide 1979 bis 1982 vom 6. Juni 1986 und die endgültigen negativen Einheitswertbescheide vom 20. Juni 1986 der Streitgegenstand des Rechtsstreits. Die negativen Feststellungsbescheide besagen lediglich, daß von der Klägerin und der T-GmbH keine Einkünfte 1979 bis 1982 in Mitunternehmerschaft erzielt wurden. Die Feststellungsbescheide hätten deshalb nur gegenüber der Klägerin und der T-GmbH ergehen dürfen. Ihnen gegenüber war über das Bestehen einer Mitunternehmerschaft einheitlich zu entscheiden (§ 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO 1977). Soweit die negativen Feststellungsbescheide bisher nicht an die T- GmbH gerichtet waren, sind dieselben zu ändern und der T-GmbH bekanntzugeben. Sollte es nur an einer Bekanntgabe gegenüber der T-GmbH fehlen, ist dieselbe nachzuholen. Jedenfalls können nur die an der angeblichen Mitunternehmerschaft unmittelbar beteiligten Personen geltend machen, durch die Bescheide in eigenen Rechten verletzt zu sein. Auch dies gilt nur dann, wenn sie zu den Adressaten des Feststellungsbescheides gehören. Die T- GmbH war in dem Klageverfahren der Klägerin zu 1. beizuladen, weil sie an dem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt war, daß die Entscheidung gegenüber der Klägerin zu 1. und der T-GmbH nur einheitlich ergehen konnte (§ 60 Abs. 3 FGO). Für die negativen Einheitswertbescheide gilt Entsprechendes.
Die Kläger zu 2. bis ... und die Beigeladenen können dagegen in diesem Rechtsstreit nur geltend machen, daß die negativen Feststellungs- und Einheitswertbescheide ihnen gegenüber nicht ergehen durften. Ihr Hilfsantrag, das FA zu verpflichten, Einkünfte aus Kaptitalvermögen gesondert und einheitlich festzustellen, betrifft nur das "zweite" Verfahren, in dem jedoch bisher noch kein negativer Bescheid ergangen ist. Für den Streitfall kann deshalb auch nicht von einer Zusammenfassung beider Verfahren ausgegangen werden. Vielmehr können die Kläger zu 2. bis ... ihr Hilfsbegehren nur im Rahmen einer Untätigkeitsbeschwerde verfolgen (§ 349 Abs. 2 Satz 1 AO 1977).
4. Bei dieser Sachlage kann die Vorentscheidung keinen Bestand haben. Die fehlende Beiladung der T-GmbH hat zur Folge, daß die Vorentscheidung keine Wirkung gegenüber der T-GmbH hat, obwohl das Gesetz eine einheitliche Entscheidung auch gegenüber der T-GmbH zwingend vorsieht. Der Verfahrensfehler zwingt zur Aufhebung der Vorentscheidung unabhängig von der Frage, ob das FG bei einer unterstellten Beiladung nicht in gleicher Weise hätte entscheiden müssen. Die im zweiten Rechtszug zu treffende Entscheidung ist schon deshalb eine "andere", weil sie nach Beiladung auch gegenüber der T- GmbH wirkt. Dies genügt, um § 126 Abs. 4 FGO nicht eingreifen zu lassen. Die Sache war daher zwecks Nachholung der Beiladung an das FG zurückzuverweisen. Das FG wird im zweiten Rechtszug auch die Klagebefugnisse der Kläger zu 2. bis ... überprüfen müssen.
Fundstellen
Haufe-Index 419734 |
BFH/NV 1995, 81 |