Leitsatz (amtlich)
- Werden Gegenstände, die in einem Freihafen hergestellt sind, mit Zollbegleitschein auf ein im Zollinland gelegenes Zolleigenlager geliefert, so handelt es sich um Inlandslieferungen.
- Zur Anwendbarkeit des Art. 5 des 3. Zolländerungsgesetzes, wenn die im Freihafen gelieferten Waren durch den Empfänger der Waren in das Zollinland eingeführt werden.
Normenkette
UStG § 1 Abs. 1-2; UStDB § 1 Abs. 1
Streitjahr(e)
1957, 1958, 1959, 1960
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Steuerpflichtige - Stpfl. -) wurde für die Jahre 1956 bis 1959 unanfechtbar zur Umsatzsteuer veranlagt. Auf Grund einer Betriebsprüfung wurden die Bescheide berichtigt. Durch die Betriebsprüfung war nämlich festgestellt worden, daß die Stpfl. in ihrem Freihafenbetrieb im Rahmen eines zollrechtlich zugelassenen Bearbeitungs- und Verarbeitungsverkehrs Waren herstellte, diese mit ihren Fahrzeugen auf ein im Zollinland gelegenes Zolleigenlager mit Zollbegleitschein lieferte, die Lieferungen aber als nicht steuerbar behandelt hatte.
Im anschließenden Rechtsmittelverfahren wandte sich die Stpfl. gegen die Berichtigung und gegen die erstmalige Umsatzsteuerveranlagung für 1960. Sie vertrat dabei die Auffassung, daß die Lieferungen auf ein im Zollinland gelegenes Zolleigenlager auf Zollbegleitschein als Lieferungen im Zollausland anzusehen seien. Darüber hinaus begehrte sie weitere Herabsetzung der ursprünglich (1956 bis 1959) und der erstmals (1960) festgesetzten Umsatzsteuer für die Gegenstände, die sie mit eigenen Fahrzeugen in den Freihafenbetrieb der Werft AG - AG - gebracht hatte. Diese Lieferungen unterlägen, obwohl sie anschließend nach Art. 5 des Gesetzes zur Änderung des Zollgesetzes, des Zolltarifgesetzes und des Mineralölsteuergesetzes vom 9. August 1956 (3. Zolländerungsgesetz), Bundesgesetzblatt I S. 735 (BGBl I, 735), zollfrei in das Inland eingeführt worden seien, nicht der Umsatzsteuer, weil die AG die Verfügungsmacht bereits ab Freihafen erlangt habe.
Nachdem das Finanzamt (FA) während des Berufungsverfahrens den Berichtigungsbescheid 1956 wegen Fehlens einer Tatsache von einigem Gewicht zurückgenommen hatte, blieb die Berufung (Klage) für die Jahre 1957 bis 1960 erfolglos.
Mit der Rb. begehrt die Stpfl. Aufhebung der Vorentscheidung aus den bisher schon vorgebrachten Gründen. Ergänzend trägt sie vor: Nach dem 3. Zolländerungsgesetz entstehe die Umsatzsteuerpflicht bei Lieferungen aus dem Freihafen nur dann, wenn die Ware abgabenfrei eingeführt worden sei. Da die Ware aber mit Zollbegleitschein auf ein Zolleigenlager geliefert worden sei, habe eine Einfuhr nicht stattgefunden; denn eine Ware sei nach dem damals geltenden Zollrecht erst dann als eingeführt anzusehen gewesen, wenn sie zum freien Verkehr abgefertigt worden sei. Insoweit unterscheide sich der zollrechtliche von dem umsatzsteuerrechtlichen Begriff Einfuhr.
Bei der Lieferung von Waren an den Freihafenbetrieb der AG sei mit Übergabe der Waren an diese auch die Verfügungsmacht übergegangen. Die sich daran anschließende Einfuhr auf Einfuhrzollanmeldung könne ihr nicht mehr zugerechnet werden.
Entscheidungsgründe
Die Rb., die nunmehr als Revision zu behandeln ist (ß 184 Abs. 2 Nr. 1 FGO), ist unbegründet.
Die Lieferungen der Stpfl. auf ein im Inland gelegenes Zolleigenlager der AG hat das Finanzgericht (FG) zutreffend als steuerbare Inlandslieferungen beurteilt. Der Einwand der Stpfl., daß in diesen Fällen eine Einfuhr im Sinne des Art. 5 des 3. Zolländerungsgesetzes nicht stattgefunden habe, weil die Ware nicht zum freien Verkehr, sondern auf ein Zolleigenlager abgefertigt worden sei, berücksichtigt nicht, daß die Abfertigung zum freien Verkehr lediglich Voraussetzung für die Entstehung der Zollschuld in der fraglichen Zeit gewesen ist (ß 45 Abs. 1 Ziff. 1 des Zollgesetzes - ZG - 1939). Demgegenüber ist unter der der Abfertigung zum freien Verkehr zeitlich vorangehenden Einfuhr das Verbringen von Waren über die Zollgrenze in das Zollgebiet zu verstehen. Insoweit unterscheidet sich der zollrechtliche Einfuhrbegriff nicht wesentlich von dem des Umsatzsteuerrechts (vgl. § 20 Abs. 1 UStDB). Im Streitfall sind aber die Waren, bevor sie auf ein Zollager im Zollinland abgefertigt worden sind, über die Zollgrenze verbracht worden. Die Abfertigung auf ein Zolleigenlager konnte das vorhergehende Verbringen über die Zollgrenze nicht ungeschehen machen, sondern lediglich die Entstehung der Zollschuld verhindern.
Der Einwand der Stpfl., daß die Lieferungen im Freihafen an die AG "umsatzsteuerfrei" seien, weil diese die Verfügungsmacht an den Waren im Freihafen erhalten habe, die anschließende Einfuhr sie daher nicht mehr berühre, geht fehl. Die Auffassung der Stpfl. wird eindeutig durch den Wortlaut des Art. 5 des 3. Zolländerungsgesetzes widerlegt. Denn danach gelten die an sich nicht umsatzsteuerbaren Lieferungen im Freihafen als umsatzsteuerbar, wenn die gelieferten Gegenstände nach § 69 Abs. 1 Nr. 42 ZG 1939 abgabefrei eingeführt worden sind. Diese Regelung muß im Zusammenhang mit der zollrechtlichen Behandlung der in einem genehmigten Freihafen-Bearbeitungs- und Verarbeitungsverkehr hergestellten Ware gesehen werden. Das Zollrecht geht aber insoweit von der folgenden wirtschaftlichen Situation der Freihafenbetriebe aus: Die Freihafenbetriebe dienen nach ihrer Zweckbestimmung grundsätzlich zur Herstellung von Auslandswaren. Dieser Zweckbestimmung konnten sie jedoch nach den beiden Weltkriegen nicht mehr gerecht werden. Die wirtschaftliche Ausnutzung der vorhandenen Anlagen und die Weiterbeschäftigung der Arbeitnehmer erfordern deshalb ein Ausweichen auf den Inlandsmarkt. Das war wirtschaftlich nur möglich, wenn bei der Einfuhr der aus Inlandswaren hergestellten Erzeugnisse Eingangsabgaben nicht erhoben wurden (vgl. Begründung zum Entwurf des 2. Zolländerungsgesetzes, Bundestags-Drucksache II/2147). Zollrechtlich werden demnach zu einem Freihafen-Veredelungsverkehr abgefertigte inländische Waren bei der Einfuhr in das Inland wie inländische Waren gehandelt.
Dieser zollrechtlichen Behandlung entspricht die umsatzsteuerrechtliche durch Art. 5 des 3. Zolländerungsgesetzes, die aus Gründen der Gleichmäßigkeit der Besteuerung geboten war (vgl. schriftliche Berichte des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen über den Entwurf des 2. Zolländerungsgesetzes, Bundestag zu Drucksache II/2505). Dies wird mit Hilfe der Fiktion des Art. 5 des 3. Zolländerungsgesetzes erreicht, daß Lieferungen von Gegenständen im Freihafen als steuerbar gelten, wenn diese Gegenstände nach § 69 Abs. 1 Nr. 42 ZG 1939 zollfrei wieder eingeführt werden.
Nach den Feststellungen des FG sind die Waren zollfrei eingeführt worden. Der Umstand, daß die Waren nicht von der Stpfl., sondern von der AG über die Zollgrenze gebracht worden sind, ist dabei ohne Belang. Entscheidend ist vielmehr, daß die Stpfl. nach den Feststellungen des FG in der Einfuhrzollanmeldung die Zollfreischreibung nach § 69 Abs. 1 Nr. 42 ZG 1939 und die Freischreibung von der Ausgleichsteuer beantragt hat. Durch die gestellten Anträge hat die Stpfl. zum Ausdruck gebracht, daß die im Freihafen-Veredelungsverkehr bearbeitete Ware bei der Einfuhr in den Genuß der Zollfreiheit kommen soll. Die Ware ist nach den Feststellungen des FG tatsächlich auch zollfrei abgefertigt worden. Dies hat aber zwangsläufig deren Umsatzsteuerbarkeit ausgelöst, soweit der Tatbestand der Lieferung im Freihafen erfüllt war. Die Stpfl. hat nach ihrer eigenen Darstellung der AG die tatsächliche Verfügungsmacht an der Ware im Freihafen verschafft. Bei dieser Sachlage trifft es gerade nicht zu, daß die Stpfl. durch die an die Lieferung sich anschließende Einfuhr nicht berührt wird.
Unter diesen Umständen war die Revision mit der Kostenfolge des § 135 Abs. 2 FGO als unbegründet zurückzuweisen. Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 140 Abs. 3 FGO.
Fundstellen
Haufe-Index 425770 |
BFHE 1967, 309 |
BFHE 88, 309 |