Leitsatz (amtlich)
Es ist nicht sachlich unbillig, für den Erwerb eines landwirtschaftlichen Grundstücks durch einen Vertriebenen dann Grunderwerbsteuer zu erheben, wenn die Voraussetzungen für die Steuerfreiheit des Erwerbs gemäß § 29 RSiedlG i. V. m. der Niedersächsischen Verordnung vom 15. November 1966 zum Begriff "Siedlung" im Zusammenhang mit dem Bundesvertriebenengesetz (GVBl 1966, 245) nicht gegeben sind. Der Erlaß des Niedersächsischen Ministers der Finanzen vom 22. Dezember 1972 - S 4548 a - 1 - 32 2 (Grunderwerbsteuer-Kartei der OFD Hannover, Anhang B Karte 1) hält sich deshalb zumindest insoweit nicht in den Grenzen des § 131 Abs. 1 AO, als er den Erwerb landwirtschaftlicher Grundstücke betrifft.
Normenkette
AO § 131; RSiedlG § 29
Gründe
Durch die Verwaltungsanordnungen des Niedersächsischen Ministers der Finanzen über den Erlaß von Grunderwerbsteuer beim Erwerb von Grundstücken durch Vertriebene, insbesondere durch den Erlaß vom 22. Dezember 1972 - S 4548 a - 1 - 32 2 (Grunderwerbsteuer-Kartei der Oberfinanzdirektion Hannover - Anhang B Karte 1), wird im Ergebnis Steuerfreiheit für den Erwerb von Grundstücken durch Vertriebene eingeführt. Hierzu aber ist nur der Gesetzgeber berufen. Der Senat hat bereits mehrfach ausgesprochen, daß die Besteuerung der Grundstückserwerbe durch Vertriebene nicht den Wertungen des GrEStG zuwiderläuft und daß es deshalb grundsätzlich allein Sache des Gesetzgebers ist, die Frage zu prüfen und zu entscheiden, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen ein Grundstückserwerb durch Vertriebene von der Grunderwerbsteuer freizustellen ist (vgl. die Urteile vom 7. August 1974 II R 57/72, BFHE 113, 265, BStBl II 1975, 51; vom 30. April 1975 II R 32/69, BFHE 116, 58, BStBl II 1975, 720, und vom 7. April 1976 II R 97/70, BFHE 119, 126, BStBl II 1976, 697).
Eine solche gesetzliche Regelung hat der Niedersächsische Gesetzgeber hinsichtlich der grunderwerbsteuerlichen Behandlung des Erwerbs von landwirtschaftlichen Grundstücken dadurch getroffen, daß er u. a. die Veräußerung landwirtschaftlicher Grundstücke an Vertriebene gemäß § 42 BVFG als Siedlungsmaßnahme im Sinne des Reichssiedlungsgesetzes bestimmt hat (vgl. die Niedersächsische Verordnung zum Begriff "Siedlung" im Zusammenhang mit dem BVFG vom 15. November 1966, GVBl 1966, 245, BStBl II 1967, 90). Aufgrund dieser Verordnung ist der Erwerb landwirtschaftlicher Grundstücke durch Vertriebene bei Erfüllung der entsprechenden Voraussetzungen steuerfrei gemäß § 29 des Reichssiedlungsgesetzes (RSiedlG). Erfüllt ein Vertriebener diese Voraussetzungen nicht, so ist Steuerpflicht gegeben. Es ist nicht sachlich unbillig, wenn bei Nichterfüllung der Voraussetzungen des § 29 RSiedlG in Verbindung mit der Niedersächsischen Verordnung vom 15. November 1966 und § 42 BVFG Grunderwerbsteuer erhoben wird. Die vom Niedersächsischen Gesetzgeber eindeutig getroffene Entscheidung kann nicht im Erlaßwege erweitert werden. Es sind keine Gründe ersichtlich, die es als unbillig erscheinen lassen, den Erwerb landwirtschaftlicher Grundstücke durch Vertriebene dann der Grunderwerbsteuer zu unterwerfen, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Steuerfreiheit nicht gegeben sind.
Nach allem sind die Niedersächsischen Billigkeitsrichtlinien zumindest insoweit nicht mit § 131 AO zu vereinbaren, als sie sich auch Geltung für den Erwerb landwirtschaftlicher Grundstücke beigelegt haben sollten. Ob die Richtlinien im übrigen mit § 131 AO im Einklang stehen, bedarf im vorliegenden Fall keiner Entscheidung.
Fundstellen
Haufe-Index 72346 |
BStBl II 1977, 566 |
BFHE 1978, 158 |