Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirksamkeit einer Verpfändung von Steuererstattungsansprüchen zur Sicherheit
Leitsatz (NV)
1. Für Aufrechnungen durch das Finanzamt mit einer Forderung des Landesarbeitsamts fehlt es an der Gegenseitigkeit.
2. Ob sich aufgrund der Neufassung des § 226 Abs. 4 AO durch das Steuerbereinigungsgesetz 1986 eine andere Rechtslage ergibt, braucht für vor dem 1. Januar 1987 erklärte Aufrechnungen nicht entschieden zu werden.
3. Zur Wirksamkeit der Verpfändung von Steuererstattungsansprüchen.
4. Bindung des BFH an die vom FG getroffenen tatsächlichen Feststellungen; Zurückverweisung an das FG bei nicht festgestelltem Vertragsinhalt.
Normenkette
AO § 46 Abs. 1, § 226 Abs. 4; FGO § 126 Abs. 3 Nr. 2
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine Bank, gewährte den Eheleuten P ein Darlehen von etwa 700 DM gegen Verpfändung eines Erstattungsanspruchs aus dem Lohnsteuerjahresausgleich 1980. Die Klägerin zeigte die Verpfändung mit einem Formular an, das am 13. März 1981 beim Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt - FA -) einging.
Das FA erklärte mit Schreiben vom 22. Mai 1981 namens des Landes . . . die Aufrechnung mit einer Forderung gegen die Eheleute in Höhe von 482,60 DM für zurückzuzahlendes Arbeitslosengeld zuzüglich 10 DM für Vollstreckungskosten. Dieser Aufrechnung lag ein Amtshilfeersuchen des Landesarbeitsamts vom 7. Oktober 1980 zugrunde, mit dem das FA um Vollstreckungshilfe ersucht worden war.
Außerdem rechnete das FA für Erbschaftsteuer und Verkehrsteuern wegen rückständiger Kraftfahrzeugsteuer in Höhe von 278,40 DM auf. Den nicht durch die Aufrechnungen betroffenen Überschuß aus dem Lohnsteuer-Jahresausgleich überwies das FA an die Klägerin.
Den Antrag der Klägerin auf Auszahlung des restlichen Erstattungsbetrages in Höhe von 492,60 DM (mit Ausnahme des Betrages, der die Aufrechnung des FA für Erbschaftsteuer und Verkehrsteuern betraf) lehnte das FA ab. Der Einspruch blieb erfolglos.
Die Klage hatte überwiegend Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte zur Begründung im wesentlichen aus, daß das FA nicht mit der Forderung des Landesarbeitsamts habe aufrechnen können, da es an der Gegenseitigkeit fehle. Denn das Landesarbeitsamt sei eine bundesunmittelbare Körperschaft des öffentlichen Rechts. Aus § 252 der Abgabenordnung (AO 1977) werde nur eine Gläubigerstellung im Vollstreckungsverfahren begründet, so daß die Aufrechnung als außerhalb des Vollstreckungsverfahrens geregelte Maßnahme nicht zulässig sei. Die Gegenseitigkeit sei aber hinsichtlich des Gebührenanspruchs in Höhe von 10 DM für Vollstreckungskosten gegeben, da dieser Anspruch dem Land . . . erwachsen sei. Die Einwendungen des FA gegen die Wirksamkeit der Verpfändung seien in gefestigter Rechtsprechung als nicht durchgreifend behandelt worden. Dieser Rechtsprechung schließe sich das FG an.
Mit der vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Revision beantragt das FA, die Vorentscheidung aufzuheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.
Es rügt, daß das FG keine ausreichenden tatsächlichen Feststellungen getroffen habe, ob eine Sicherungsabtretung vorliege oder ob es sich um eine nichtige Abtretung erfüllungshalber handle, so daß der Klägerin kein Zahlungsanspruch zustehe. Das FA verweist in diesem Zusammenhang auf die Entscheidung des erkennenden Senats vom 13. Oktober 1983 VII R 146/82 (BFHE 139, 491, BStBl II 1984, 183).
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
1. Ohne Rechtsverstoß hat das FG die Wirksamkeit der Aufrechnung mangels Gegenseitigkeit verneint, soweit die Aufrechnung durch das FA mit einer Forderung des Landesarbeitsamts betroffen ist (vgl. hierzu Urteil des erkennenden Senats in BFHE 139, 491, BStBl II 1984, 183). Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob sich aufgrund der Neufassung des § 226 Abs. 4 AO 1977 durch das Steuerbereinigungsgesetz 1986 (StBereinG) vom 19. Dezember 1985 (BGBl I 1985, 2436) eine andere Rechtslage ergibt. Dies könnte nur für Aufrechnungserklärungen der Fall sein, die seit dem 1. Januar 1987 abgegeben werden. Denn die hier maßgebliche Vorschrift ist erst mit diesem Zeitpunkt in Kraft getreten (vgl. Art. 1 Nr. 40 und Art. 35 StBereinG 1986).
2. Die vom FG getroffenen tatsächlichen Feststellungen reichen indes nicht zu der Annahme aus, daß der Klägerin ein Zahlungsanspruch zusteht. Die Frage, ob die Verpfändung wirksam ist, muß anhand der im Urteil des erkennenden Senats vom 3. Februar 1984 VII R 102/83 (BFHE 140, 415, BStBl II 1984, 413) dargelegten Rechtsausführungen geprüft werden. Aus den Ausführungen der Vorinstanz läßt sich mangels zureichender tatsächlicher Feststellungen ohne Kenntnis des Inhalts der Verpfändungsvereinbarung diese rechtliche Wertung nicht nachvollziehen. Das FG hat den Vertragsinhalt nicht festgestellt und auf den Vertrag auch nicht zulässig Bezug genommen. Der bloße Hinweis auf die gefestigte Rechtsprechung läßt weder die diesbezüglichen Urteile erkennen noch ist in ausreichendem Maße nachprüfbar, von welchem Vertragsinhalt in der genannten gefestigten Rechtsprechung bzw. im Streitfall auszugehen ist.
3. Der Senat kann im Streitfalle nicht selbst entscheiden, weil Feststellungen darüber fehlen, die eine Beurteilung ermöglichen, ob die Verpfändung wirksam ist. Das FG wird entsprechende Feststellungen nachzuholen und auf ihrer Grundlage zu entscheiden haben.
Fundstellen
Haufe-Index 415172 |
BFH/NV 1988, 144 |