Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Kinderfreibetrag für Aufstiegsbeamten
Leitsatz (amtlich)
Eine Beamtin des mittleren Dienstes, die sich auf die Laufbahnprüfung für den gehobenen Dienst vorbereitet (Aufstiegsbeamtin), befindet sich während dieser Zeit nicht in einer Berufsausbildung i.S. des § 32 Abs.4 Satz 1 Nr.1 EStG.
Normenkette
EStG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 1
Tatbestand
Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) beantragten im Lohnsteuerermäßigungsverfahren für das Streitjahr 1990 für ihre 1963 geborene Tochter M einen Kinderfreibetrag gemäß § 32 Abs.6 i.V.m. Abs.4 Satz 1 Nr.1 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Die Tochter war nach Ablegung der Laufbahnprüfung im Jahre 1981 bis zum Beginn des Vorbereitungsdienstes für den Aufstieg in den gehobenen Dienst im August 1988 als Finanzbeamtin des mittleren Dienstes tätig. Der dreijährige Vorbereitungsdienst war im Streitjahr noch nicht abgeschlossen. Während dieses Vorbereitungsdienstes erhielt die Tochter ihre Bezüge als Beamtin des mittleren Dienstes weiter.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) lehnte die Eintragung des Kinderfreibetrags auf der Lohnsteuerkarte 1990 unter Hinweis auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 11.Oktober 1984 VI R 69/83 (BFHE 142, 140, BStBl II 1985, 91) sowie die Verfügung der Oberfinanzdirektion (OFD) Köln vom 17.Oktober 1989 S 2282-11-St 214 ab. Das Einspruchsverfahren war erfolglos.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt und stellte fest, daß den Klägern im Streitjahr für ihr gemeinsames Kind ein Kinderfreibetrag zusteht. Zur Begründung führte das FG aus, in seiner Entscheidung in BFHE 142, 140, BStBl II 1985, 91 habe der BFH eine vom Gesetz typisierend unterstellte Belastung der Eltern durch ein in Berufsausbildung befindliches Kind nur dann nicht angenommen, wenn das Kind zwar weiterhin ein höhergestecktes Berufsziel anstrebe, dabei aber einen Beruf ausübe, wie er von vielen Steuerpflichtigen als Dauerberuf ausgeübt werde und werden könne. Ein Aufstiegsbeamter übe während der Ausbildungszeit jedoch gerade nicht seinen erlernten Beruf als Beamter des mittleren Dienstes aus, sondern werde für einen Beruf ausgebildet. Er erhalte seine bisherige Besoldung nicht, weil er entsprechende Dienste leiste --denn für die Zeit des Aufstiegs sei der Beamte von seinen bisherigen Aufgaben entbunden--, sondern als eine Art Ausbildungsvergütung. Die weitergezahlten Bezüge, wie auch sonstige Einkünfte des Kindes, die zur Bestreitung seines Unterhalts oder seiner Berufsausbildung bestimmt oder geeignet seien, müßten nach dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers für die Frage der Gewährung von Kinderfreibeträgen außer Betracht bleiben.
Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung des § 32 Abs.4 Satz 1 Nr.1 EStG. Zur Begründung nimmt es im wesentlichen auf die Entscheidung des BFH in BFHE 142, 140, BStBl II 1985, 91 Bezug und trägt ergänzend vor, der Umstand, daß die Tochter von ihren bisherigen üblichen Dienstgeschäften einer Finanzbeamtin entbunden gewesen sei und ihr die Absolvierung des Fachstudiums an der Fachhochschule für Finanzen bzw. der sog. berufspraktischen Studienzeit beim FA oblegen habe, sei in diesem Zusammenhang ohne Belang. Dagegen sei entscheidend, daß sie nach wie vor den Status einer Beamtin des mittleren Dienstes besessen habe (wobei ihr dieser auch bei Nichterreichen des angestrebten Aufstiegs erhalten geblieben wäre) und sie auch eine entsprechende Besoldung erhalten habe.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Abweisung der Klage.
Gemäß § 32 Abs.4 Satz 1 Nr.1 EStG 1990 ist ein Kind, das zu Beginn des Kalenderjahres das 16.Lebensjahr, aber noch nicht das 27.Lebensjahr vollendet hat, zu berücksichtigen, wenn es für einen Beruf ausgebildet wird. Die Tochter der Kläger erfüllte im Streitjahr diese Voraussetzung nicht.
In Berufsausbildung befindet sich, wer sein Berufsziel noch nicht erreicht hat, sich aber ernstlich darauf vorbereitet (BFH-Urteil vom 8.November 1972 VI R 309/70, BFHE 107, 450, BStBl II 1973, 139). Hierbei wird das Berufsziel weitgehend von den Vorstellungen der Eltern und des Kindes bestimmt, so daß eine kontinuierlich durchgeführte Ausbildung noch Berufsausbildung sein kann, wenn sie sich in mehreren Stufen vollzieht, von denen zwar an sich schon jede einzelne die Befähigung zur Berufsausübung vermittelt, das angestrebte Ziel aber noch nicht erreicht ist (vgl. BFH-Urteil vom 8.November 1972 VI R 54/70, BFHE 107, 447, BStBl II 1973, 138). Dagegen befindet sich nach der Entscheidung des VI.Senats in BFHE 142, 140, BStBl II 1985, 91 zu § 32 Abs.6 Nr.1 EStG 1975 ff. (jetzt § 32 Abs.4 Satz 1 Nr.1 EStG) nicht mehr in Berufsausbildung, wer zur Vorbereitung auf ein höher gestecktes Berufsziel einen Beruf ausübt, der von vielen als Dauerberuf ausgeübt wird oder werden kann. Der VI.Senat hat hierzu weiter ausgeführt, in einem solchen Falle liege eine vom Gesetz typisierend unterstellte Minderung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Eltern durch das in Berufsausbildung befindliche Kind nicht vor. Es sei nicht gerechtfertigt, Eltern steuerlich zu entlasten, deren Kind ein höhergestecktes Berufsziel anstrebt, während anderen Eltern für ein Kind, das den Beruf unter gleichen Bedingungen, aber ohne den Wunsch nach einer weiteren Qualifikation ausübt, eine Entlastung versagt werde.
Der erkennende Senat schließt sich dieser Auffassung an. Sie führt im Streitfall zur Verneinung einer Berufsausbildung i.S. des § 32 Abs.4 Satz 1 Nr.1 EStG, weil sich die Ausbildung der Tochter der Kläger im Rahmen eines den vollen Lebensunterhalt sichernden Dienstverhältnisses vollzog.
Die Tochter bereitete sich als sog. Aufstiegsbeamtin auf die Laufbahnprüfung für den gehobenen Dienst vor. Im beamtenrechtlichen Sinne handelt es sich hierbei um eine "Aufstiegsfortbildung" (§ 25 des Bundesbeamtengesetzes --BBG--; § 28 Abs.2 und 4 der Bundeslaufbahnverordnung --BLV--; § 6 des Steuerbeamten-Ausbildungsgesetzes --StBAG--), also eine Einführung in die Aufgaben der neuen Laufbahn. Während dieser Zeit ist der Beamte zwar von den normalen Aufgaben des mittleren Dienstes zum Zwecke der Ausbildung entbunden. Seine Stellung als Beamter des mittleren Dienstes (Status) bleibt jedoch erhalten. Darin unterscheidet sich der Aufstiegsbeamte --unbeschadet der nahezu identischen Ausbildung (§ 18 Abs.2 BBG i.V.m. § 25 Abs.2 und 3 BLV; § 4 StBAG; Wickenhagen/Krebs, Bundeskindergeldgesetz, § 2 Rdnr.120)-- wesentlich vom Beamtenanwärter. Denn er bereitet sich bei voller Weiterbezahlung seiner bisherigen Dienstbezüge und der Möglichkeit weiterer Beförderungen innerhalb seiner Laufbahn (§ 12 BLV) auf den Aufstieg vor. Anders als beim Beamtenanwärter wird sein Dienstverhältnis auch nicht bei (endgültigem) Nichtbestehen der Aufstiegsprüfung aufgelöst. Damit ist das bisherige Dienstverhältnis, das eine volle Eingliederung in das Erwerbsleben beinhaltet, auch weiterhin für den wirtschaftlichen und sozialen Status des Aufstiegsbeamten prägend, nicht aber die Ausbildung.
Die unterschiedliche Behandlung von Aufstiegsbeamten und Beamtenanwärtern rechtfertigt sich auch wegen der verschiedenen Art der gezahlten Vergütung. Denn der Beamtenanwärter erhält nur einen Unterhaltszuschuß, während der Aufstiegsbeamte weiterhin sein volles Gehalt bekommt. Der Unterhaltszuschuß eines Beamtenanwärters (§ 59 des Bundesbesoldungsgesetzes) bezweckt, die wirtschaftliche Lage dieses Beamten im Vorbereitungsdienst zu erleichtern, nicht aber, seinen Unterhalt sicherzustellen (vgl. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts --BVerwG-- vom 9.März 1989 - 2 C 59.86 m.w.N. in Schütz, Entscheidungssammlung Beamtenrecht ES/CI2). Die Dienstbezüge eines Beamten sind demgegenüber dazu bestimmt, dem Beamten, auch wenn er zum Aufstieg zugelassen worden ist, den angemessenen Lebensunterhalt zu sichern (angemessene Alimentation), wie es bei den Beamten der Fall ist, die ohne jede Einschränkung nur ihrer Tätigkeit nachgehen.
Die Bedeutung dieses Unterschiedes in der Vergütung hat auch das Bundessozialgericht (BSG) in seiner Rechtsprechung zum Begriff der Berufsausbildung i.S. des § 2 Nr.2 des Bundeskindergeldgesetzes (BKGG) hervorgehoben (vgl. BSG-Urteil vom 19.Dezember 1974 8/7 RKg 6/73, Sozialrecht --SozR-- 5870 § 2 BKGG Nr.2 m.w.N.). Damit besteht (insoweit) Einheitlichkeit in der Auslegung der weder im BKGG noch im EStG näher bestimmten Merkmale der Berufsausbildung. Der Senat ist der Auffassung, daß eine einheitliche Auslegung wegen des sog. dualen Systems des Kinderlastenausgleichs durch Gewährung von Kindergeld und steuerlichen Entlastungen in Form des Kinderfreibetrags wünschenswert und geboten ist.
Die Vorentscheidung, der eine abweichende Rechtsauffassung zugrunde liegt, ist aufzuheben. Die Sache ist spruchreif (§ 126 Abs.3 Nr.1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die Klage ist abzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 64703 |
BFH/NV 1994, 2 |
BStBl II 1993, 870 |
BFHE 172, 59 |
BFHE 1994, 59 |
BB 1993, 2295 (L) |
DB 1993, 2414 (L) |
DStR 1993, 1782 (KT) |
DStZ 1993, 763 (KT) |
HFR 1994, 81 (LT) |
StE 1993, 611 (K) |