Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankheits- und Bestattungskosten für die Erblasserin als außergewöhnliche Belastung des Erben. an den Erben ausgezahlter Arbeitslohn der Erblasserin als Einkommen des Erben
Leitsatz (amtlich)
1. Krankheitskosten für die verstorbene Mutter und die Beerdigungskosten können vom Erben als außergewöhnliche Belastung geltend gemacht werden, soweit sie durch den Nachlaß nicht gedeckt sind.
2. An den Erben ausgezahlter Arbeitslohn des Erblassers ist als eigener Arbeitslohn des Erben von diesem in dem Jahr der Auszahlung nach dem normalen Tarif zu versteuern.
3. Beruht die verspätete Auszahlung auf einer Amtspflichtverletzung einer anderen Behörde, kann der Erbe etwaige Ansprüche nur vor den ordentlichen Gerichten geltend machen.
Normenkette
EStG § 19 Abs. 1 Nr. 1, § 24 Nr. 2, § 11 Abs. 1, § 33; AO § 124
Gründe
Der Bf. ist ordentlicher Professor der Rechte. Seine Mutter mußte wegen ihres hohen Alters von 82 Jahren in einem Hospital untergebracht werden. Die Kosten hierfür verauslagte der Bf. Ein Pensionsanspruch der Mutter aus § 4b Abs. 1 bis 3 des G zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Art. 131 des Grundgesetzes fallenden Personen gegen das Land mußte im Klagewege vor dem Finanzgericht durchgesetzt werden. Die Mutter starb am 6.8.1958. Auf Grund des Urteils des FG v. 23.6.1958 erklärte sich das Land zur Zahlung bereit. Es berechnete die Bruttobezüge der verstorbenen Mutter für die Zeit v. 22.7.1957 bis 31.8.1958 auf 5.892 DM, behielt davon 942 DM an LohnSt. und 118 DM an KirchenSt. ein, und zahlte den Rest von rund 4.832 DM am 2.11.1958 an den Bf. aus. Das FA rechnete bei der Veranlagung für 1958 den vollen Betrag von 5.892 DM ohne Abzüge als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit gemäß § 24 Ziff. 2 iV mit § 19 EStG den übrigen Einkünften des Bf. zu. Auf die Est-Schuld rechnete es dem Bf. die einbehaltene Lohnsteuer von 942 DM an. ESt-Verteilung der Pensionsnachzahlung auf die Jahre 1957 und 1958 nahm das FA nicht vor, weil der Bf. hierbei schlechter gefahren wäre.
Der Bf. hält die Vorschrift des § 24 Ziff. 2 EStG nicht für anwendbar. Er führt aus, das Land habe seine Pflicht zur Zahlung des Unterhaltsbeitrages an seine Mutter nicht rechtzeitig erfüllt und nur aus diesem Grunde werde die Nachzahlung bei ihm als Erben erfaßt. Er habe bei der Vorlage der Pflegekosten an das Hospital als Geschäftsführer ohne Auftrag gehandelt und könne daher diese Kosten und die Beerdigungskosten als Auslagenansatz gemäß §§ 679, 683 BGB von der Pensionsnachzahlung abziehen. Die Höhe seiner Auslagen beziffert der Bf. auf rd. 4.700 DM.
Das FG trat dem FA darin bei, daß die Witwenbezüge der Mutter, die dem Bf. als Erben seiner Mutter zugeflossen seien, bei ihm nach § 24 Ziff. 2 IV mit § 19 EStG in voller Höhe von 5.892 DM als Einkünfte aus unselbständiger Arbeit iJ. 1958 anzusetzen seien. Es nahm auf das Urteil des Senats VI 265/58 U v. 29.7.1960 BStBl. III 1960, 404 Bezug. Es führte aus, der Bf. habe in Erfüllung seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht der Mutter die Pflegekosten vorgeschossen Die Mutter habe zu der Zeit, als der Sohn zahlte, noch keinen Anspruch auf den Unterhaltsbeitrag gegen das Land gehabt. Der Bf. könne die Vorschüsse nicht als Werbungskosten absetzen. Ihm stehe wegen der verauslagten Hospital- und Beerdigungskosten nur eine Steuerermäßigung wegen außergewöhnlicher Belastung nach § 33 EStG zu, die sich allerdings bei der Höhe der Einkünfte des Bf. nicht auswirkten, weil sie unter der Grenze der zumutbaren Eigenbelastung blieben. Der Grundsatz von Treu und Glauben werde nicht verletzt, wenn das FA die gesetzmäßigen Steuern erhebe. Ein mögliches rechtswidriges Verhalten des zuständigen Ministers müsse außer Betracht bleiben. Die Frage könne nicht im Steuerprozeß, sondern nur in einem Amtshaftungsprozeß geprüft werden. Dem Minister könne auch kein Vorwurf gemacht werden, daß er bei der zweifelhaften Rechtslage nicht sofort den Anspruch der Mutter auf Pension anerkannt habe. Das FG habe in seinem Urteil von 23.6.1958 die Entscheidung des Ministers nur deshalb aufgehoben, weil dieser die Möglichkeit der Anwendung seines Ermessens nicht erkannt habe.
Der Bf. rügt unrichtige Rechtsanwendung und Verstoß gegen den klaren Inhalt der Akten. Er führt aus, er wolle sich nicht grundsätzlich gegen die Anwendbarkeit des § 24 Ziff. 2 EStG wenden. Wenn Einkünfte jedoch nur deshalb dem Erben zuflössen, weil sie rechtswidrig dem Erblasser vorenthalten worden seien, so könne nach dem Grundsatz von Treu und Glauben eine Versteuerung beim Erben entfallen. Die für ihn unbillige Anrechnung der Bezüge seiner Mutter beruhe letzten Endes auf der rechtswidrigen Teilung Deutschlands, da ohne die Teilung der Rechtsanspruch seiner Mutter auf Witwenbezüge ohne weiteres anerkannt worden wäre.
Aus der rechtswidrigen Teilung Deutschlands dürfe keine Behörde Kapital schlagen. Das FG übersehe, daß er seiner vermögenslosen Mutter nicht gemäß §§ 1601, 1602 BGB unterhaltspflichtig gewesen sein würde, wenn der Minister die für die Hospitalkosten ausreichenden Bezüge seiner Mutter rechtzeitig ausgezahlt hätte. Der Grundsatz von Treu und Glauben als allgemeines Rechtsprinzip müsse von den Finanzbehörden auch für die Beurteilung des rechtswidrigen Verhaltens einer anderen Behörde beachtet werden. Er dürfe nicht auf einen Amtshaftungsprozeß verwiesen werden. Auch die Vorschrift des § 124 AO setze den sachlich-rechtl. Grundsatz von Treu und Glauben nicht außer Kraft. Der Minister habe die Entscheidung über den Pensionsantrag seiner Mutter v. 30.7.1957 über Gebühr verzögert. Bei richtiger Behandlung des Antrags hätte die Berechnung und Auszahlung der Pensionsbezüge spätestens schon Anfang Mai 1958, also vor dem Tode der Mutter, erledigt sein können. Es sei für eine Behörde jedenfalls rechtswidrig, aus einem zweifelsfrei feststehenden Rechtsirrtum zu Lasten eines Bürgers, der die richtige Auffassung vertrete, Vorteile zu ziehen.
Die Rechtsbeschwerde ist nicht begründet.
Die Witwenbezüge der Mutter waren als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit beim Bf. als Erben der Mutter nach § 24 Ziff. 2 iV mit § 19 EStG heranzuziehen. Der Bf. ist als Erbe in die Rechtsstellung der Mutter eingetreten und hat die vollen Pensionsbezüge der Mutter ohne Abzug als Arbeitslohn zu versteuern, Zu der Versteuerung beim Erben, der Arbeitseinkünfte seines Erblassers nach dessen Tod ausgezahlt erhält, hat der Senat im Urt. VI 265/58 U aaO, auf das sich das FG berufen hat, eingehend Stellung genommen. Es trifft zu, daß infolge der Zusammenrechnung mit den anderen eigenen Einkünften des Erben infolge der Tarifprogression der Steuersatz bei dem Erben höher sein kann, als wenn der Erblasser vor seinem Tode die Pension ausgezahlt erhalten und selbst versteuert hätte. Diese Rechtsfolge ist aber nach dem Gesetz nicht zu vermeiden. Es kann auch sonst eintreten, daß ein Arbeitnehmer infolge von Umständen, die nicht auf seinem Willen beruhen, Arbeitslohn verspätet ausgezahlt erhält und dann auf Grund der zwingenden Vorschrift des § 11 Abs. 1 EStG in einem Veranlagungszeitraum versteuern muß, in dem das für ihn steuerlich ungünstig ist.
Zu Recht hat das FG auch ausgeführt, daß im Steuerprozeß nicht geprüft werden könne, ob der Bf. wegen einer etwaigen verspäteten Auszahlung der Pensionsbezüge Schadenersatzansprüche gegen den Minister geltend machen könne. Nach § 124 AO kann gegen Steueransprüche nur mit unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Gegenansprüchen aufgerechnet werden. Es bleibt dem Bf. unbenommen, den von ihm behaupteten Schadenersatzanspruch gegen den Minister in einem Zivilprozeß durchzusetzen.
Der Grundsatz von Treu und Glauben wird nicht verletzt, wenn das Gesetz vorsieht, daß Ansprüche des Fiskus und etwaige Gegenansprüche gegen ihn in verschiedenen Verfahren geltend gemacht werden müssen.
Die Auffassung des Bf., daß die Steuergerichte – wenn auch nur in Ausnahmefällen – nach dem Grundsatz von Treu und Glauben als allgemeinem Rechtsprinzip gehalten seien, bei der Geltendmachung von Steueransprüchen zu prüfen, ob der Stpfl. nicht Ansprüche sonstiger Art gegen eine andere Behörde geltend machen könne, ist abzulehnen, weil sie mit dem gesetzl. Aufbau der Behördenorganisation unvereinbar ist. Der Senat tritt den Rechtsausführungen des FG insoweit bei. Die vom Bf. vertretene Rechtsauffassung ist offensichtlich mit Sinn und Wortlaut des § 124 AO unvereinbar. Die Steuergerichte würden den ihnen in Art. 20 Abs. 3 GG erteilten verfassungsrechtl. Auftrag, die Gesetze auszulegen, überschreiten, wenn, sie unter Berufung auf den allgemeinen Rechtsgrundsatz von Treu und Glauben den klar erkennbaren, dem GG nicht widersprechenden Willen des Gesetzgebers außer acht lassen würden.
Daß der Bf. als Geschäftsführer ohne Auftrag der Mutter die Verpflegungskosten (Hospitalkosten) vorgeschossen hat, berührt die Höhe der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit nicht. Der Bf. als Erbe kann diese Kosten ebensowenig als Werbungskosten abziehen, wie die Mutter als Erblasserin das hätte tun können.
Soweit allerdings in den Hospitalkosten Beträge enthalten sind, die bei der Mutter als außergewöhnliche Belastung nach § 33 EinkStG berücksichtigungsfähig gewesen wären, zB Arzt- und Arzneikosten, kann auch, der Bf. diese Kosten als Erbe der Mutter geltend machen. Dasselbe gilt für die Beerdigungskosten, soweit sie durch den Nachlaß nicht gedeckt sind (BFH VI 177/60 Urteil vom 8.9.1961, BStBl. III 1962. Da nach der Berechnung des FA diese Aufwendungen aber die Höhe der vom Bf. gemäß § 33 Abs. 1 Satz 2 EStG 1958 und § 64 EStDV selbst zu tragenden Eigenbelastung nicht erreicht, entfällt die Anwendung des § 33 EStG.
Fundstellen