Leitsatz (amtlich)
1. Eine doppelte Haushaltsführung erfordert bei inländischen Arbeitnehmern wie auch bei in der Bundesrepublik Deutschland tätigen Gastarbeitern eine maßgebende persönliche und finanzielle Mitwirkung am Familienhaushalt. Sie ist bei türkischen Gastarbeitern in der Regel zu bejahen, wenn sie einmal im Jahr ihre Familien in der Türkei besuchen, in der Zwischenzeit briefliche oder telefonische Kontakte halten und wenn die Beträge, die sie dem Familienhaushalt zuwenden, nicht erkennbar unzureichend sind.
2. Mehraufwendungen wegen doppelter Haushaltsführung sind nur dann als Werbungskosten abzugsfähig, wenn nicht nur die Entstehung, sondern auch die Beibehaltung der doppelten Haushaltsführung beruflich veranlaßt war.
2. War die doppelte Haushaltsführung beruflich entstanden, so spricht bei inländischen Arbeitnehmern wie bei Gastarbeitern auf Grund allgemeiner Lebenserfahrung eine widerlegbare Vermutung dafür, daß auch die Beibehaltung der doppelten Haushaltsführung in den ersten zwei Jahren beruflich veranlaßt ist.
2. Der Regelsatz von 30 DM bzw. 13 DM täglich für Verpflegungsmehraufwand wegen doppelter Haushaltsführung gilt auch für türkische Gastarbeiter.
Normenkette
EStG 1971 § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5
Tatbestand
I.
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger), ein türkischer Staatsangehöriger, war während des Streitjahres 1974 als Arbeitnehmer in der Bundesrepublik Deutschland beschäftigt. Seine Familie (Ehefrau und zwei Kinder) lebte in der Türkei. In seinem Antrag auf Lohnsteuer-Jahresausgleich 1974 machte der Kläger u. a. Mehraufwendungen für Verpflegung wegen doppelter Haushaltsführung von 3 850 DM (11 Monate zu je 350 DM) als Werbungskosten geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das FA) erkannte nur 1 200 DM Verpflegungsmehraufwand als Werbungskosten an, da Mehraufwendungen für Verpflegung von täglich 13 DM bei Gegenüberstellung von Einnahmen und Ausgaben nicht entstanden sein könnten. Der Einspruch hatte keinen Erfolg. Das FA stützte seine Einspruchsentscheidung u. a. auch darauf, daß ein doppelter Haushalt i. S. der Rechtsprechung des BFH nicht vorgelegen habe.
Das FG wies die Klage ab und führte im wesentlichen folgendes aus:
Das Vorliegen einer doppelten Haushaltsführung sei zwar zu bejahen, denn der Kläger habe sich finanziell maßgebend an dem Haushalt seiner Familie beteiligt, indem er ihr rd. 2 300 DM überwiesen habe. Dieser Betrag sei ausreichend, denn nach der Berechnung des FG Düsseldorf im rechtskräftigen Urteil vom 28. Oktober 1975 XI 88/73 L (EFG 1976, 124) ständen einem türkischen Arbeitnehmer, der in der Türkei arbeite, nur durchschnittlich 800 Türkische Lira (TL) = etwa 184 DM monatlich für sich und seine Familie zur Verfügung. Entgegen der Ansicht des FA habe der Kläger auch an dem hauswirtschaftlichen Leben in der Familienwohnung in der Türkei persönlich maßgebend mitgewirkt, da er die Familie einmal für längere Zeit besucht und persönliche Kontakte durch Brief oder Telefon unterhalten habe.
Die in Abschn. 26 LStR 1972 i. V. m. dem Erlaß des BdF vom 30. Oktober 1973 IV B 6 - S 2338 - 88/73 (DB 1973, 2167) festgesetzten Pauschbeträge von 13 DM täglich wegen Verpflegungsmehraufwandes seien im Streitfall jedoch nicht anzuwenden, da sie den besonderen Verhältnissen ausländischer Arbeitnehmer nicht angepaßt seien und bei ihnen in der Regel zu einer offensichtlich unzutreffenden Besteuerung führten. Es sei allgemein bekannt, daß ausländische Arbeitnehmer in der Bundesrepublik Deutschland sehr billig lebten, um ihre Angehörigen wirkungsvoll unterstützen und um für die Zeit nach Beendigung ihrer Beschäftigung Ersparnisse mit nach Hause bringen zu können. Diese sparsame Lebensführung mache den Aufenthalt der Gastarbeiter in der Bundesrepublik Deutschland überhaupt erst sinnvoll. Das wirke sich zwangsläufig dahin aus, daß ein Verpflegungsmehraufwand von 13 DM täglich in aller Regel unwahrscheinlich sei.
Bei der Ermittlung des beruflich veranlaßten Mehraufwandes seien die Verhältnisse der Türkei, insbesondere das dort niedrigere Preisniveau, nicht zu berücksichtigen, weil dem höheren Preisniveau in der Bundesrepublik Deutschland ein entsprechend höheres Arbeitslohnniveau gegenüberstehe. Werbungskosten seien im Streitfall nur die Mehraufwendungen, die dem Kläger dadurch entstünden, daß er aus beruflicher Veranlassung von seiner - in diesem Zusammenhang in Deutschland vorzustellenden - Familie getrennt lebe. Diese Mehrausgaben habe das FA mit 100 DM monatlich ausreichend berücksichtigt. Daß dem Kläger höhere Mehraufwendungen für Verpflegung tatsächlich entstanden seien, habe er weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht.
Der Kläger rügt mit der Revision, die Vorentscheidung verletze den allgemeinen Werbungskostenbegriff des § 20 Abs. 2 LStDV 1974 und führt im wesentlichen folgendes aus:
Nach dem BFH-Urteil vom 11. August 1961 VI 143/60 U (BFHE 73, 669, BStBl III 1961, 509) seien die Steuergerichte gehalten, die Pauschsätze des Abschn. 26 Abs. 1 LStR solange zu beachten, als sie nicht im Einzelfall wegen anomaler Verhältnisse offensichtlich unrichtig seien und sollten von ihnen nur in Fällen von einigem Gewicht abweichen. Bei ihm sei entsprechend dem BFH-Urteil vom 19. November 1971 VI R 132/69 (BFHE 103, 533, BStBl II 1972, 155) der Verpflegungsmehraufwand durch einen Vergleich zwischen den Verpflegungskosten am bisherigen Familienwohnsitz in der Türkei und seinen Verpflegungskosten am Beschäftigungsort in der Bundesrepublik Deutschland festzustellen. Es sei rechtlich nicht zulässig, den Verpflegungsaufwand eines Gastarbeiters in Deutschland mit den Kosten zu vergleichen, die eine inländische Familie in der Bundesrepublik Deutschland für die Beköstigung aufwenden müsse; denn die Berechnung des Verpflegungsmehraufwandes könne sich nicht nach hypothetischen Zahlen richten. Für die Angemessenheit einer Kürzung des Pauschsatzes für Verpflegungsmehraufwand von 13 DM auf 3 DM täglich, wie sie das FA bei ihm vorgenommen habe, fehle jeder Nachweis.
Der Kläger beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und den Lohnsteuererstattungsbetrag anderweitig auf 1 774 DM festzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen. Es hält die Entscheidung des FG für zutreffend. Der BdF ist dem Verfahren beigetreten und hat sich ausführlich zu den Streitfragen geäußert.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats zu § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG sind Werbungskosten auch die notwendigen Mehraufwendungen, die einem Arbeitnehmer aus Anlaß einer beruflich veranlaßten doppelten Haushaltsführung entstehen. Eine doppelte Haushaltsführung liegt nach dieser Vorschrift vor, wenn der Arbeitnehmer außerhalb des Ortes, in dem er einen eigenen Hausstand unterhält, beschäftigt ist und auch am Beschäftigungsort wohnt.
Im Ergebnis zutreffend ist das FG zunächst davon ausgegangen, daß im Streitfall die Voraussetzungen einer doppelten Haushaltsführung zu bejahen sind.
1. Ein eigener Hausstand i. S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG wird von einem Arbeitnehmer unterhalten, wenn er eine Wohnung besitzt, deren Einrichtung seinen Lebensbedürfnissen entspricht und in der hauswirtschaftliches Leben herrscht, an dem sich der Arbeitnehmer sowohl durch seine persönliche Mitwirkung als auch finanziell maßgebend beteiligt (vgl. insbesondere BFH-Urteil vom 9. November 1971 VI R 285/70, BFHE 103, 498, BStBl II 1972, 148). Der Arbeitnehmer muß also in bezug auf die Wohnung einen über den reinen Besitz hinausgehenden, auch das Leben in der Wohnung umfassenden Einfluß ausüben.
a) Die maßgebende persönliche Mitwirkung an dem hauswirtschaftlichen Leben in der Familienwohnung bemißt sich bei den in der Bundesrepublik Deutschland tätigen Gastarbeitern stets nach den Möglichkeiten, die ihnen hierfür zur Verfügung stehen. Bei Gastarbeitern aus der Türkei sieht der Senat in Übereinstimmung mit dem Kläger und dem BdF im Hinblick auf die erheblichen Reisekosten und die langen Fahrzeiten die Voraussetzung der maßgebenden persönlichen Beteiligung am hauswirtschaftlichen Leben in der Familienwohnung in der Türkei in der Regel als erfüllt an, wenn der türkische Gastarbeiter einmal im Jahr, insbesondere während seines Jahresurlaubs, seine Familie in der Türkei besucht und wenn er im übrigen an der Haushaltsführung durch briefliche oder telefonische Kontakte oder durch das Ausrichtenlassen von Mitteilungen durch Arbeitskollegen teilnimmt, die zu anderen Zeiten ihre Familien in der Türkei besuchen.
Das FA beruft sich insoweit zu Unrecht auf das BFH-Urteil VI R 285/70. Diese Entscheidung betraf einen anderen Sachverhalt. Es handelte sich dort um einen seit 1948 in der Bundesrepublik Deutschland lebenden jugoslawischen Emigranten, der aus politischen Gründen nicht zu seiner Ehefrau nach Jugoslawien zurückkehren konnte. Der Senat verneinte eine doppelte Haushaltsführung wegen fehlender persönlicher Mitwirkung am hauswirtschaftlichen Leben, obwohl der Kläger Eigentümer der Wohnung in Jugoslawien geblieben war und seine Ehefrau durch Geld- und Sachzuwendungen aus der Bundesrepublik Deutschland unterstützt hatte.
Das FG hat im Streitfall eine maßgebende persönliche Mitwirkung des Klägers an seinem Familienhaushalt in der Türkei ohne Rechtsverstoß bejaht. Es hat zutreffend darauf abgestellt, daß der Kläger einmal im Jahr seine Familie für längere Zeit besucht hat und daß er sie grundsätzlich, d. h. im Rahmen seiner finanziellen Möglichkeiten und seines Urlaubsanspruchs, in dringenden Fällen jederzeit hätte erreichen können. Dazu seien, wie das FG ausgeführt hat, persönliche Kontakte durch Briefe oder Telefon getreten.
b) Inländer wie Ausländer müssen auf Verlangen nachweisen, mit welchen Beträgen sie sich an dem hauswirtschaftlichen Leben in der Familienwohnung finanziell beteiligt haben. Bei Gastarbeitern ist es jedoch oft schwierig festzustellen, welcher Betrag ausreicht, um von einer maßgebenden finanziellen Mitwirkung sprechen zu können, da die Lebensumstände, wie insbesondere die Lebenshaltungskosten und die Essensgewohnheiten, im Ausland oft erheblich anders sind als in der Bundesrepublik Deutschland.
Der Senat hat Bedenken, der Berechnung des FG Düsseldorf im Urteil XI 88/73 L über die Angemessenheit der Beträge zu folgen, die ein türkischer Gastarbeiter als maßgebenden finanziellen Beitrag seiner Familie zur Verfügung stellen muß. Diese Berechnung beruht auf statistischen Erhebungen, die nur durchschnittliche Bruttotagesverdienste von Arbeitnehmern einzelner Wirtschaftszweige enthalten und außerdem weder nach Betrieben in Großstädten, Kleinstädten und auf dem Lande differenzieren noch die Löhne nach Hilfsarbeitern, angelernten Arbeitern und Facharbeitern unterteilen (vgl. z. B. Länderkurzbericht des Statistischen Bundesamtes Wiesbaden, Türkei 1977 S. 26). Es muß aber davon ausgegangen werden, daß die Unterschiede im Lohnniveau etwa zwischen Großstädten und dem flachen Land sowie innerhalb der einzelnen Wirtschaftszweige erheblich sind.
Nach Auffassung des Senats kann hier in der Regel auf den Nachweis verzichtet werden, welche Beträge im Einzelfall zur Unterstützung von Familienangehörigen notwendig waren. Unter den gegebenen Umständen genügt vielmehr die Feststellung, welche Beträge ein türkischer Gastarbeiter mindestens seiner Familie in der Türkei zugewandt haben muß, um eine maßgebende finanzielle Beteiligung des Steuerpflichtigen am hauswirtschaftlichen Leben seiner Familie in der Türkei bejahen zu können. In Übereinstimmung mit der Auffassung des BdF ist der Senat der Ansicht, daß eine maßgebende finanzielle Beteiligung im allgemeinen nur zu verneinen ist, wenn die Beträge für die Unterhaltung des Haushalts erkennbar unzureichend waren. Bei türkischen Gastarbeitern ist dabei angemessen zu berücksichtigen, daß eine türkische Familie auf dem Lande und in einer Kleinstadt ihrer Heimat wegen des unterschiedlichen Lebensstandards und des niedrigeren Preisniveaus im allgemeinen wesentlich billiger lebt als in der Bundesrepublik Deutschland.
Das FG konnte den vom Kläger im Jahre 1974 an seine Familie gezahlten Unterstützungsbetrag von etwa 2 300 DM (= monatlich 191,66 DM) ohne Rechtsverstoß dahin beurteilen, daß er im Hinblick auf den in der Regel niedrigeren Lebensstandard der Gastarbeiterfamilien in der Türkei für drei Personen nicht erkennbar unzureichend war. Der Senat ist an diese Würdigung des FG gebunden, da hiergegen keine zulässigen und begründeten Revisionsrügen vorgebracht wurden (§ 118 FGO).
c) Das FG hat, da es die Klage wegen der Höhe des Verpflegungsmehraufwandes abwies, von seinem Standpunkt aus zu Recht die Frage nicht geprüft, ob im vorliegenden Falle die doppelte Haushaltsführung beruflich veranlaßt ist. Da der Senat aber gerade hinsichtlich der Rechtsauffassung des FG zum Verpflegungsmehraufwand zu einem Ergebnis kommt, das zur Aufhebung der Vorentscheidung führt (vgl. unter 2.), sieht er sich bezüglich der beruflichen Veranlassung der doppelten Haushaltsführung zu folgenden Ausführungen veranlaßt:
Nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. Urteile vom 14. Februar 1975 VI R 125/74, BFHE 115, 322, BStBl II 1975, 607; vom 5. Dezember 1975 VI R 249/74, BFHE 117, 253, BStBl II 1976, 150; vom 13. Juli 1976 VI R 172/74, BFHE 119, 281, BStBl II 1976, 564, sowie vom 26. November 1976 VI R 153/74, BFHE 120, 520, BStBl II 1977, 158) muß die doppelte Haushaltsführung beruflich, also durch das Arbeitsverhältnis, veranlaßt sein. Der Senat geht dabei davon aus, daß Kosten der Haushaltsführung grundsätzlich zu den Ausgaben für die allgemeine Lebensführung gehören, die nach § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG weder bei den einzelnen Einkunftsarten noch vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden dürfen. Der Gesetzgeber hat diesen Grundsatz in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG dadurch unterbrochen, daß er die notwendigen Mehraufwendungen, die einem Arbeitnehmer aus Anlaß der doppelten Haushaltsführung entstehen, dann zum Abzug zugelassen hat, wenn es sich um Werbungskosten i. S. des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG handelt, d. h. um Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung von Einnahmen. Dieser enge Bezug zwischen dem Begriff Werbungskosten und den Aufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung kommt eindeutig im Wortlaut des Gesetzes zum Ausdruck; denn es heißt in § 9 Abs. 1 Satz 3 EStG: "Werbungskosten sind auch ... 5. notwendige Mehraufwendungen, die einem Arbeitnehmer aus Anlaß einer doppelten Haushaltsführung entstehen."
Der Senat hält an dieser Ansicht fest. Das Erfordernis der beruflichen Veranlassung ergibt sich entgegen der Ansicht des Klägers nicht aus dem in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG verwendeten Begriff der "notwendigen" Mehraufwendungen, sondern wie dargelegt, aus dem allgemeinen Werbungskostenbegriff des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG. Daß diese Erwägungen des Senats den Wertvorstellungen des Gesetzgebers entsprechen, zeigt sich auch darin, daß der Gesetzgeber in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG die im Rahmen von Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung anzuerkennenden Kosten für Familienheimfahrten auf die Kosten für nur eine Fahrt wöchentlich beschränkt hat. Denn dies geschah lediglich zu dem Zweck, um die "beruflich veranlaßten Fahrten gegenüber den aus persönlichen Gründen unternommenen Fahrten" abzugrenzen (vgl. Begründung zu Art. 1 Nr. 2 Buchst. b des Steueränderungsgesetzes 1966 - StÄndG 1966 -, durch das § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 in das Einkommensteuergesetz eingeführt wurde).
Wie der Senat im Urteil VI R 249/74 dargelegt hat, ist die berufliche Bedingtheit einer doppelten Haushaltsführung bei Inländern ebenso zu prüfen wie bei in der Bundesrepublik Deutschland tätigen Gastarbeitern, die der unbeschränkten deutschen Steuerpflicht unterliegen, da zwischen ihnen in steuerlicher Hinsicht insoweit kein Unterschied besteht.
Die Voraussetzungen für den Abzug von Werbungskosten müssen in dem Zeitpunkt ihrer Verausgabung vorliegen. Bei einer doppelten Haushaltsführung muß deshalb nicht nur nachgewiesen werden, daß ihre Entstehung, sondern daß auch ihre Aufrechterhaltung beruflich veranlaßt ist.
Der Senat tritt dem Kläger darin bei, daß ein beruflicher Anlaß für das Entstehen der doppelten Haushaltsführung in der Regel zunächst weiterbestehen wird. Je länger eine doppelte Haushaltsführung, deren Entstehung beruflich veranlaßt war, währt, um so stärker können jedoch private, insbesondere in der Familie des Arbeitnehmers liegende Gründe zutage treten, die diesen veranlassen, die doppelte Haushaltsführung nicht zu beenden. Sie können, wie der BdF zutreffend ausführt, im Laufe der Zeit so gewichtig werden, daß der berufliche Zusammenhang mit der doppelten Haushaltsführung zwar nicht völlig unterbrochen, wohl aber "soweit gelokkert" ist, daß die privaten Gründe die berufliche Veranlassung "überlagern". Zu den privaten Gründen zählt z. B. nach dem BFH-Urteil VI R 249/74 auch die Absicht, eine schon seit über sechs Jahren bestehende doppelte Haushaltsführung für mindestens 15 Jahre aufrechtzuerhalten, um als jugoslawischer Gastarbeiter in der Bundesrepublik Deutschland eine Rentenberechtigung zu erwerben.
Der Senat folgt nicht der Ansicht des Klägers, daß im Rahmen der doppelten Haushaltsführung letztlich alles auf privaten Gründen beruht. Der Kläger verwechselt zudem die Begriffe "persönliche" Gründe und "private" Gründe. Berufliche sowie private Gründe eines Steuerpflichtigen sind stets dessen "persönliche" Gründe. "Berufliche" Gründe sind solche, die im Zusammenhang stehen mit Erwägungen eines Arbeitnehmers zur Gestaltung seines beruflichen Bereichs. Hierzu zählen insbesondere die Berufs- und Ortswahl entsprechend den "persönlichen" Neigungen, Fähigkeiten und Einkommensvorstellungen.
Das Vorliegen der beruflichen Veranlassung einer doppelten Haushaltsführung ist, wie das Vorliegen der Voraussetzungen bei anderen Werbungskosten, nachzuweisen oder glaubhaft zu machen.
War das Entstehen der doppelten Haushaltsführung beruflich veranlaßt, so wird sich ein Steuerpflichtiger jedoch grundsätzlich im Hinblick auf die für das Finden einer geeigneten Familienwohnung (bzw. den Bau eines Hauses) in der Nähe des Arbeitsortes und den Umzug erforderliche Zeit für die ersten zwei Jahre ohne besondere Nachweise auf die allgemeine Lebenserfahrung berufen können, daß auch die Aufrechterhaltung der doppelten Haushaltsführung wegen des zeitlichen Zusammenhangs mit der auswärtigen Arbeitsaufnahme beruflich veranlaßt ist. Diese Vermutung, die gleicherweise für Inländer wie für in der Bundesrepublik Deutschland tätige Gastarbeiter gilt, kann im Einzelfall durch das FA widerlegt werden. Gastarbeiter können gemäß den zutreffenden Ausführungen des BdF nach Ablauf eines Jahres damit rechnen, daß ihnen die Aufenthaltsgenehmigung in der Bundesrepublik Deutschland verlängert wird, und daß sie ab diesem Zeitpunkt eine zeitlich beschränkte Aufenthaltsgenehmigung für ihre Familienmitglieder erhalten können, wenn sie sich vorher mit Erfolg um eine Wohnung für die Familie bemüht haben. Auf die Erteilung der unbeschränkten Aufenthaltsgenehmigung kommt es nach Auffassung des Senats nicht an.
Nach Ablauf von zwei Jahren entfällt die Vermutung. Der Steuerpflichtige hat nunmehr die Behauptung einer beruflichen Veranlassung der Aufrechterhaltung der doppelten Haushaltsführung nachzuweisen. Solange ein Steuerpflichtiger diesen Nachweis erbringt, besteht für die steuerliche Geltendmachung von Kosten der doppelten Haushaltsführung kraft Gesetzes keine zeitliche Begrenzung.
2. Der Senat teilt jedoch nicht die Auffassung der Vorinstanz hinsichtlich der Nichtanwendbarkeit der in Abschn. 26 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 LStR 1972 i. V. m. dem genannten BdF-Erlaß festgelegten Beträge für abzugsfähige Mehraufwendungen bei doppelter Haushaltsführung von Gastarbeitern.
a) Zu den nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG als Werbungskosten abzugsfähigen notwendigen Mehraufwendungen, die einem Arbeitnehmer aus Anlaß einer beruflich veranlaßten doppelten Haushaltsführung entstehen, zählen u. a. die notwendigen Mehraufwendungen für Verpflegung.
Werden sie nachgewiesen oder glaubhaft gemacht, so können sie in der geltend gemachten Höhe abzüglich überhöhter Aufwendungen und abzüglich einer üblichen Haushaltsersparnis als Werbungskosten berücksichtigt werden (Abschn. 26 Abs. 4 LStR 1972). Ohne besonderen Nachweis konnten sie im Streitjahr 1974 gem. Abschn. 26 a. a. O., i. V. m. dem genannten BdF-Erlaß für die ersten zwei Wochen seit Beginn der Tätigkeit am inländischen Beschäftigungsort bis zu einem Betrag von 30 DM täglich und für die Folgezeit bis zu einem Betrag von 13 DM täglich zum Abzug zugelassen werden.
Der Senat ist mit dem BdF der Auffassung, daß es sich hier nicht um Pauschbeträge im engeren Sinn wie bei den Pauschbeträgen wegen Verpflegungsmehraufwandes auf Dienstreisen nach Abschn. 21 Abs. 5 Nr. 3 Buchst. a LStR 1972 handelt. Letztere sind nach der Rechtsprechung des BFH (vgl. insbesondere Urteile vom 17. August 1966 VI 116/65, BFHE 86, 713, BStBl III 1966, 634; vom 14. April 1967 VI R 168/66, BFHE 88, 422, BStBl III 1967, 430, und vom 10. Dezember 1971 VI R 180/71, BFHE 104, 241, BStBl II 1972, 257) im Interesse der Vereinfachung und gleichmäßigen Handhabung im steuerlichen Massenverfahren auch von den Steuergerichten zu beachten, soweit sie nicht wegen der Eigenart des Einzelfalles zu einem offensichtlich unrichtigen Ergebnis führen. Die Beträge von 30 DM bzw. 13 DM täglich für Mehraufwand für Verpflegung sind vielmehr Regelsätze, die nicht nur bei einer i. S. der vorgenannten Rechtsprechung "offensichtlich" unzutreffenden Besteuerung, wie etwa bei einem Mißverhältnis von Ausgaben und Einnahmen, sondern nach dem Willen des Richtliniengebers auch dann nicht anzuwenden sind, wenn im Einzelfall andere besondere, nicht so "offensichtliche" Umstände vorliegen, die die Anwendung eines niedrigeren Tagessatzes als 30 DM bzw. 13 DM rechtfertigen können. Die Absicht, diese Durchschnittsätze "flexibler" zu handhaben, kommt in Abschn. 26 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 LStR 1972 in den Worten "bis zu" ... DM bzw. ... DM zum Ausdruck.
Die Steuergerichte können Anweisungen in den Lohnsteuer-Richtlinien nicht wie Gesetze auslegen, da sie nur an das Gesetz, nicht aber an Richtlinien gebunden sind. Richt- und Pauschsätze in den Lohnsteuer-Richtlinien werden, wie der Senat zuletzt im Urteil vom 23. Juli 1976 VI R 228/74 (BFHE 119, 561, BStBl II 1976, 795) unter Bezugnahme auf seine ständige Rechtsprechung hervorgehoben hat, von den Steuergerichten aber unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung aller Steuerpflichtigen (Art. 3 Abs. 1 GG) so, wie sie gemeint sind, beachtet, falls die auf Einzelbeobachtungen beruhenden Durchschnittswerte nicht im Einzelfall zu einer unzutreffenden Besteuerung führen. Soweit Verwaltungsanweisungen sich mit Rechtsfragen befassen und insbesondere Rechtsbegriffe auslegen, folgen die Steuergerichte ihnen, wenn sie nach ihrer Ansicht eine zutreffende Auslegung des Gesetzes beinhalten.
Von diesen Grundsätzen ist auch im Streitfall auszugehen. Die Richtsätze von 30 DM bzw. 13 DM sind auf Verwaltungserfahrungen beruhende Schätzungen nach § 217 AO, die durch ihre Abstufung von 30 DM auf 13 DM entsprechend der allgemeinen Lebenserfahrung zutreffend dem Umstand Rechnung tragen, daß sich die Verpflegungsmehrkosten wegen doppelter Haushaltsführung nach einer etwa 14tägigen Eingewöhnungszeit am Arbeitsort in der Regel auf einem niedrigeren Niveau eingependelt haben. Die Auslegung des Begriffs der "notwendigen" Mehrausgaben in diesen Verwaltungsanweisungen ist ebenfalls rechtlich zutreffend. Soweit der Senat die Richtsätze für Verpflegungsmehraufwand bei doppelter Haushaltsführung bisher den Pauschbeträgen im engeren Sinne für Verpflegungsmehraufwand für Dienstreisen gleichgeachtet hat (vgl. z. B. Beschluß vom 19. Januar 1973 VI B 99/72, BFHE 108, 37, BStBl II 1973, 252), hält er hieran nicht fest.
b) Der auf Verwaltungserfahrung beruhende Regelsatz von 30 DM bzw. 13 DM täglich gilt, von den oben erwähnten Ausnahmen abgesehen, für alle Arbeitnehmer, also nicht nur für Inländer, sondern auch für in der Bundesrepublik Deutschland lebende Gastarbeiter. Im Hinblick darauf, daß ein erheblicher Teil der in der Bundesrepublik Deutschland tätigen etwa 2 Millionen Gastarbeiter Kosten der doppelten Haushaltsführung seit Jahren geltend macht, weil sie ihre Familien im Ausland zurückließen, muß davon ausgegangen werden, daß bei den mehrmals erhöhten Regelsätzen die Verhältnisse der Gastarbeiter nicht unberücksichtigt geblieben sind (vgl. auch Urteil des FG Münster vom 27. November 1972 VIII 1938/71 L, EFG 1973, 156). Gäbe es Verwaltungserfahrungen, daß Gastarbeiter generell einen niedrigeren Verpflegungsmehraufwand haben, so hätte der Richtliniengeber für sie einen besonderen Regelsatz schaffen können und müssen.
Diese Erwägungen entsprechen auch der bisherigen Rechtsprechung des Senats. Er betonte insbesondere im Beschluß VI B 99/72, bei einer doppelten Haushaltsführung von Gastarbeitern könne nicht allgemein unterstellt werden, die Pauschbeträge wären wegen ihrer bescheidenen Lebenshaltung ohnehin überhöht; ob die Verpflegungspauschbeträge zu einer offensichtlich unzutreffenden Besteuerung führten, hänge daher auch bei Gastarbeitern von den Umständen des Einzelfalles ab (so auch Oeftering-Görbing, Das gesamte Lohnsteuerrecht, 5. Aufl., § 9 Anm. 77 Abs. 2, und FG Münster, Urteil VIII 1938/71 L).
c) Der Regelsatz von 30 DM bzw. 13 DM gilt in gleicher Weise auch für türkische Gastarbeiter in der Bundesrepublik Deutschland. Sie haben beim Zurücklassen ihrer Familien in der Türkei in der Regel einen nicht geringeren Verpflegungsmehraufwand als von der Familie getrennt lebende inländische Arbeitnehmer.
Der Senat folgt nicht der Ansicht des BdF, es sei bei ihnen der Verpflegungsmehraufwand zugrunde zu legen, der entstanden wäre, wenn die türkische Familie nicht zu billigeren Preisen in der Türkei, sondern zu den höheren Lebenshaltungskosten in der Bundesrepublik Deutschland gelebt hätte. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats entstehen Mehraufwendungen wegen doppelter Haushaltsführung dadurch, daß die normalerweise gemeinsame Haushaltsführung auf zwei verschiedene Haushalte aufgeteilt wird (vgl. BFH-Urteil vom 21. Januar 1972 VI R 95/71, BFHE 104, 193, BStBl II 1972, 262). Mehrausgaben wegen Verpflegung beruhen folglich darauf, daß sich der Arbeitnehmer am Beschäftigungsort selbst beköstigen muß, während er bislang im Haushalt der Familie mitverpflegt wurde (vgl. insbesondere BFH-Urteile VI R 132/69, und vom 20. Juni 1975 VI R 72/74, BFHE 116, 41, BStBl II 1975, 649). Es sind also stets die bisher tatsächlich entstandenen und nicht hypothetische Verpflegungskosten der Familie an deren Wohnort den Verpflegungskosten des Steuerpflichtigen am Arbeitsort gegenüberzustellen. Hiervon ist auch bei türkischen Gastarbeitern auszugehen, da steuerliche Vorschriften in gleicher Weise für Inländer und Gastarbeiter gelten. Im übrigen könnte ein türkischer Gastarbeiter, der tatsächlich seine Familie nach Deutschland geholt hat und anschließend innerhalb von Deutschland versetzt worden ist, ebenfalls Verpflegungsmehrkosten wegen doppelter Haushaltsführung in der Regel mit einem Satz von 30 DM bzw. 13 DM täglich geltend machen.
Der Senat teilt auch nicht die Ansicht des FA und des FG Berlin im Urteil vom 26. November 1976 III 412/76 (EFG 1977, 311), die Verpflegungsmehrkosten seien schon deshalb nicht zu berücksichtigen, weil die Summe der Ausgaben für die beiden Haushalte, nämlich die der Familie in der Türkei und die des Gastarbeiters in der Bundesrepublik Deutschland, in der Regel geringer sei als die Ausgaben, die der Familie des Gastarbeiters bei einer gemeinsamen Haushaltsführung in der Bundesrepublik Deutschland entständen. Ein solcher Vorteilsausgleich ist abzulehnen, weil die unter Umständen geringeren Lebenshaltungskosten in der Türkei nicht durch die doppelte Haushaltsführung entstanden, sondern schon vorher vorhanden waren. Werbungskosten sind um ersparte Aufwendungen nur dann zu mindern, wenn sie unmittelbar miteinander zusammenhängen, wie z. B. die Haushaltsersparnis beim Einzelnachweis von Verpflegungsmehrkosten.
Der Umstand, daß viele Gastarbeiter in der Bundesrepublik Deutschland sehr sparsam leben, kann ebenfalls nicht zur generellen Ablehnung des Regelsatzes von 30 DM bzw. 13 DM für den täglichen Verpflegungsmehraufwand führen. Eine sparsame Lebensführung in Deutschland sagt nichts über den Verpflegungsmehraufwand aus, da dieser, wie dargelegt, nur durch Vergleich mit den oft niedrigeren Lebenshaltungskosten der Familie in der Türkei ermittelt werden kann. Im übrigen ist die Art der Lebensführung auch bei Inländern für die Anwendung dieser Regelsätze im allgemeinen nicht entscheidend. Denn die Sätze wurden von der Finanzverwaltung gerade zu dem Zweck geschaffen, um ein Eindringen des Fiskus in die private Sphäre des Steuerpflichtigen möglichst zu vermeiden.
Das FG hat die Klage abgewiesen, weil nach seiner Ansicht der Pauschbetrag von 13 DM täglich für Verpflegungsmehraufwand nicht den besonderen Verhältnissen der Gastarbeiter angepaßt sei. Diese Erwägungen widersprechen der Rechtsansicht des Senats. Die Vorentscheidung ist daher aufzuheben.
3. Der Senat weist die Sache an das FG zurück, weil sie noch nicht entscheidungsreif ist. Das FG hat zwar erwähnt, die Mehraufwendungen für Verpflegung wegen doppelter Haushaltsführung müßten beruflich bedingt sein. Es hat jedoch keine näheren Feststellungen getroffen, ob beim Kläger die Aufrechterhaltung der doppelten Haushaltsführung im Streitjahr 1974 noch beruflich bedingt war.
Das FG wird die notwendigen Feststellungen hierzu nachholen müssen. Es wird ferner zu prüfen haben, ob im Streitfall besondere Umstände i. S. der obigen Ausführungen zu 2. a) vorliegen, die die Anwendung des grundsätzlich auch für Gastarbeiter geltenden Regelsatzes von 13 DM ausschließen.
Fundstellen
Haufe-Index 72591 |
BStBl II 1978, 26 |
BFHE 1978, 444 |